Peru: Unruhen sind Ergebnis jahrzehntelanger Ausgrenzung
Gudrun Sailer – Vatikanstadt
Peru erlebt einen der schwierigsten Momente seiner jüngsten Geschichte mit anhaltenden Unruhen und mehr als 60 Toten. Auslöser war der Sturz des gewählten Präsidenten Pedro Castillo durch den Kongress, auf ihn folgte verfassungsgemäß die Vize-Präsidentin Dina Boluarte, doch Hunderttausende fordern landesweite ihre Absetzung, sofortige Wahlen und eine neue Verfassung. Straßenblockaden führen zur Unterversorgung großer Städte, vor allem im Süden Perus klingen die Unruhen nicht ab.
?Die gegenwärtige gesellschaftliche Explosion hat vielfältige und komplexe Ursachen“, sagt Schwester Birgit Weiler. Ihr erster Punkt: ?Es ist kein Zufall, dass die meisten Demonstranten aus den ländlichen Gebieten, ganz besonders in den südlichen Anden und auch im Amazonasgebiet Perus, sowie aus den ärmeren Stadtvierteln in den genannten Regionen kommen und mehrheitlich zur indigenen Bevölkerung der Quechua und Aymara im Andengebiet gehören. All diese Bevölkerungsgruppen sind über Jahrhunderte gesellschaftlich diskriminiert, marginalisiert, ausgegrenzt und gesellschaftlich sozusagen unsichtbar gemacht worden.“
Viele der Menschen, die derzeit in Peru bei Straßendemonstrationen ihrer Wut freien Lauf lassen, identifizierten sich mit dem abgesetzten Präsidenten Pedro Castillo, einem früheren Dorfschullehrer. ?In ihrer Wahrnehmung war zum ersten Mal in der Geschichte der Republik Perus einer von ihnen Präsident geworden, und ihrer Ansicht nach wurde ihm von Beginn an das Regieren von der Opposition schwer gemacht. Aufgrund der starken Identifizierung mit Castillo löste seine Absetzung starke Gefühle der Enttäuschung und des Protestes aus.“
All das hat historisch tiefe Wurzeln, erinnert die deutsche Ordensfrau. Sie verweist darauf, dass in der 200-jährigen Geschichte der Republik Peru die indigenen und armen Bevölkerungsgruppen ?aufgrund von Rassismus und Klassendenken zumeist nicht als gleichberechtigte Bürger anerkannt und behandelt wurden“. Arme und Indigene litten bis heute am meisten unter der Ungleichheit in der peruanischen Gesellschaft, es fehle auch an einer wirklichen Sozialpolitik, die ihnen Bildung, Infrastruktur und eine angemessene Gesundheitsversorgung sichere.
?Wut und Zorn über diese seit langem bestehende Unrechtssituation brechen nun mit Macht hervor und drücken sich in den öffentlichen Protesten aus“, erklärt Birgit Weiler. ?Hinzu kommt noch die starke Korruption auf allen Ebenen im Land. Eine Korruption, die inzwischen ein systemisches Übel in Peru ist.“
Erster Schritt: Verzicht auf Gewalt
Schnelle Auswege aus dieser Krise seien nicht in Sicht, fährt die Ordensfrau fort. Am dringendsten wäre aus ihrer Sicht ein Ende der Gewalt ?auf Seiten von Polizei und Militär“. Auch die peruanischen Bischöfe hätten schon mehrfach zu Gewaltverzicht auf beiden Seiten aufgerufen. Der Nuntius in Peru habe beim Neujahrsempfang vor Präsidentin Boluarte betont, ?dass es in der gegenwärtigen Krise unbedingt notwendig ist, Prozesse der politischen Transformation zu beginnen. Das Gemeinwohl verlange dies“.
Katholische Priester, Ordensleute und andere pastorale Mitarbeiter stehen den Menschen in Peru in Solidarität bei, ergänzt Birgit Weiler, vor allem jenen, die von den Auswirkungen der Gewalt in ihrer Existenz betroffen sind.
(vatican news – gs)
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