Kasachstan: ?Menschen lieben hier das Glaubwürdige“
Gudrun Sailer – Nur-Sultan
Radio Vatikan: Schwester Kunigunde, womit kann Papst Franziskus in Kasachstan die Menschen ansprechen?
Sr. Kunigunde Fürst: Was wir von Papst Franziskus erwarten, ist, dass er in einer einfachen, klaren Sprache über die Botschaft Jesu erzählt. Wir brauchen keine großartigen philosophischen oder theologischen Ergüsse oder Besonderheiten. Die Menschen lieben hier das Einfache und das Glaubwürdige, und ich denke Franziskus ist ein Mensch (und ein Mensch als Papst, oder Papst als Mensch), der das auch kann, der mit seiner Menschlichkeit und seiner Güte die Ausstrahlung hat, die einfache Menschen ansprechen kann. Möglichst in einfacher Sprache - klare Botschaften sind wichtig. In unserem Programm heißt es ?Wir sollen Missionare der Einheit und des Friedens sein“, und die Leute wollen das hier.
Radio Vatikan: Franziskus hat die Geschwisterlichkeit zwischen Menschen aller Religionen betont. Wie kommt das in einem extrem multiethnischen und multireligiösen Land wie Kasachstan an?
Sr. Kunigunde Fürst: Geschwisterlichkeit ist für die Menschen hier ein sehr zentrales Thema, weil wir ein sehr multiethnisches Spektrum in Kasachstan haben. Insgesamt sollen es an die 123 Ethnien sein. Hier in Korneewka haben wir viele Usbeken, Kirgisen, Polen, Deutsche, Ukrainer, Russen natürlich und überwiegend Kasachen. Im Norden gibt es viele russische Menschen. Für die Menschen, die dieses Zusammenleben wollen und zusammenleben können, ist Geschwisterlichkeit ein ganz tiefsitzendes Thema. Sie tun alles, so wie es der Präsident Nursultan Nasarbajew immer gesagt hat: ?Die Menschen will ich zusammenführen, sie sollen eine Einheit sein, sie sollen in dieser Nation Kasachstan eine Heimat finden“. Das ist allen hier ein Anliegen. Hier im Dorf spürt man das auch in der Schule.
Radio Vatikan: Sie wirken an einer Schule im Norden Kasachstans, in Korneewka…
Sr. Kunigunde Fürst: Wir haben in der Schule alle Ethnien und Religionen, die es im Norden gibt - vom Islam angefangen, Orthodoxe natürlich und ganz wenige Katholiken. Aber sonst geht es einfach darum: Wie können wir miteinander das Leben gestalten und es schöner machen, sodass es ein gutes Leben sein kann? Das ist allen ein großes Anliegen.
Radio Vatikan: Die katholischen Gläubigen sind in ganz Kasachstan eine Minderheit von einem Prozent. Wo sehen Sie den Stellenwert der katholischen Kirche in Kasachstan und ihre Stärke?
Sr. Kunigunde Fürst: Ja, wir sind wenige, von der Anzahl her unbedeutend. Aber die katholische Kirche hat - soweit ich das erlebe - eine sehr große Achtung von Seiten der Behörden. Wir merken das, wenn wir Behördengänge haben. Wir werden wirklich mit sehr viel Wohlwollen behandelt, weil sie merken, dass wir nicht Unfrieden wollen, sondern Frieden. Wir wollen mit den Menschen das Land aufbauen, helfen und den Menschen begleitend zur Seite stehen. Wir wollen sie nicht gegen irgendwen starkmachen, dass sie sich aufbäumen gegen etwas. Das ist die Stärke der katholischen Kirche hier: sozusagen mit der Politik, soweit das möglich ist, Schritt zu halten und zu helfen, dass das Land einen guten Weg gehen kann, einen guten Weg im Sinn von Werthaltungen vermitteln.
Radio Vatikan: Inwiefern ist das gerade auch im katholischen Schulwesen ein Anliegen?
Sr. Kunigunde Fürst: Zum Beispiel ist es für uns in der Schule wichtig, Ethik zu unterrichten. Der Ethikkodex, den wir erstellt haben, ist auch in anderen Schulen aktuell. Er ist für alle da. Zum Beispiel die Frage des Schutzes von Kindern, die Frage von Abtreibung oder nicht Abtreibung, das ist für das Land ein sehr wichtiger Aspekt. Noch ein konkretes Beispiel: Gestern ist ein schwerer Unfall passiert mit einem Kind. Und da sind von uns zehn Menschen zum Blutspenden in die Stadt gefahren, um zu helfen, um jemanden beizustehen. So etwas ist ein wichtiges Zeichen für außen, das wir als katholische Menschen geben können.
Radio Vatikan: Wie äußert sich der Respekt des Staates für die katholische Kirche auf praktischer Ebene?
Sr. Kunigunde Fürst: Beim Papstbesuch wird uns sozusagen der Staat Kasachstan zum Gottesdienst nach Nur-Sultan fahren - das sind 500 Kilometer. Andere fahren noch weiter hin. Wir werden mit Polizeischutz geleitet, damit uns nichts passiert. Wir werden in einem Hotel untergebracht. Welcher Staat leistet sich das sonst? Das ist alles gratis. Das macht der Staat für die katholischen Christen, aber auch für alle anderen, die fahren wollen. Bei uns fahren nicht nur katholische Gläubige, sondern auch Muslime und orthodoxe Christen. Alle, die bereit waren zu fahren, konnten fahren.
Radio Vatikan: Was könnte Papst Franziskus in oder von Kasachstan lernen, wäre er länger im Land, so wie Sie?
Sr. Kunigunde Fürst: Ich weiß nicht, ob Papst Franziskus noch etwas lernen muss, aber wenn er etwas lernen will, dann würde ich sagen, er lernt das Leben in Einfachheit kennen, das Leben in einer Welt, wo man nicht alles hat. Wir haben kein Trinkwasser m Haus, das müssen wir holen gehen. Solche Dinge sind nicht selbstverständlich. Das ist eine Art von Armut, und Franziskus ist auch ein Mensch, der das annehmen könnte und sicher auch lernen würde.
Schwester Kunigunde Fürst von den Franziskanerinnen Vöcklabruck ist 78 Jahre alt. Lange Jahre wirkte sie als Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs (heute: Österreichische Ordenskonferenz), seit 2016 wirkt sie in Korneewka im Norden Kasachstans.
(vatican news – gs)
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