³§Ã¼»å²õ³Ü»å²¹²Ô: „Viele nicht selbst verschuldete Faktoren führen zu Hunger“
Christine Seuss - Vatikanstadt
Roland Hansen, Leiter der Afrikaabteilung bei Malteser International, sieht vor allem externe Faktoren als Ursache für die rasante Verschlechterung. „Wir haben tatsächlich im Südsudan wie auch in anderen Ländern Afrikas mit den Auswirkungen der Klimaerwärmung zu tun, bei der diese Länder komplett schuldlos sind, da sie nur einen Bruchteil dazu beigetragen haben“, betont Hansen im Gespräch mit Radio Vatikan. „Der Großteil der Klimaerwärmung stammt aus den Industrieländern des Nordens. Und die trägt jetzt unter anderem dazu bei, dass die Regenfälle sehr erratisch, also sehr unregelmäßig auftreten.“
Dies führe zu längeren Dürreperioden in Zeiten, in denen die Landwirte eigentlich mit Regen rechneten, während es in anderen Gebieten viel zu viel regne, so der Afrika-Experte: „Es ist einfach nicht planbar. Entsprechend wissen die Farmer auch nicht, wann sie wie aussäen sollen und damit haben sie auch keine vernünftigen Ernte-Ergebnisse.“
Paradoxerweise kam es in den letzten Jahren jedoch auch zu extremen Überflutungen insbesondere aus Uganda, wo es zu viel Regen gab und der Viktoriasee übergelaufen war. Die Öffnung der Schleusen führte dazu, dass zu viel Wasser gleichzeitig im Südsudan ankam, was große Überschwemmungen verursachte, die Anbau teils heute noch unmöglich machten, erklärt Hansen.
Klimawandel und eingeschleppte Schädlinge
„Das heißt, es gibt großflächige Gebiete im Südsudan, die komplett für die Ernte ausfallen. Das sind praktisch die Auswirkungen vom Klimawandel. Hinzu kam ja ohnehin die Covidkrise, die in allen afrikanischen Ländern die Wirtschaft getroffen hat, durch Lockdowns, was zu Preissteigerung geführt hat. Die Leute konnten nicht mehr ihren Erwerbstätigkeiten nachgehen, konnten nicht mehr reisen. Es sind viele Dinge gerade für die ärmere Bevölkerung wirtschaftlich katastrophal gelaufen.“
Doch damit nicht genug: Auch dort, wo angebaut werden kann, sehen sich die Südsudanesen einem neuen Feind gegenüber: Dem Heerwurm, einem über die USA eingeschleppten Schädling, der erst 2016 erstmals aufgetreten ist und dessen Raupen ganze Ernten vernichten. Hinzu kommt nun auch noch eine deutliche Preissteigerung für Getreide und Grundnahrungsmittel durch den Ukrainekrieg… „Es ist in der Tat so, dass beispielsweise im Südsudan Hirse und Mais, die zwei wichtigen Grundnahrungsmittel, über 100 Prozent in kürzester Zeit angestiegen sind. Und das heißt, die ärmere Bevölkerung kann sich das eigentlich gar nicht mehr leisten.“
Viele Menschen gingen deshalb auf die Suche nach schwierig aufzutreibendem Wildgetreide oder seien mittlerweile komplett abhängig von internationalen Hilfslieferungen. Doch die breche gerade aus Mangel an finanziellen Mitteln ein, da die Ukrainekrise viel internationale Aufmerksamkeit bündele, gibt Hansen zu bedenken. Die Folge: Hilfsprogramme seien deutlich reduziert oder sogar eingestellt worden.
„Das heißt, selbst diejenigen, die wirklich nichts mehr hatten, kriegen jetzt auch nicht mehr die internationale Hilfe, die es zuvor noch gab.“ Ein weiterer externer Faktor, der der Notlage Vorschub leiste, sei der extrem gestiegene Preis für Transporte, allein der Benzinpreis habe sich verdoppelt, was es für die Farmer teils nicht mehr wirtschaftlich mache, ihre Waren überhaupt auf den nächsten Markt zu bringen: „Und die Sachen verrotten jetzt, weil es vor Ort gar keine Vermarktungsmöglichkeiten gibt. Es hat wirklich drastische Auswirkungen. Das ist eine Kombination aus den Naturkatastrophen, die klimabedingt sind, und jetzt eben auch diese Preisexplosion durch den Ukraine-Krieg.“
Auch die zusätzlichen 4.5 Milliarden Dollar zur Hungerbekämpfung, auf deren Bereitstellung sich die führenden Industrienationen bei ihrem jüngsten Treffen auf Schloss Elmau geeinigt hatten, seien da nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und kämen auch recht spät, meint Hansen: „Bis das dann wirklich auch umgesetzt ist, wird viel Zeit vergehen und im Augenblick ist es tatsächlich dringend notwendig, wirklich direkte Hilfe zu leisten. Und diese 4,5 Milliarden werden glaube ich auch nicht wirklich komplett ausreichen. Im Augenblick erhält nur ein Sechstel der Hungernden, die vorher Unterstützung erhielten, vom Welternährungsprogramm noch Nahrungsmittelhilfe, also viel zu wenige. Und das sind so große Summen, die tatsächlich notwendig sind, dass dieses Geld wohl gar nicht ausreichen wird.“
Ein Tropfen auf dem heißen Stein
Auch das Spendenaufkommen sei für Länder außerhalb der Ukraine, also auch für Afrika, extrem eingebrochen, gibt Hansen zu bedenken. Die Malteser seien dank der glücklicherweise noch bestehenden Verträge mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für Entwicklung in der Lage, nach wie vor Hilfe zu leisten, auch wenn die gestiegenen Kosten selbst Hilfswerke mittlerweile in Bedrängnis brächten: „Wir leisten momentan Nothilfe für besonders bedürftige Haushalte, die auch vorher nichts vom Welternährungsprogramm bekommen haben.
Das sind Alleinerziehende, Frauen, Haushalte, wo einer der beiden Erwerbsfähigen eine Behinderung hat und die sich schlichtweg nicht selbst richtig ernähren können… Da verteilen wir tatsächlich Bargeld, was häufig auch das Sinnvollste ist, weil die Familie sich damit genau das kaufen kann, was sie braucht, wenn es noch Märkte gibt.“
Schulspeisung als wichtiger Faktor
Ein weiterer Fokus der Malteser liegt auf der Unterstützung der Schulspeisung in Schulen, darunter auch katholische Schulen, die bereits zuvor keine Hilfe vom Welternährungsprogramm erhielten. Denn die Schulspeisung sei der zentrale Anreiz für Familien, ihre Kinder überhaupt in die Schule zu schicken und sie nicht stattdessen auf dem Feld arbeiten zu lassen, erläutert Hansen weiter. „Wir bauen aber gleichzeitig auch Selbsthilfe-Kräfte auf, und zwar werden Schulgärten angelegt, woran sowohl Kinder als auch die Lehrer Freude haben. Wir verbessern auch die Hygiene-Situation durch verbesserte Wasser- und Sanitäreinrichtungen, aber auch durch Aufklärung im Hygienebereich, damit das, was gegessen wird auch beibehalten wird und nicht aufgrund von Durchfällen wieder verloren geht.“
Ein weiterer Fokus liege auf den Familien, die in den besonders schweren Phasen des Bürgerkriegs geflüchtet seien und nun wieder nach Hause kommen wollten – in ihren ehemaligen Dörfern aber vor dem Nichts stünden. „Die Dörfer sind abgebrannt, die Hütten sind weg, die Landwirtschaft liegt praktisch komplett am Boden. Wir müssen alles wieder neu urbar machen, brauchen Saatgut dafür, brauchen Hacken, Geräte, Gerätschaft - und all das stellen wir zur Verfügung und helfen dabei, die Landwirtschaft und damit die Selbsthilfekräfte wieder aufzubauen.“
Dazu gehöre auch eine „vernünftige Wasserversorgung“ und eine medizinische Grundversorgung, die künftig auch psychologische Hilfe für Kriegstraumatisierte einschließen solle, berichtet Hansen, der in diesem Zusammenhang auch darauf hinweist, dass es zu Konflikten mit Daheimgebliebenen kommen könne, die das Land von Kriegsflüchtlingen besetzt hätten. „Und da ist es wichtig, auch psychologisch und psychosozial zu unterstützen.“
Viele Aufgaben mit schwindenden Mitteln
Eine wachsende Anzahl von Aufgaben also, vor denen Hilfsorganisationen mit immer weniger Mitteln stehen, Sorge bereite im Südsudan auch die im kommenden Jahr anstehende Wahl, was traditionell eine Verschärfung der bereits konfliktbehafteten Positionen mit sich bringe, gibt der Leiter der Afrika-Abteilung zu bedenken. Dazu gehörten auch die antiken Konflikte zwischen Farmern und Hirtenvölkern, die teils in denselben Zonen um Weideland und Wasserquellen stritten. „Diese traditionellen Konflikte, die sich verschärft haben durch die modernen Waffen, die inzwischen aufgrund auch des Bürgerkrieges alle haben, bieten Politikern natürlich gerade bei anstehenden Wahlen eine gute Möglichkeit, diese für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Und dann wird plötzlich aus dem kleinen traditionellen Konflikt eine größere Geschichte. Und da haben wir schon ein bisschen Sorge, dass das dann wieder so eine Spirale der Gewalt geben könnte.“
Zwar gäbe es den laufenden Friedensprozess, doch der sei „sehr brüchig“, analysiert Hansen. Gerade in dieser Gemengelage wäre ein Besuch des Papstes ein wichtiges Zeichen, das dem Friedensprozess Vorschub leisten könnte, meint der Afrika-Experte.
Hoffnung auf den Papstbesuch
„Es ist tatsächlich ja ein weitgehend christliches und sehr katholisches Land, und die Menschen brauchen solche Botschaften. Ihre eigenen Führer in der Regierung sind in als ehemalige Kämpfer ein Stück weit kompromittiert und können das Thema Frieden nicht wirklich selbst so ansprechen, wie das der Papst kann.“
Diesen positiven Effekt habe auch die Reise des Papstes in die Zentralafrikanische Republik gezeigt, erinnert Hansen, der allerdings auch darauf hinweist, dass ein solcher Effekt ohne die entsprechende Nachverfolgung durch die Strukturen vor Ort irgendwann wieder „verpuffe“: „Aber ich hoffe und glaube schon, dass dieser Besuch hoffentlich dann spätestens im nächsten Jahr stattfindet und doch einen größeren Einfluss haben wird - was auch ganz wichtig ist, dass dieser bis an die Basis reicht, damit Politiker vielleicht nicht mehr so leicht die Menschen aufwiegeln können.“
(vatican news)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.