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Justin Trudeau bei seiner Ansprache Justin Trudeau bei seiner Ansprache  

Kanadas Premier Trudeau: Bessere Zukunft für alle schaffen

Wir dokumentieren an dieser Stelle die Ansprache, die Kanadas Premierminister Justin Trudeau am Mittwoch beim Treffen des Papstes mit den Autorit?ten Kanadas in Québec gehalten hat, in einer Arbeitsübersetzung.

Heiliger Vater, Exzellenzen, indigene Führer.

ich freue mich, heute hier bei Ihnen sein und einige einleitende Worte sagen zu können.

Zum Nachhören - was die Behördenvertreter dem Papst sagten

Zunächst möchte ich den First Nations, die dieses Gebiet seit Jahrtausenden bevölkert und besiedelt haben, für die Gastfreundschaft in ihrem traditionellen und vertraglich vereinbarten Territorium danken.

Während wir den Heiligen Vater diese Woche in Kanada begrüßen, ist es wichtig, über die Bedeutung dieses Moments für die Überlebenden, die indigenen Völker und alle Kanadier nachzudenken.

Gestern, am 26. Juli, haben wir den Gedenktag der heiligen Anna gefeiert.

Die heilige Anna ist eine wichtige Figur für die Katholiken. Sie steht für die Mutterliebe. Und sie steht auch für die Familie.

Die Familie: das sind unsere Wurzeln. Die Familie ist das, was uns hilft, zu wachsen und die Welt zu entdecken.

Und die Familie ist das Erste, was den Kindern, die in die Internate für Indigene geschickt wurden, genommen wurde.

Als ich T?emlúps, Cowessess und Williams Lake besucht habe - wenn ich mit Überlebenden und mit ihren Familien spreche, dann denke an die Kinder, und dann denke ich auch an die Eltern.

Als Vater kann ich mir nicht vorstellen, dass mir meine Kinder weggenommen werden. Wenn meine Kinder weinen, kann ich sie trösten. Wenn sie glücklich sind, kann ich ihre Freude mit ihnen teilen.

Aber in den Internatsschulen waren diese Kinder allein und isoliert in ihrem Schmerz und in ihrer Trauer, weit weg von ihren Familien und Gemeinschaften. Und was noch schlimmer ist: man hat ihnen ihre Sprache, ihre Kultur, ihre Identität genommen. Eine tiefe Einsamkeit: der Verlust nicht nur der Familie und der Gemeinschaft, sondern auch ihrer Sprache, ihrer Kultur und ihrer Identität.  

Seit der Veröffentlichung des Abschlussberichts der Wahrheits- und Versöhnungskommission im Jahr 2015 fordern die First Nations, Inuit und Métis den Papst auf, sich bei den Überlebenden, ihren Familien und den Gemeinden zu entschuldigen. Eine Entschuldigung für die Rolle, die die römisch-katholische Kirche als Institution bei der Misshandlung indigener Kinder auf geistlicher, kultureller, emotionaler, physischer und sexueller Ebene in den von der Kirche geleiteten Internaten gespielt hat.

Die Veranstaltung diese Woche in Maskwacîs wäre nicht möglich gewesen ohne den Mut und die Beharrlichkeit der Überlebenden, die – auch direkt mit dem Heiligen Vater - ihre schmerzhaften Erinnerungen geteilt und ihre Erlebnisse geschildert haben.

Heiliger Vater, in unseren früheren Gesprächen haben Sie immer – seit dem ersten Mal, als wir darüber sprachen – Ihre Zeit angeboten und sich aufrichtig bemüht, zu verstehen, Gutes zu tun und wiedergutzumachen.

In dieser Woche haben Sie die Misshandlungen in den Internatsschulen anerkannt, die zur Zerstörung der Kultur, zum Verlust von Menschenleben und zu den anhaltenden Traumata geführt haben, denen die indigenen Völker in allen Regionen dieses Landes ausgesetzt sind.

Wie Sie, Heiliger Vater, in Maskwacîs gesagt haben, ist die Bitte um Vergebung nicht das Ende der Angelegenheit: sie ist ein Ausgangspunkt, ein erster Schritt.

Am Montagmorgen habe ich mich mit den Überlebenden zusammengesetzt und konnte ihre Reaktionen auf Ihre Entschuldigung sehen. Jeder wird daraus das mitnehmen, was er braucht, aber es besteht kein Zweifel, dass Sie einen enormen Eindruck gemacht haben.

Die Überlebenden und ihre Nachkommen müssen bei allem, was wir in Zukunft gemeinsam tun, im Mittelpunkt stehen.

Im April war der Häuptling der Dene, Gerald Antoine, im Vatikan und verglich diesen Moment mit der Erfahrung, durch den Schnee zu laufen und frische Elchspuren zu sehen. Es war ein Gefühl der Hoffnung. Heute möchte ich sagen: Lasst uns alle gemeinsam weiter daran arbeiten, diese Hoffnung am Leben zu erhalten.

Als ich vor fünf Jahren in den Vatikan reiste, wollte ich dort das Thema Internate und Versöhnung mit Ihnen, Heiliger Vater, besprechen.

Und ich weiß, dass Ihre Anwesenheit hier in dieser Woche ohne Ihre persönlichen Überzeugungen und Ihre Integrität nicht möglich gewesen wäre. Danke, dass Sie mit offenem Herzen gekommen sind.

Wir erkennen alle an, dass das Internatssystem versucht hat, indigene Kinder zu assimilieren. Heute kämpfen die indigenen Völker weiter darum, ihre Kulturen und Sprachen zu verteidigen und zu bewahren. Die traditionelle Versammlung, die in Maskwacîs stattfand, ist ein gutes Beispiel dafür.

Versöhnung ist die Verantwortung aller. Es ist unsere Verantwortung, unsere Unterschiede nicht als Hindernis, sondern als Chance zu sehen, um zu lernen, einander besser zu verstehen und zu handeln.

Die Generalgouverneurin spricht oft davon, dass Versöhnung keine einmalige Geste ist, sondern ein lebenslanger Weg der Heilung. Dieser Weg ist für jeden Menschen anders.

Ich habe gesagt, dass die heilige Anna ein Symbol für mütterliche Liebe und Familie ist. Aber die heilige Anna steht auch für Heilung. Morgen werden Sie, Heiliger Vater, Sainte-Anne-de-Beaupré besuchen. Seit Jahrhunderten reisen Pilger dorthin, um zu beten und die heilige Anna um Heilung zu bitten.

Lasst uns im Geiste der Heilung niemals aufgeben. Kanadier, Institutionen: lasst uns unsere Arbeit gemeinsam mit den indigenen Völkern fortsetzen, bis wir eine bessere Zukunft für alle erreicht haben.

Merci. Thank you. Tiawenhk [TEEA-WEHK]. 

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28. Juli 2022, 00:22