Papst Franziskus: ?Synodalit?t neu lernen“
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
In der Kirche Lateinamerikas entwickelten sich schon seit dem II. Vatikanischen Konzil ausgesprochen synodale Elemente, erklärte Franziskus, der auf die Generalversammlungen des Lateinamerikanischen Bischofsrates in Puebla, Santo Domingo und Aparecida verwies. Der Papst stammt selbst aus Argentinien, empfing die Priesterweihe 1953 und kennt die Entwicklungen aus eigener Anschauung.
Die Kirche sei zwar schon in ihren Anfängen synodal verfasst gewesen, habe diese Art, gemeinsam Kirche zu sein, aber verloren, und erst Papst Paul VI. habe am Ende des Konzils wieder die entsprechenden Weichen gestellt, so Franziskus. Er selbst sei überzeugt davon, dass die Kirche in Lateinamerika und der Karibik seither in Sachen Synodalität besonders weit fortgeschritten sei und beabsichtige, das gemeinsame Unterwegssein ?neu zu lernen“, um die pastoralen Herausforderungen des gegenwärtigen Epochenwechsels anzugehen.
Bei diesem Neu-Lernen der Synodalität braucht es aus Sicht von Franziskus ein ?unabgeschlossenes Denken“. ?Ich habe eine Allergie gegen vollständiges und geschlossenes Denken“, bekannte der Papst. Nur bei einem offenen, unvollständigen Denken könne der Heilige Geist wirken, und zwar als Gabe, als Geschenk.
?Wenn wir denken, wir wissen alles, dann kann die Gabe uns nicht formen, weil sie nicht in unser Herz eindringt. Mit anderen Worten, es gibt nichts Gefährlicheres für die Synodalität als zu denken, dass wir schon alles wissen, dass wir schon alles verstehen, dass wir schon alles kontrollieren“, erklärte Franziskus. Die Gabe des Heiligen Geistes sei eine Überraschung, kostenlos, unverdient, ?und niemand kann sie sich aneignen, um sie zu kontrollieren. Die Gabe ist der Heilige Geist, der sich nicht mit Gewalt aufdrängt, sondern sanft unsere Zuneigung und unsere Freiheit aufruft, um uns mit Geduld und Zärtlichkeit zu formen, damit wir die Form der Einheit und der Gemeinschaft erlangen, die er sich für unsere Beziehungen wünscht.“
Räume besetzen? Nein, Prozesse öffnen
Geschlossenes Denken führe demgegenüber zum Willen, alles kontrollieren zu wollen. Franziskus sprach mit einem Bild aus seinem Schreiben ?“ von der ?Versuchung, Räume zu besetzen“ und sich in den Vordergrund zu drängen. ?Räume zu besetzen ist die Versuchung, Prozesse zu öffnen die Haltung, die das Wirken des Heiligen Geistes ermöglicht“, so der Papst.
Auch sei der Heilige Geist nicht bloß eine Kraft der Vergangenheit. ?Pfingsten geschieht auch in unserer Zeit“, unterstrich der Papst. Erst schaue alles nach Unordnung aus, danach aber sorge der Geist für ?Harmonie in allen Unterschieden“.
Synodalität ist mehr als Methode
Synodalität sei nicht einfach eine ?Methode“, eine mehr oder weniger demokratische oder gar populistische Weise, Kirche zu sein, ?das sind Verirrungen“, wiederholte Franziskus eine oft geäußerte Warnung. Vielmehr: ?Die Synodalität ist die dynamische Dimension, die geschichtliche Dimension der kirchlichen Gemeinschaft, die sich auf die dreifaltige Gemeinschaft gründet“ und die auf ?die Bekehrung und die Reform der Kirche auf allen Ebenen“ zielt.
Drei Elemente tragen nach Darstellung des Papstes die Synodalität: ?Der Glaubenssinn des ganzen heiligen gläubigen Volkes Gottes, die Kollegialität der Bischöfe und die Einheit mit dem Nachfolger Petri“. Synodalität sollte in jedem Fall dazu führen, ?die kirchliche Gemeinschaft intensiver zu leben, in der die Vielfalt der Charismen, Berufungen und Ämter harmonisch integriert sind“, so der Papst.
Die Lateinamerika-Kommission habe er im Zug der Kurienreform bestätigen und erneuern wollen, erklärte Franziskus, und zwar mit einer bestimmten Absicht: Sie möge als unterstützendes Organ dabei helfen, ?dass wir alle in Lateinamerika und der Karibik in einen synodalen Stil des Kirche-Seins eintreten, in dem der Heilige Geist der Protagonist ist und nicht wir.“
Die Lateinamerika-Kommission ist der Bischofskongregation zugeordnet, und Franziskus legte auch dar, warum er die Kommission einer Doppelspitze aus zwei Laien, einem Mann und einer Frau, anvertraut hat. Die beiden sollen ?uns allen auf komplementäre Weise helfen, eine neue Dynamik zu entwickeln und uns ein wenig von einigen unserer klerikalen Sitten und Gewohnheiten zu lösen, sowohl hier in der Kurie als auch überall dort, wo es lateinamerikanische Gemeinschaften gibt.“
Päpstliche Kommission für Lateinamerika: seit 1958
Die Päpstliche Kommission für Lateinamerika entstand 1958 durch Papst Pius XII. und hatte zunächst die Aufgabe, die Entsendung europäischer Missionare nach Lateinamerika zu erleichtern. Papst Johannes Paul II. stattete die Stelle mit dem Mandat aus, die Ortskirchen Lateinamerikas mit Hilfe und Rat zu unterstützen und Fragen der Glaubenslehre und der Seelsorge vor Ort zu untersuchen. Die Kommission arbeitet eng mit dem Lateinamerikanischen Bischofsrat CELAM und heute auch mit der nach der Amazoniensynode von 2019 entstandenen lateinamerikanischen Kirchenkonferenz CEAMA zusammen.
In seiner Videobotschaft formulierte Franziskus auch seine Erwartung, die Kommission werde den Dikasterien der Römischen Kurie dabei helfen, die soziale und kirchliche Wirklichkeit Lateinamerikas besser zu verstehen. Bei der Amazoniensynode war nach Angaben von Beobachtern ein gewisser Abstand zwischen Kurienbischöfen einerseits und lateinamerikanischen Bischöfen und Laien andererseits spürbar.
(vatican news)
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