Sudan: Bekommt Demokratie doch eine Chance?
Ist der Putschistenführer, General Abdel Fattah Burhan, eingeknickt? Seine Vereinbarung mit Hamdok spricht jedenfalls auch von einer Freilassung der nach dem Staatsstreich inhaftierten Beamten und von einem neuen Kabinett, das Hamdok zusammenstellen soll. An der Vereinbarung sind nach Angaben aus Khartum auch wichtige Gruppen der Zivilgesellschaft beteiligt.
Dabei hatte das Parteienbündnis, das sich bis zum Putsch die Macht mit der Armee teilte, eigentlich jegliche Gespräche mit den Putschisten abgelehnt und zu einer Fortsetzung der Proteste aufgerufen. Die schweren Unruhen waren ausgebrochen, nachdem General Burhan mit seiner Machtergreifung den Übergang zu einer zivilen Regierung verhindert hatte. Das ist nicht nur von Stimmen aus aller Welt scharf kritisiert worden, es führte auch zu einer Aussetzung der Wirtschaftshilfe für den Sudan in Höhe von Hunderten Millionen Dollar. Geld, das das arme Land eigentlich dringend braucht.
?Schwer zu sagen, ob Vereinbarung Bestand haben wird“
Der Westen wird die weiteren Entwicklungen im Sudan mit Argusaugen beobachten. Noch ist nicht wirklich klar, welches Spiel das Militär spielt und ob Hamdok in eine Falle gegangen ist. So muss zum Beispiel jeder Minister, den Hamdok ernennt, vom sogenannten ?Souveränen Rat“ genehmigt werden – und den leitet General Burhan. Die gewaltsame Unterdrückung der jüngsten Proteste hat etwa vierzig Todesopfer gefordert; zu den genauen Umständen hat jetzt angeblich eine Untersuchung begonnen.
?Schwer zu sagen, ob die Vereinbarung Bestand haben wird“, sagt der Afrika-Experte Enrico Casale im Interview mit Radio Vatikan. ?Wichtig ist, dass ein erster Schritt zum demokratischen Übergang getan wurde. Ein sehr wichtiger Schritt, zu dem viele Länder beigetragen haben – vor allem die internationale Gemeinschaft, die Druck auf die sudanesischen Behörden ausgeübt hat, damit diese zur Situation vor dem Putsch zurückkehren und die Zivilbevölkerung an der Regierung beteiligen. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Sudan ein strategisch wichtiges Land ist, ein Bindeglied zwischen der gesamten arabischen Welt und Afrika südlich der Sahara; darum kommt ihm eine sehr wichtige Rolle zu. Außerdem ist das Land auch ein Erdölproduzent...“
Starke Zivilgesellschaft - und rücksichtsloses Militär
Wieviel Entscheidungsbefugnis Hamdok in nächster Zeit haben wird, findet Casale ebenfalls ?schwer zu sagen“. Am starken Einfluss des Militärs werde sich so schnell nichts ändern, das sei sicher. Es sei im Übrigen das Militär gewesen, das auf den Druck der Straße hin 2019 den Langzeit-Autokraten Omar al-Bashir abgesetzt und den Übergang eingeleitet habe; seit damals halte das Militär die Zügel weiter in der Hand. Immerhin übe die Zivilgesellschaft im Sudan überraschend starken Druck aus.
?Die Zivilgesellschaft ist sehr stark! Das haben wir in den letzten Tagen bei den Demonstrationen auf den Straßen gesehen, die mit aller Härte unterdrückt wurden. Am Sonntag kam dabei auch ein 16-jähriger Junge ums Leben. Die Ordnungskräfte gehen sehr hart gegen Demonstranten vor. Für die Zivilgesellschaft ist es nicht einfach, sich gegenüber dem Militär durchzusetzen.“
Unruhige Region
Wird die Vereinbarung von Khartum jetzt zu einer Stabilisierung im Land führen? ?Das ist ein erster Schritt“, urteilt Casale. ?Wir werden in naher Zukunft sehen, wie das weitergeht. Sicherlich war der Druck sehr groß. Auch weil der Sudan Teil einer sehr komplexen ostafrikanischen Region ist: Da gibt es bereits das große Problem der Instabilität in Äthiopien, wo seit einem Jahr Krieg zwischen der Regierung und der nördlichen Region Tigray herrscht. Wenn man dann noch bedenkt, dass zu dieser Region auch Somalia und Uganda gehören, das in letzter Zeit von einer Reihe von Anschlägen erschüttert wurde, die wahrscheinlich von dschihadistischen Gruppen verübt wurden, dann wird klar, dass die Stabilität im Sudan und die Stabilität in der gesamten Region zusammenhängen.“
Der Journalist nennt noch einen weiteren Faktor der Instabilität für die Region, und zwar den sogenannten Millennium-Staudamm, den Äthiopien am Blauen Nil errichtet. Ägypten kämpft gegen das Projekt, weil es Wasserknappheit befürchtet. Und der Sudan? Liegt nicht nur zwischen beiden Streithähnen, sondern sitzt auch zwischen allen Stühlen. Er teilt die ägyptischen Sorgen, könnte aber vom Staudamm profitieren.
(vatican news – sk)
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