Italien: ?Sea-Eye 4" mit mehr als 800 Migranten angelegt
Nachdem klar war, dass das Schiff in Trapani anlegen durfte, zeigte sich die Crew ?dankbar und erleichtert". Mit Hilfe eines weiteren deutschen Schiffes, der vom Dresdner Verein ?Mission Lifeline“ betriebenen ?Rise Above", hatte die ?Sea-Eye 4" in den vergangenen Tagen mehr als 800 Menschen aus Seenot gerettet. Die Betroffenen seien auf seeuntüchtigen Booten im Mittelmeer unterwegs gewesen.
Kritik an Malta
Dem EU-Staat Malta warf der Sea-Eye-Vorsitzende Gorden Isler vor, mehrere Notrufe ignoriert zu haben. So habe die Rettungsleitstelle in Valletta im Falle eines lecken Holzbootes mit 400 Menschen an Bord keine Hilfe geschickt. Deshalb sei man in eine ?so außerordentliche Situation" geraten. Isler forderte daher: ?Die EU-Staaten müssen Malta eindringlich dazu ermahnen, dass die Rettungsleitstelle in Valletta endlich wieder auf Notrufe reagiert und Seenotfälle koordiniert und zwar unabhängig von der Hautfarbe oder der Herkunft der Personen, die sich in Seenot befinden.“
Die ?Sea-Eye 4" wurde am Sonntag von der ?Rise Above" nach Trapani begleitet. Es sei ?Ehrensache, dass wir weiterhin alles uns Mögliche tun, um sie zu unterstützen", teilte Mission Lifeline mit. Die Zusammenarbeit habe sich als ?sehr effektiv" erwiesen.
Weiteres Schiff wartet auf Anlegeerlaubnis
Unterdessen wartet das Schiff ?Ocean Viking" der europäischen Hilfsorganisation ?SOS Mediterranee“ weiter auf die Zuweisung eines sicheren Hafens. Bei mehreren Einsätzen nahm das Schiff zuletzt mehr als 300 Bootsmigranten aus dem zentralen Mittelmeer auf.
Tödlichste Migrationsroute der Welt
Die Mittelmeerroute gilt als die tödlichste Migrationsroute der Welt. Seit 2014 verloren mindestens 22.842 Menschen, die auf den Weg nach Europa waren, im Mittelmeerraum ihr Leben, wie das ?Missing Migrants Project“ der UN zeigt. Allein im zweiten Quartal dieses Jahres - also innerhalb von nur drei Monaten - waren es mindestens 511 Menschen. Zur Einordnung: Von 2014 bis 2020 starben laut der EU 386 Menschen in Folge von religiös motivierten Terrorismus in Europa.
Die meisten Toten gibt es dabei mit großem Abstand in der sogenannten zentralen Mittelmeerroute, die von Lybien ausgeht. Von hier versuchen Flüchtlinge und Migranten mit Schlauchbooten nach Italien zu gelangen. Seit der Schließung der Balkanroute und dem Abkommen mit der Türkei ist dies gleichzeitig der meist genutzte Weg nach Europa, mit zirka 80.680 versuchten Übertritten in diesem Jahr. Viele Ankömmlinge sind laut dem Italienischen Innenministerium tunesische Staatsbürger (27 Prozent), relativ hoch sei auch der Anteil der Personen aus Bangladesch (12 Prozent) und Ägypten (11 Prozent).
Kritik an Pullfaktor
Ein großer Teil der in Seenot geratenen Menschen im Mittelmeer werden von privat finanzierten Rettungsmissionen in Sicherheit gebracht. Ein Grund dafür ist, dass die EU 2020 die EU-Marine-Mission ?Sophia“ einstellte, die ab 2015 etwa 45.000 Migranten im Mittelmeer gerettet hatte, und durch die Mission ?Irini“ ersetzte. Auf Druck Italiens, Österreichs und anderer Mitgliedstaaten wurde das Einsatzgebiet aber weiter nach Osten verlegt als bei ?Sophia“ und befindet sich nun abseits gängiger Migrationsrouten. EU-Schiffe retten seitdem kaum noch Menschen.
Hintergrund ist die Annahme, dass die ?Sophia“-Schiffe vor Libyens Küste für einen zusätzlichen Pull-Faktor in Richtung Europa sorgten und von Flüchtlingsschleusern ausgenutzt wurden. Manche Forscher vermuten, dass als Folge von Seenotrettung mehr Menschen zu schlechteren Konditionen die Überfahrt nach Europa wagten. Dass Seenotrettung tatsächlich einen Pull-Faktor darstellt, ist allerdings umstritten.
(kna – gh)
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