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Bewohner in Lunik IX erwarten Papst Franziskus (14.9.2021) Bewohner in Lunik IX erwarten Papst Franziskus (14.9.2021) 

Roma-Pastoral in der Slowakei: Menschen von innen verändern

Der Besuch des Papstes bei der Roma-Gemeinschaft in Košice am vergangen Dienstag diente nicht nur der dort lebenden Minderheit, sondern allen Roma des Landes. Das betont im Gespräch mit Radio Vatikan Renata Ocilkova. Sie ist Koordinatorin für Roma-Pastoral in der slowakischen Bischofskonferenz.

Radio Vatikan: Was bedeutet der Besuch von Papst Franziskus bei der Minderheit der Roma?

Renata Ocilkova: „Der Heilige Vater besuchte nicht nur Luník IX, sondern symbolisch die gesamte Roma-Gemeinschaft. Ich weiß nicht, ob allen klar war, was geschehen ist. Ich glaube aber, dass viele Roma wahrgenommen haben, dass ihnen, den Roma, große Aufmerksamkeit zuteil wurde, eben weil das Oberhaupt der katholischen Kirche die Aufmerksamkeit auf sie lenkte.

Und für die Roma, die gläubig sind oder einer Gemeinschaft angehören, bedeutete es sehr viel: eine Wertschätzung, eine Ermutigung, aber auch eine tiefe und schöne spirituelle Erfahrung.“

Kinder blicken in Lunik IX während des Papstbesuches aus einem Fenster
Kinder blicken in Lunik IX während des Papstbesuches aus einem Fenster

Radio Vatikan: Wie würden Sie die Situation der Roma-Gemeinschaft in der Slowakei allgemein beschreiben?

Renata Ocilkova: „In der Slowakei gibt es etwa 400 000 bis 500 000 Roma, was etwa acht bis zehn Prozent der Bevölkerung entspricht. In der Ostslowakei - in den Regionen KoÅ¡ice und PreÅ¡ov - machen sie etwa 16 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, und die Tendenz ist steigend. In der Ostslowakei leben 80 Prozent der Roma außerhalb der Bezirksstädte, die meisten von ihnen leben in segregierten Gemeinschaften, und in den segregierten Gemeinschaften leben viele in schwerer und generationenübergreifender Armut.“

Hier im Audio: Roma-Pastoral in der Slowakei

Radio Vatikan: Ganz ganz viele Roma leben ja in dem Viertel Lunik IX, an der Peripherie von Košice. Warum konzentrieren sie sich ausgerechnet dort, was ist die Geschichte dieses Viertels?

Renata Ocilkova: „Die Wohnsiedlung Luník IX in KoÅ¡ice hat etwa 5.000 Einwohner, die alle Roma sind, einschließlich des Bürgermeisters (niemand weiß genau, wieviele Menschen dort leben). Der Missions-Einsatz für den Pastoralen Dienst in Lunik IX begann im Jahr 2003. Es handelt sich um die größte Roma-Siedlung in Mitteleuropa, die als soziales Experiment am Rande von KoÅ¡ice errichtet wurde. In den 1980er Jahren waren die Bewohner Roma, Mitglieder der Polizei und der Armee. In den 1990er Jahren begann die Mehrheitsbevölkerung allmählich aus der Siedlung auszuziehen. so sind schrittweise in Lunik nur Roma-Leute geblieben. Die Fläche der Siedlung beträgt einen Quadratkilometer, sie hat die höchste Bevölkerungsdichte in der Slowakei. Das Durchschnittsalter beträgt 20 Jahre.“

„Wertvolle Hilfe durch das deutsche Hilfswerk Renovabis“

Radio Vatikan: Hilfe von den Institutionen ist dort Fehlanzeige, die einzige konkrete Unterstützung scheint ja von der katholischen Kirche, oder genauer von den Salesianern zu kommen, die dort arbeiten, oder?...

Renata Ocilkova: „Der pastorale Dienst in den Roma-Gemeinschaften wurde bisher weder vom Staat noch von anderen öffentlichen Quellen systematisch unterstützt. Es gibt Teilprojekte zur Unterstützung von Aktivitäten durch verschiedene Stiftungen oder regionale Selbstverwaltung - hauptsächlich PreÅ¡ov - oder privater Spender. Dieses Mal (in Jahren 2020-2021) haben wir zum ersten Mal eine Pilotunterstützung von der Regierung der Slowakischen Republik für Pastoralassistenten in Roma-Gemeinschaften. Die längste und umfangreichste Unterstützung in diesem Bereich kommt von der deutschen katholischen Stiftung Renovabis, die der slowakischen katholischen Kirche in den letzten 30 Jahren mehr als 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat. Viele der Projekte werden von der Kirche selbst oder von den in den Roma-Missionen tätigen Ordensgemeinschaften finanziert.“

Der Salesianer Peter Besenyi leitet die Pastoralmission in Lunik IX
Der Salesianer Peter Besenyi leitet die Pastoralmission in Lunik IX

Radio Vatikan: Wie operiert die katholische Kirche, um die Minderheit der Roma in der Slowakei zu unterstützen?

Renata Ocilkova: „Der Staat versucht, die Roma-Problematik durch verschiedene Unterstützungsinstrumente anzugehen, die Menschen von außerhalb erreichen. Die Kirche versucht, die Menschen von innen zu verändern. Wir sind davon überzeugt, dass nur ein innerer Wandel eine wirkliche Veränderung im Leben der Menschen bewirken kann.“

Radio Vatikan: Was muss passieren, damit sich an der Situation der Roma in der Slowakei signifikant etwas zum Besseren wendet?

Renata Ocilkova: „Der Staat muss verstehen und anerkennen, dass es ohne Kirche nicht geht. Solange die Kirche und religiöse Einrichtungen von der öffentlichen Finanzierung ausgeschlossen sind, solange der Staat die Seelsorge nicht als mindestens gleichwertig mit dem sozialen Dienst anerkennt, wird sich nichts bewegen. Selbst die wissenschaftliche Untersuchung der Slowakischen Akademie der Wissenschaften aus dem Jahr 2010 (unter dem Titel SIRONA 2010) besagt, dass die Erneuerung des Lebens der Roma auf der Grundlage einer veränderten Denkweise konkrete positive Auswirkungen auf ihr persönliches Leben in Bezug auf kulturelle, bildungsbezogene, soziale/relationale und wirtschaftliche Aspekte hat.     

Dies wird auch durch unsere Erfahrung mit der Seelsorge in den Roma-Gemeinschaften bestätigt, in denen Priester der katholischen Kirche, Ordensschwestern und Laienmitarbeiter tätig sind.   

Papst Franziskus trifft die Roma-Gemeinschaft in Lunik IX
Papst Franziskus trifft die Roma-Gemeinschaft in Lunik IX

Wir brauchen uns gegenseitig, wir brauchen die Zusammenarbeit. Kirche, Staat, Kommunalverwaltung, Schulen, Freizeitzentren, Charitas, Nichtregierungsorganisationen, Seelsorgezentren... Die Ganzheitliche Arbeit trägt die Früchte. Äußere Veränderungen ohne innere Veränderung der Person bringen selten langfristige Veränderungen. Wie in jedem Bereich bestätigt sich, dass das einzige so genannte systemische Maßnahme - Gott ist. Durch den Dienst der Kirche in den Roma-Gemeinschaften hilft die Kirche nicht nur den Mitgliedern der Roma-Gemeinschaften, sondern der gesamten Gesellschaft.“

Die Fragen stellte Christine Seuss. Mehr Informationen zur Roma-Pastoral in der Slowakei finden Sie .

(vatican news)

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16. September 2021, 11:45