Kamerun: Laudato si‘ als Inspiration beim Kampf gegen Mangelern?hrung
Christine Seuss und Giada Aquilino - Vatikanstadt
Neue Wege im Kampf gegen die ?Tragödie der Unterernährung in Afrika“ zu finden, mit ?konkreten Gesten“ und dabei ?von der Erfahrung vor Ort“ ausgehend: Der Laienbruder Fabio Mussi, Caritas-Koordinator der Diözese Yagoua im extremen Norden Kameruns, fühlt sich bei diesem Engagement direkt ?herausgefordert“ durch Papst Franziskus' und durch dessen Appell, in die Bewahrung des gemeinsamen Hauses mit ?Gesten der Großzügigkeit, Solidarität und Fürsorge“ ?positiv einzugreifen“ (58). Der aus Lissone (Monza-Brianza) stammende PIME-Missionar arbeitet seit elf Jahren in dem Land, in dem mehr als ein Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt. Die Vereinten Nationen verorteten Kamerun im Human Development Index 2019 auf Platz 150 von 189.
Der Einsatz der Caritas Yagoua
Hungersnot, Klimawandel, Instabilität in den englischsprachigen Gebieten, Gewalt gegen Kinder, Familien und ganze Gemeinden sowie Übergriffe der nigerianischen islamistischen Extremisten von Boko Haram bedrohen weiterhin die überwiegend landwirtschaftlich geprägte Bevölkerung und Wirtschaft Kameruns.
In diesem Kontext arbeitet die Caritas des Landes, insbesondere in Yagoua, wo sie seit geraumer Zeit gezielt Projekte zur Wasserförderung durchführt, indem sie Wasserstellen baut und instand setzt (jährlich entstehen 100 neue Anlagen, 80 werden renoviert).
Mindestens 40.000 Kinder brauchen Behandlung
?Im äußersten Norden Kameruns haben wir eine Rate von akuter oder schwerer Unterernährung, die über dem nationalen Durchschnitt liegt“, berichtet der Missionar im Gespräch mit Pope. Im Land liegen sechs von zehn Regionen bei Wachstumsverzögerungen und chronischer Unterernährungsrate von mehr als 30 Prozent - in der Region, in der Bruder Mussi arbeitet, ist die Rate sogar noch höher:
?Man schätzt“, so sagt er, ?dass es hier mehr oder weniger 40.000 untergewichtige Kinder gibt, die behandelt werden müssen. Es muss aber gesagt werden, dass dies die überprüften Fälle sind, nicht unbedingt die reale Situation, denn vielerorts kann der Durchschnitt angesichts der Unsicherheiten und allgemeinen Probleme viel höher sein. Hinzu kommt, dass wir im Jahr 2020 auch schwere Überschwemmungen hatten, bei denen in ganzen Gebieten die Ernte vernichtet wurde, auch wegen des Durchzugs von Tieren wie Elefanten und Flusspferden“.
Der Caritas ist auch die Bildung ein wichtiges Anliegen: 32 Schulen, einschließlich Grundschulen und Kindergärten, 7 Berufsbildungszentren und zwei Gymnasien, für insgesamt etwa 10.000 Schüler hat sie ins Leben gerufen. Außerdem kümmert sie sich mit mehreren Ambulanzen und einem Diözesankrankenhaus in Tulum, ca. 60 km von Yagoua entfernt, um die Gesundheitsfürsorge; stellt Hilfe für Vertriebene und Flüchtlinge bereit; und kämpft gegen Unterernährung in der Region: In Zusammenarbeit mit dem Welternährungsprogramm hat Caritas im Laufe der Jahre ein Projekt zur Unterstützung von 12.000 Kindern in der Region des Tschadsees durchgeführt und dabei Kits mit Nahrungsergänzungsmitteln verteilt, die von UN-Organisationen eingeführt wurden.
?Als wir uns die Situation und die Raten der Unterernährung in unseren Gebieten ansahen, wurde uns klar, dass das einzige wirksame System für uns derzeit die Verteilung von Nahrungsergänzungsmitteln ist, die im Moment importiert werden. Aber wir fragen uns, wie lange das noch so gehen kann. Denn die Präparate kosten Geld und es ist schwierig, sie in unsere Gebiete zu liefern. Es gibt die internationalen Organisationen der Vereinten Nationen, die sich für die Bekämpfung von Ernährungsunsicherheit und Unterernährung einsetzen, aber wenn diese Organisationen weg sind, wird es dann noch möglich sein, den Kampf gegen Unterernährung mit den Nahrungsergänzungsmitteln fortzusetzen?“
Erfahrungen vor Ort und in anderen Nachbarländern hätten allerdings gezeigt, dass es lokale, endogene Lösungen geben könnte. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Verwendung einer einheimischen Pflanze, die zwar weit verbreitet sei, aber deren Vorzüge noch lange nicht entsprechend genutzt würden: der Moringa-Baum: ?Das ist ein Strauch, der alle Eigenschaften besitzt, um Kindern eine Ergänzung der Nährwerte zu verschaffen, ohne großen Aufwand“.
Der Moringa-Baum
Der Moringa, erklärt der Missionar, ?ist ein Baum, der in Indien beheimatet ist, aber hier seit Jahrzehnten präsent ist. Er widersteht tropischen Temperaturen und sogar Trockenheit. Außerdem wächst er schnell und produziert Blätter und Samen, die reich an pflanzlichen Proteinen, Spurenelementen und Vitaminen sind. Durch die Förderung des lokalen Anbaus und der Produktion konnte also ein sehr gutes Ergebnis erzielt werden. Außerdem müssen diese Blätter oder Körner nicht behandelt werden: Man lässt sie einfach trocknen und verwendet sie in der Nahrung, entweder indem sie beim Kochen den Gerichten hinzugefügt werden oder indem man sie als Tee oder Aufguss verwendet.“
Der Missionar zeigt sich begeistert von den Daten, die er und sein Team gesammelt haben. Diese stammen auch aus anderen afrikanischen Ländern und wurden von mehreren Universitäten verifiziert. Demnach würde es ausreichen, ?unterernährte Kinder drei Monate lang täglich mit einem Teelöffel Moringamehlpulver zu behandeln, um Kraft und Gewicht wiederzuerlangen“, berichtet Mussi. Auch die FAO bestätigt, dass Moringa-Blätter reich an Proteinen, Vitaminen A, B und C und Mineralien sind und empfiehlt ihre Verwendung für schwangere Frauen, stillende Mütter und kleine Kinder.
Laudato si' und das Pilotprojekt
Papst Franziskus, so betont Bruder Mussi, ?legt das Fundament unseres Einsatzes für und im gemeinsamen Haus, indem er mit der ,Anerkennung der Rechte der anderen‘ beginnt“, um zu einem ?ethischen und spirituellen Weg“ zu führen, der angesichts der aktuellen ökologischen Krise auch die ?besten Früchte der heute verfügbaren wissenschaftlichen Forschung“ einbeziehe (15).
?Die Worte des Papstes laden uns ein, die Ergebnisse von Erfahrung und des wissenschaftlichen Fortschritts wertzuschätzen und sie den verschiedenen Situationen des Lebens zum Wohl aller anzupassen. ,Jede Veränderung braucht Motivation und einen Bildungsweg‘, sagt der Papst. Für uns bedeutet das, dass es manchmal notwendig ist, sich nicht mit vorgefertigten Lösungen zufrieden zu geben, sondern neue zu suchen, die mehr mit den von der Enzyklika vorgeschlagenen Werten übereinstimmen.“ Und genau in dieser Perspektive führe Caritas Yagoua das Pilotprojekt zu Moringa durch, unterstreicht der Missionar:
?Wir experimentieren bereits seit dem Juni 2019 mit dem Eigenanbau der Pflanze. Mit Hilfe von Bauernhöfen und landwirtschaftlichen Helfern haben wir Samen verteilt, aus denen etwa 500 Moringa-Pflanzen entstanden sind: Wir sammelten die Blätter und zerkleinerten sie zu Mehl, dann verpackten wir es in 50-Gramm-Beutel, die etwa 500 Cfa-Francs, also 80 Euro-Cent, kosten würden. Ab September 2020 haben wir mit der kostenlosen Verteilung an einige Frauen begonnen, die in den katholischen Gesundheitszentren, in denen wir tätig sind, betreut werden. Die Mütter, die Kinder mit Unterernährungsproblemen haben, können so sowohl Setzlinge als auch Saatgut erhalten, um die Sträucher zu pflanzen, die Produkte direkt selbst zu fertigen und damit autonom zu werden“.
Wissen weitergeben
Denn es sei wichtig, dass ?Wissen über die Behandlung bestimmter akuter Situationen, wie z.B. Unterernährung, an diese Frauen weitergegeben wird, die, obwohl sie oft Analphabeten sind, sehr wohl wissen, dass eine gute Behandlung ihrer Kinder eine bessere Lebensperspektive für alle bedeutet“.
In einem Gebiet, in dem aufgrund der peripheren Lage die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zumindest abzumildern scheint – auch wenn im Moment eine zweite Welle registriert wird - seien Krankheiten wie Malaria und Cholera häufig, betont der Missionar. Es gebe auch viele Fälle von Meningitis, besonders ?in der Zeit zwischen Februar und März, wenn Hitze und Trockenheit herrschen und der Wüstenwind weht“.
(vatican news - cs)
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