Kolumbien: Flucht vor Gewalt und Hunger
Giordano Contu und Anne Preckel – Vatikanstadt
Anfang des Jahres sei es in mehreren Gebieten entlang der Grenze zu Ecuador und Venezuela zu Zusammenstößen bewaffneter Gruppen gekommen, erzählt Pater Héctor Fabio Henao Gaviria. Darunter waren Dissidenten der ehemaligen FARC, die ungeachtet des Abkommens von 2016 bis heute weiterkämpfen, Guerillas der Nationalen Befreiungsarmee ELN, das ist die zweite Rebellengruppe im Land, sowie Kämpfer der lokalen Drogenmafia, die in Kolumbien weite Landesteile kontrolliert.
Die Drogenmafia habe sich letztlich durchgesetzt, berichtet Pater Henau Gaviria. Ihr Terror gegen die Lokalbevölkerung hatte ein klares Ziel und ging wie so oft auf Kosten der Ärmsten.
?Es ging der Drogenmafia um die Kontrolle über die besten Transportwege für Drogen bis zu dem Pazifik, wo diese verschifft werden. Dehslab haben sie großen Druck auf die Lokalbevölkerung ausgeübt, vor allem haben sie indigenen Gruppen und Afrokolumbianern zugesetzt, die sich zur Flucht gezwungen sahen. Andere konnten (aufgrund der Gewalt) ihre Dörfer gar nicht verlassen...“
Gewalt treibt in die Flucht
War es in den letzten Jahrzehnten vorrangig der blutige Konflikt zwischen Staat und der FARC-Guerilla, der das Land nicht zur Ruhe kommen ließ, ist es heute ein Krieg zwischen mehreren bewaffneten Gruppen, die sich um die Kontrolle der Gebiete keilen, die die Regierung Duque sich selbst überlässt. Eine unübersichtliche Gemengelage mit unterschiedlichen Akteuren, aber nicht minder zerstörerisch – im Gegenteil: Konflikte und Gewalt vertrieben in Kolumbien in den letzten 50 Jahren 5,5 Millionen Menschen. Allein heute droht acht Millionen Kolumbianern die Flucht in der eigenen Heimat.
Was der Pater über die Drogenmafia im Grenzgebiet erzählt, ist in vielen Gebieten trauriger Alltag. Landwirte und Selbstversorger in ländlichen Gebieten, die ihre Felder wegen der Gewalt nicht bestellen können, sind zu Hause gefangen und leiden Hunger. Kinder eben jener Gemeinschaften, die seit Jahren unter Übergriffen und Konflikten leiden, werden entführt und von den Guerilla als Kindersoldaten missbraucht, wie Pater Henau Gaviria berichtet. Viele der intern Vertriebenen strandeten in den Städten, wo sie mit ihren Familien in extremer Armut und ohne das Nötigste lebten, erzählt er weiter. Immerhin habe das Verfassungsgericht jüngst geurteilt, der Staat müsse sich dieser Bevölkerungsschicht stärker annehmen, damit Grundrechte gewahrt würden.
Einsatz der Kirche auf mehreren Ebenen
Der Einsatz der Kirche für Frieden in Kolumbien und für die Vertriebenen bewege sich auf mehreren Ebenen, erläutert Henau Gaviria, der auch Koordinator der Kommission für territoriale Angelegenheiten beim Nationalen Friedensrat ist.
So bemühe man sich einerseits um den Schutz der Gemeinden und lokaler Friedensaktivisten, die einem hohen Risiko ausgesetzt seien, wenn sie sich etwa für die Entwurzelung der als Drogen verwendeten Kokapflanzen oder den Schutz der Wasserressourcen stark machten. Dass kriminelle Lobbys und bewaffnete Gruppen immer öfter solche und ähnlich mutige Zivilisten und auch Bürgerrechtler ins Visier nehmen, zeigt die traurige Mordstatistik der letzten Jahre. So wurden zwischen 2016 und 2019 400 soziale und politische Führer getötet, in diesem Jahr starben in Kolumbien allein 230 Zivilisten einen gewaltsamen Tod.
Um lokale Gemeinschaften zu befrieden und zu fördern unterstütze Kolumbiens Kirche Dialog- und Versöhnungsprojekte wie etwa Programme zur Wiedereingliederung ehemaliger Guerilla-Kämpfer oder ein Wirtschaften, das Alternativen zum Koka-Anbau bietet. Solche und ähnliche Maßnahmen sollen der Umsetzung des Friedensabkommens von 2016 dienen; die Ortskirche wird dabei von internationalen Partnern unterstützt, darunter den Vereinten Nationen und katholischen Hilfsnetzwerken wie Caritas internationalis oder Adveniat und Misereor. Weitere kirchliche Hilfsmaßnahmen richten sich auf die Betreuung von Binnenvertriebenen und Immigranten aus dem Ausland, etwa dem benachbarten Venezuela. Über 200.000 dieser Menschen werden von der Ortskirche und Caritas unterstützt – zum Beispiel mit Nahrungsmitteln und Bildungsangeboten.
(vatican news – pr)
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