Kritik an Sterbehilfe in Niederlanden h?lt an
In den Niederlanden, wo aktive Sterbehilfe 2002 legalisiert wurde, ?kippt das System stillschweigend in eine neue Form von Paternalismus, ja eklatante Fremdbestimmung um“, befand die Wiener Bioethikerin Susanne Kummer. Und der Kommunikationschef der Erzdiözese Wien, Michael Prüller, wies in der ?Presse“ darauf hin, dass das betreffende Urteil von der bisher geltenden Voraussetzung der eindeutigen Freiwilligkeit des zu tötenden Menschen abgehe. Überschrift des Artikels: ?Der Tod ist ein Meister aus Holland“.
Prüller schilderte die fragwürdigen Umstände der bereits im Jahr 2016 erfolgten Tötung. Eine damals 74-jährige Frau hatte in einer Patientenverfügung erklärt, sterben zu wollen, wenn sie unerträglich leide, in ein Heim eingewiesen werde - und ?wenn ich denke, dass die Zeit dafür reif ist“. Als sie dann an Alzheimer erkrankte und ins Pflegeheim kam, habe ihr Ehemann die Tötung beantragt - obwohl die Patientin dies bei mehreren Gelegenheiten ablehnte.
Patientin wehrte sich
Die Familie insistierte jedoch, zwei Ärzte befanden die Demenz für ?unerträglich“, berichtete Prüller. Der ahnungslosen Seniorin wurde ein Betäubungsmittel in den Kaffee gemischt und mit der Infusion des tödlichen Giftes begonnen. ?Die Dame wachte aber noch einmal auf, wehrte sich und wurde von ihren Familienangehörigen festgehalten, bis sie tot war“, so der katholische Publizist.
Das Gericht in Den Haag bestätigte vergangene Woche den Freispruch einer Ärztin, die an dieser ?Behandlung“ beteiligt war, vom Vorwurf des Mordes, weil die Demenzkranke davor eine Patientenverfügung unterzeichnet hatte. Ihr Wunsch nach Sterbehilfe wurde nach erfolgter Tötung von der Staatsanwaltschaft angezweifelt, der Fall löste eine öffentliche Debatte aus. Nach dem Freispruch bat die Staatsanwaltschaft das Oberste Gericht um ein Grundsatzurteil, das seit einer knappen Wochen vorliegt. Es war der erste Strafprozess zur aktiven Sterbehilfe nach deren Legalisierung in den Niederlanden 2002.
?Wer das Tabu des Tötens verletzt, verwundet das Leben“
Der Fall zeigt nach den Worten Michael Prüllers, ?wie realistisch die Ansicht der Gegner einer erlaubten Sterbehilfe sind, dass es bei einem bisschen Töten nicht bleiben wird“. Auch eine zunächst vorsichtige Öffnung für die legale Tötung gehe immer weiter - bis zur moralischen Pflicht zum schonenden Ableben und dem, freilich sorgfältigen, Verabreichen von Gift als Routinehandlung. ?Auch wenn man das Gegenteil will“, so Prüller: ?Wer das Tabu des Tötens verletzt, verwundet das Leben.“
Für die Geschäftsführerin des kirchlichen Bioethikinstituts IMABE, Susanne Kummer, macht das Urteil in den Niederlanden ?erschreckend deutlich, welcher Kulturwandel passiert, wenn der Staat Tötungswünsche nur noch regelt, statt seiner Schutzpflicht für Menschen in vulnerablen Situationen wie Krankheit, Alter oder sozialer Isolation nachzukommen“. Autonomie in der sogenannten Sterbehilfe sei ?nur die halbe Wahrheit“. In den Niederlanden ?kippt das System stillschweigend in eine neue Form von Paternalismus, ja eklatante Fremdbestimmung um“.
Rasanter Anstieg der Fälle
In den Niederlanden steigt die Zahl der Fälle von Tötung auf Verlangen bei psychiatrischer Krankheit oder Demenz weiter an: 2009 fanden zwölf Fälle bei Demenzkranken statt, im Jahr 2017 waren es bereits 189 Fälle, bei chronischen psychiatrischen Patienten stieg die Zahl von 0 auf 83. 2018 hatten 144 Menschen mit einer beginnenden Demenz den Antrag auf Tötung gestellt, insgesamt wurden 6.126 Menschen auf eigenen Wunsch getötet - 17 Personen pro Tag, wie Bioethikerin Kummer vorrechnete.
Diese Entwicklung löste breite Diskussionen aus: 2017 hatten bereits mehr als 200 niederländische Ärzte öffentlich gegen Euthanasie, wie sie dort genannt wird, bei fortgeschrittener Demenz protestiert. Aus Protest gegen die steigende Zahl von Demenzpatienten, die inzwischen durch aktive Sterbehilfe zu Tode kommen, traten auch mehrere prominente Medizinethiker des ?Euthanasieprüfungsausschusses“ zurück.
(kap – sk)
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