Peru: Gespr?ch mit einem deutschen Bischof in den Anden
Gudrun Sailer – Vatikanstadt
Vor kurzem war Bischof Nann zu Gast in Rom. Wir nutzten die Gelegenheit, mit ihm ein langes Interview zu führen. Wie lebt es sich als Bischof in den Anden? Was sind die Nöte der Menschen? Und wie tickt die Kirche in diesem südamerikanischen Land? Das wollten wir von ihm im ersten Teil des Gesprächs wissen.
Pope: Bischof Nann, Peru ist ein traditionell katholisches Land, das sich gerade in einer starken Entwicklung befindet. Wie sehen diese Entwicklungen heute aus?
Bischof Nann: Die Kirche in Peru kommt aus den Kolonialzeiten. Es waren bis vor 30, 40 Jahren noch 100 Prozent der Menschen in Peru katholisch. Heute sprechen wir von etwa 78 Prozent Katholiken. Die evangelischen Freikirchen, Pfingstkirchen, haben ganz stark zugenommen dort.
Pope: Papst Franziskus ist sich des Problems bewusst, hat aber auch mehrfach seine Sympathie für solche Kirchen und Bewegungen bekundet. Was für ein Weg schält sich da heraus?
Bischof Nann: Ich finde es gut, dass der Papst da sehr offen ist, keine Berührungsängste hat mit solchen Gruppen. Die Gruppen allerdings, die in Peru tätig sind, kommen überwiegend ursprünglich aus den USA und sehr antikatholisch gepolt. Ihr Hauptmissionseifer zielt darauf, den Leuten zu sagen: ?Die katholische Kirche, das sind alles Götzendiener, weil sie die Heiligen als Götzen verehren.“ Damit meinen sie natürlich, dass man sich von diesem teuflischen Zeug hier abwenden muss. – Also es ist sehr schwierig, damit Ökumene zu machen. Es gibt kleine Gruppen, mit denen es hin und wieder möglich ist, aber das ist nicht einfach.
Pope: Sie selbst sind Bischof in Caravelí. Das ist eine entlegene Prälatur in einem schwer erreichbaren Gebiet in Peru. Erzählen Sie uns bitte, wie Ihr tägliches Leben als Bischof in einer solchen Diözese aussieht.
Bischof Nann: Meine Prälatur liegt etwa zwischen Lima und Arequipa. Sie umfasst etwa 30.000 Quadratkilometer, ist also ungefähr so groß wie Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen. Aber es leben nur 150.000 Menschen dort - fünf Menschen pro Quadratkilometer. Wir sind eine der am wenigsten besiedelten Gegenden. Es ist überwiegend Anden-Gebiet, also tief eingeschnittene Täler. Unser höchster Berg hat 5500 Meter Höhe, ist ein Gletscher. Die Prälatur geht aber auch bis an den Strand hinunter. Es ist landschaftlich so ziemlich alles dabei. Ich bin im ersten Jahr, um einmal alles zu besuchen, 30.000 Kilometer in der Diözese mit dem Geländewagen gefahren. Es gibt zu etwa 50 Prozent der Pfarreien Straßen, die anderen Straßen sind nicht geteert.
Pope: Sie sind ein Bischof mit viel Schlamm an den Stiefeln…
Bischof Nann: Ja, das habe ich mal geschrieben! Schlamm ist jetzt weniger, nur in der Regenzeit. Das war damals im Urwald etwas mehr. Also, ich fahre viel herum. Caravelí ist Sitz der Diözese, hat aber nur 5000 Einwohner. Es ist ein Weinort, als ich da ankam, habe ich gedacht, das ist wie bei mir zuhause in Achkarren im Kaiserstuhl. Da gibt es nämlich auch Wein. Auch die Mentalität der Leute – ich glaube, in einer Weingegend fühlt man sich da gleich wie zuhause!
Pope: Was sind das für Menschen, die Ihnen da anvertraut sind?
Bischof Nann: Es sind überwiegend Kleinbauern. Früher waren das mal Kooperativen, noch früher waren es Großgrundbesitzer, die das ganze Land unter sich hatten. Die Großgrundbesitze wurden erst in den Siebziger Jahren aufgelöst. Jeder hat sich dann so ein bisschen Land genommen von dem, was vorher der Großgrundbesitzer hatte. Es wird überwiegend Mais, Kartoffeln, Getreide angebaut. Unser Problem: Wenn wir unsere Produkte nach Lima und in die großen Städte verkaufen, dann kostet der Transport mehr als die Produkte. Deswegen haben die Kleinbauern eigentlich kaum Zukunftschancen.
Pope: Mit welchen Folgen?
Bischof Nann: Wir haben überwiegend große innere Migration. Viele alte Menschen leben in unseren Dörfern. Das ist unser größtes soziales Problem, alte Menschen, Bauern, die sich nicht von ihrer Scholle trennen wollen, während ihre Kinder längst ausgewandert sind an die Küste, in die großen Städte. Es gibt wenige junge Leute in diesen Dörfern. Nach der Hauptschule geht es meistens, um eine Arbeit oder Ausbildung zu finden, in die Stadt.
Pope: Das heißt, Armut ist ein großes Problem.
Bischof Nann: Altersarmut, ja, überwiegend. Es gibt auch Kinder und Jugendliche mit Unterernährung, da kann man etwa von 50 Prozent sprechen, die unterernährt sind, was die Kinder betrifft.
Pope: Welche Wünsche haben die Menschen dort an die katholische Kirche?
Bischof Nann: Für viele der alten Leute, die dort bleiben auf den Dörfern, ist es auch wichtig, dass die Kirche dableibt und da ist. Die Leute sind sehr religiös. Speziell beim Dorfpatron, da wird ein riesengroßes Fest gefeiert, dafür kommen auch alle Kinder und Enkel aus den Städten wieder zurück. Da muss der Pfarrer auf jeden Fall da sein. Natürlich wird auch erwartet, dass man versucht, alte Menschen zu versorgen, die sonst niemanden mehr haben, wo die Jungen vielleicht auch im Elendsviertel sind in der Stadt. Allein in Caravelí selber mit seinen 5000 Einwohnern haben wir da 30 Leute, die täglich ein Essen von der Kirche bekommen.
Pope: Sie sind vor zwei Jahren von Papst Franziskus zum Bischof in Peru gemacht worden, waren aber schon lange vorher im Land, konnten schon lange Spanisch. Sie haben mir damals im Interview gesagt, sie haben jetzt vor, die Sprache der Menschen dort in Caravelí zu lernen. Ist das geglückt?
Bischof Nann: Noch nicht [lacht]. Ich verstehe jetzt einige Worte. Das ist Ketschua, die Sprache der Inkas. Ketschua dürfte noch etwa ein Drittel in Peru verstehen. In meiner Prälatur etwa 70 Prozent. Sie sprechen alle auch Spanisch, außer einigen älteren Damen, die man damals nicht in die Schule geschickt hat, weil sie nur Mädchen waren. Die Gesellschaft war früher ?machista“, also man kann nicht sagen frauenverachtend, aber auch nicht gerade Frauen fördernd. Heute ist das anders. Alle Mädchen gehen in die Schule und lernen damit auch Spanisch.
Pope: Ist Ketschua schwierig...?
Bischof Nann: Es ist ganz anders. Es ist nur eine, die wichtigste der nicht-spanischen Sprachen in Peru. Wir haben im Urwald etwa 50 verschiedene Sprachen, die nur von kleinen Gruppen gesprochen werden und wovon auch jedes Jahr fast eine Sprache ausstirbt, weil der letzte, der sie noch gesprochen hat, gestorben ist.
Sagt uns Reinhold Nann, Bischof in Peru. Im zweiten Teil unseres Gesprächs reden wir darüber, warum es in Peru beachtlich viele Bischöfe aus dem Ausland gibt und welche Hoffnung die Menschen auf die neuen, jungen Bischöfe im Land setzen. Und natürlich sprechen wir über die Amazonas-Synode – Bischof Nann hat als Priester Erfahrung im peruanischen Amazonasgebiet sammeln können.
(vatican news)
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