Heiliges Land: ?Müssen vorbereitet sein auf Missbrauchsf?lle"
Pizzaballa ist Apostolischer Administrator des Lateinischen Patriachats von Jerusalem sowie Präsident der Arabischen Bischofskonferenz CELRA. Er nimmt am Kinderschutzgipfel nächste Woche im Vatikan teil.
Pizzaballa: Ich denke, dass die Erwartungen zu hoch sind. Solch ein Treffen kann nicht mit einem konkreten Beschluss enden. Zudem sind die Probleme der Kirche sehr unterschiedlich. In den westlichen Ländern - in Europa - gibt es andere Gegebenheiten als im Nahen Osten oder in Afrika. Wir im Nahen Osten zum Beispiel haben dieses spezifische Problem des Kindesmissbrauchs nicht wirklich in unserer Kirche. Natürlich gibt es andere Probleme. Die Gesetze sehen bei uns für solche Fälle die Todesstrafe vor. Das Stammesrecht ist in vielen Fällen noch härter. Man muss also immer auch die unterschiedlichen Ausgangssituationen bedenken.
Domradio: Welches Ergebnis erwarten Sie für das Treffen?
Pizzaballa: Ich erwarte mir klare Ansagen und Ideen, wie es weitergehen soll - wie wir mit dem Thema als Kirche umgehen. Dann muss jede Bischofskonferenz in ihrer Region mit eigenen angemessenen Schritten darauf reagieren.
Domradio: Inwiefern ist das Thema Kindesmissbrauch überhaupt präsent im Nahen Osten?
Pizzaballa: Ich war als Franziskaner-Kustos zwölf Jahre für das Heilige Land verantwortlich, nun seit dreieinhalb Jahren als Bischof. Mir ist nie ein Fall des Kindesmissbrauchs begegnet in dieser Zeit. Wir haben Probleme mit der Sexualität, aber auf anderer Ebene. Wir müssen aber für solche Fälle bereit sein. Vielleicht haben wir nicht dieses spezielle Problem, aber wir haben zum Beispiel auch sehr viele Angestellte, betreiben viele Schulen. Auch da müssen wir Maßnahmen ergreifen, um solche Fälle in Zukunft zu verhindern. Das wir von den Fällen nichts gehört haben, bedeutet nicht, dass es sie bei uns nicht gibt. Ich bin mir sicher, dass es sie gibt. Und darauf müssen wir vorbereitet sein und angemessen reagieren.
Domradio: Lassen Sie uns auf die allgemeine Situation der Christen im Heiligen Land schauen. In welcher Lage befinden sie sich grundsätzlich?
Pizzaballa: Von den reinen Zahlen her sind wir eine Minderheit. Das trifft es aber nicht ganz. Im Nahen Osten wird Minderheit mit fehlenden Rechten assoziiert. Wir wollen aber gleiche Bürger mit gleichen Rechten sein. In der Realität sind wir ca. ein Prozent der Bevölkerung im Heiligen Land. Je nach Region sind unsere Probleme sehr unterschiedlich: In Israel stellt sich hauptsächlich die Frage nach unseren Rechten als christliche Gemeinschaft. In den Palästinensergebieten sind es mehr wirtschaftliche, soziale und politische Probleme. Mit den Behörden haben wir da kein Problem, aber im Alltag sieht das anders aus. Wir sind kein Teil der großen Gruppen, der Juden oder Muslime. Deshalb ist es für uns schwieriger, die gleichen Chancen und Möglichkeiten zu bekommen.
Domradio: Sind die Christen im Heiligen Land frei, ihren Glauben zu leben? Es gibt ja auch immer wieder Anschläge.
Pizzaballa: Wir sind frei, unseren Glauben zu leben. Das ist allerdings nicht das Gleiche wie Religionsfreiheit. Uns geht es im Heiligen Land anders als zum Beispiel den Christen in Ägypten. Von Syrien oder dem Irak brauche ich gar nicht zu sprechen. Die Zahlen der Christen gehen zurück, langsam, aber konstant.
Domradio: Was ist das größte Problem für Christen im Heiligen Land?
Pizzaballa: Wir sind als Christen keine unabhängige dritte Volksgruppe. Die arabischen Christen zum Beispiel sind Palästinenser. Diejenigen davon, die in Israel leben, haben ein Problem als gleichwertige Bürger angesehen zu werden, so wie alle anderen Palästinenser. In den Palästinensergebieten sind es dann wieder die wirtschaftlichen Probleme, aber das geht allen Palästinensern so.
Domradio: Welche Rolle spielen die Katholiken im Heiligen Land?
Pizzaballa: Eine wichtige. Natürlich ist unsere Geschichte als Katholiken im Heiligen Land schwierig - eine Geschichte der Konflikte mit den anderen Konfessionen, wie auch in Europa. Im Endeffekt sind das aber Konflikte um Macht, nicht um den Glauben. Die großen Spannungen heutzutage gibt es eher innerhalb der orthodoxen Kirche, nicht mit den Katholiken. Als Katholiken ist es unsere Aufgabe, gute Beziehungen zu allen Konfessionen im Heiligen Land zu pflegen. Wir versuchen, die Beziehungen untereinander zu verbessern. Dazu muss ich sagen, dass sich die Beziehungen in den letzten zehn Jahren, besonders seit dem Krieg in Syrien, dramatisch verbessert haben. In Syrien oder im Irak werden Christen umgebracht, nur weil sie ein Kreuz tragen. Im Vergleich dazu ist es lächerlich und auch nicht mehr zeitgemäß, sich zum Beispiel über Zeiten und Rechte in der Grabeskirche zu streiten.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch für unseren Partnersender in Köln, das Domradio.
(vatican news – gs)
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