Unser Buchtipp: Jüdisches Rom
Pope: Was ist das Besondere am Jüdischen Rom? Man kennt ja vor allem das christliche Rom.
Höfferer: Wenige wissen, dass die jüdische Gemeinde die älteste religiöse Gemeinde in Rom ist, die heute noch mit einer Kontinuität von über 2000 Jahren hier lebt und ihre Religion pflegt.
Pope: Welche Spuren sind davon da, und was ist davon nicht nur archäologisch, sondern an wirklichem jüdischen Leben noch in der Stadt?
Höfferer: Die wichtigste Spur ist natürlich dieses kleine Viertel am Tiber, das heute noch das Ghetto genannt wird. Dort befindet sich ja auch die Synagoge, die ein Wahrzeichen von Rom ist. Sie wurde ja mit einer viereckigen Kuppel erbaut, die eine architektonische Antwort auf die Kuppel von Sankt Peter ist und auch in Blickachse zu dieser steht. Das heißt, die jüdische Gemeinde hat sich im 19. Jahrhundert emanzipiert, und da dieses Ghetto renoviert. Dies ist heute auch noch der sichtbare, lebendige Lebensmittelpunkt der jüdischen Gemeinde in Rom, sehr belebt durch Feste, Feierlichkeiten, Hochzeiten, sehr viele Lokale. Wichtig ist da natürlich das Essen. Die jüdische Küche gilt ja als die Mutter der römischen Küche.
Pope: Man sagt überhaupt, die Juden seien die eigentlichen Ureinwohner von Rom, vor allem im Viertel Trastevere, direkt am Tiber. Stimmt das so?
Höfferer: Tatsächlich sind die ersten jüdischen Gesandtschaften schon im zweiten Jahrhundert vor Christus in Rom angekommen. Das waren teilweise politische Gesandtschaften, und teilweise waren das auch Händler, die hier in Rom eingewandert sind. Da es verboten war, innerhalb des engen Zentrumskerns sich niederzulassen, wenn man einer anderen, oft orientalischen, Religion angehörte, so haben auch die Juden sich auf der anderen Tiberseite niedergelassen, und zwar im heutigen Trastevere, das ist der eigentliche Kern der ersten jüdischen Siedlung in Rom, ja.
Pope: Ich gehe manchmal ins Ghetto, da gibt es einen köstlichen Kuchen mit Rosinen, Mandeln und so weiter, und immer wenn ich in der Warteschlange stehe, fallen meine Augen auf einen Artikel, da steht: Die wirkliche Pizza ist die jüdische Pizza im Ghetto von Rom. Stimmt das?
Höfferer: Genau, und sie ist nicht nur die wirkliche Pizza, sondern sie ist auch noch eine süße Pizza. Es handelt sich eigentlich um einen Kuchen, wo alles mögliche drinnen ist, Rosinen, Nüsse, Pinienkerne. Tatsächlich ist das eine uralte Tradition des Essens, das ja auch mit dem Feiern verbunden ist, in der jüdischen Kultur. Das ist auch den Römern sehr stark bewusst, dass sie hier ihre Wurzeln im Kulinarischen haben.
Pope: Ihre Recherche geht aber weit über das eigentliche Ghetto hinaus, eigentlich durch sämtliche Viertel, auch durch das moderne Rom.
Höfferer: Das war mir wichtig, dass man sich nicht nur auf das Ghetto beschränkt, das ja der bekannteste Teil des jüdischen Roms ist, sondern, dass man sieht, dass die Juden natürlich in alle Bezirke der Stadt gezogen sind, und dass es da die verschiedensten Monumente gibt, die an sie erinnern. Ich möchte eines herausgreifen, das ist eine riesige neue Brücke zwischen den Stadtvierteln Garbatella und Ostiense. Diese Brücke heißt Ponte Settimia Spizzichino und ist der einzigen weiblichen Überlebenden der Deportation aus dem Ghetto am 16. Oktober 1943 gewidmet. Das war eben Settimia Spizzichino.
Pope: Wenn man Rom unter diesem sehr speziellen Blickwinkel auf einmal betrachtet, dann ist das ja eine spannende Recherche. Was für Menschen und was für Überraschungen trifft man im Laufe so einer Recherche?
Höfferer: Das ist wirklich eine sehr spannende Recherche. Ich selbst als Österreicherin habe mich natürlich schon sehr viel mit der jüdischen Geschichte in Europa und vor allem in Österreich befasst, und in Rom habe ich mir immer gedacht, da müsste man mehr darüber wissen. Das ist aber nicht so leicht zugänglich. Dennoch haben sich mir alle Tore und Türen geöffnet, die jüdischen Einrichtungen waren extrem kooperativ und besonders schön war am Anfang der Recherche eine Begegnung im Kinderheim Il Pitigliani in Trastevere. Das ist eine wohltätige Stiftung des Ehepaars Pitigliani, die auch heute noch deren Namen trägt, und wo auch heute noch jüdische Kinder betreut werden. Anfang des 20. Jahrhunderts war das ein Waisenhaus. Zufällig, als ich während der Recherche dorthin ging, fand ich dort Stella Sestrieri vor. Sie ist eine Überlebende der Shoah, die nach Israel emigriert ist, und heute weit über 80jährig, jedes Jahr nach Rom reist, und hier Alberto Sed getroffen hat. Auch er ist gleich alt wie sie, und die beiden sind als Waisenkinder in diesem Kinderheim gemeinsam aufgewachsen und betrachten einander als Bruder und Schwester. Das war sehr berührend.
Das Gespräch führte Stefan von Kempis.
Die Buchangaben: ?Jüdisches Rom. city guide” von Christina Höfferer ist im Mandelbaum Verlag, Wien, erschienen.
(vatican news)
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