Jesus und der tote Gendarm
Stefan von Kempis und Olivier Bonnel – Vatikanstadt
Er ist auf allen Titelseiten; Präsident Emanuel Macron ehrt ihn, der Papst würdigt ihn. Arnaud Beltrame ist der Gendarm, der sich letzte Woche bei einem Attentat im südfranzösischen Städtchen Trèbes selbst als Geisel im Tausch für das Leben einer Frau anbot. Der islamistische Attentäter ging auf den Tausch ein; kurz darauf erschoss er Beltrame. Ein beeindruckendes Selbstopfer.
?Solche Aufopferung nötigt Respekt ab: Man steht vor der Frage, ob man selbst zu diesem Opfer imstande gewesen wäre.“ Das sagt der junge katholische Philosoph Martin Steffens im Interview mit Pope.
?Außerdem hat Aufopferung das Paradox an sich, dass einerseits keine Moral sie vorschreiben kann. Keine Moral kann sagen: Opfere dich!, denn das wäre Mord. Gleichzeitig ruht aber die ganze Moral auf der Vorstellung, dass ein Mensch fähig ist, auf sich selbst zu verzichten, damit etwas leben kann, das größer ist als er. Mit diesem Paradox rühren wir an die Wurzel aller Moral – an die Liebe zum Leben nämlich, die so groß sein kann, dass man sie um des Lebens eines anderen willen aufopfert.“
Was der Gendarm in Trèbes getan habe, annulliere in seiner Großzügigkeit und Uneigennützigkeit den Hass des Attentäters. Steffens hat keine Schwierigkeit damit, Arnaud Beltrame und Jesus Christus in einem Atemzug zu nennen.
?Das Opfer ist umgekehrt symmetrisch zum Mord: Auf der einen Seite nimmt jemand einem anderen das Leben, auf der anderen Seite gibt jemand sein Leben. Darum kann man diese Aufopferung fast eine Gewalt des Guten nennen, eine Gewalt der Liebe, die man der Dummheit des blindwütigen Bösen entgegensetzt. Das ist sozusagen die List des Guten: Die Aufopferung sorgt dafür, dass das Böse und die Gewalt nicht das letzte Wort haben. Im Leiden Jesu entfesselt sich die Gewalt gegen den Sohn Gottes, der ihr hilflos ausgesetzt scheint – und doch legt jeder Schlag, den er empfängt, Zeugnis ab von der Liebe Gottes zur Menschheit. Bei Beltrame haben wir dasselbe: die List des Guten. Er hat einen Ausgang der Sache erfunden, der nicht dem Bösen gehört – das ist der heroische und heilige Akt des Arnaud Beltrame.“
Sich selbst hinzugeben – das sei nicht unbedingt eine Vorstellung, die uns abhanden gekommen sei. Aber aus dem Blick sei sie uns doch geraten. Und man sollte sie wiederentdecken, findet der Philosoph.
?Die Welt kann nur bestehen dank der vielen kleinen, geheimen Opfer, die wir bringen. Eine Mutter muss während der Schwangerschaft auf einen guten Teil ihres gewohnten Komforts verzichten; wenn heutzutage also noch Kinder geboren werden, dann ist es dank der Opfer. Opfer sind die permanente, diskrete Basis, auf der die Welt ruht.“
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