Kardinal Fernández: Gegen Allmachtsanspruch von Gendertheorie
Claudia Kaminski - Köln
Kardinal Fernández nahm an der Veranstaltung per Videoschalte teil. Er hielt die Ansprache auf Deutsch und unterbrach seinen Vortrag mehrfach für kurze Gebetspausen in Stille.
In seinen Ausführungen ging der argentinische Kurienkardinal besonders auf das Vatikan-Dokument Dignitas infinita ein, das die unveräußerliche Würde des Menschen unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet. Unter anderem sprach der Präfekt des Glaubensdikasteriums über den Körper des Menschen, der schon in der Bibel als Materie beschrieben werde, aber auch dort schon mehr als nur Materie darstelle. Andererseits gebe es ohne den Leib streng genommen keine menschliche Person. Die Leiblichkeit sei unsere Art, die trinitarischen Beziehungen in dieser Welt widerzuspiegeln, erläuterte der Kardinal.
In diesem Zusammenhang erteilte Fernández der so genannten Gender-Ideologie, ebenso wie der Geschlechtsumwandlung, eine klare Absage:
?Die Geschlechtsumwandlung ist nicht nur eine äußerliche Veränderung oder vergleichbar mit einer normalen Schönheitsoperation oder einer Operation zur Heilung einer Krankheit. Es ist der Anspruch auf einen Identitätswechsel, auf den Wunsch eine andere Person zu sein.“
Gleichzeitig zeigte der Kirchenmann, auch Verständnis für ?Dysphorie“, die zu tiefem, unerträglichem Leid oder gar Selbstmord führen könne. Ausnahmesituationen müssten mit großer Sorgfalt bewertet werden, so der Kardinal, der den Gender-Ideologien einen schädlichen ?Allmachtsanspruch“ bescheinigte.
Zu Beginn seiner Ansprache bei der Tagung verwies der Kardinal auf den heiligen Johannes Paul II., der gerade in Deutschland ?bei einem Treffen mit behinderten Personen“ von der ?unendlichen“ Würde des Menschen gesprochen hatte. Die unendliche Liebe Gottes, so Fernández, verleihe nicht etwa Steinen oder Insekten einen unendlichen Wert, sondern der menschlichen Person, die zur Erkenntnis und zur Liebe fähig sei.
Würde: unabhängig von allen Umständen
Man könne also endlos suchen und dennoch nie etwas finden, das diese Würde einschränken, bedingen oder leugnen könnte. ?Unendlich“ bedeute ?absolut bedingungslos“: Die Formulierung ?unabhängig von allen Umständen“ ziehe sich durch das gesamte Dokument Dignitas infinita und sei der spezifische Beitrag von Papst Franziskus an dem Text.
Das Dokument ausführlich zitierend, sprach Fernández dann von der Würde der ?Person“ im Lehramt des amtierenden Papstes und erläuterte: ?Dieses vernunftbegabte Wesen subsistiert, auch wenn es nicht denken kann, auch wenn es nicht sprechen kann, auch wenn es unbewusst ist oder nicht kommunizieren und sich mitteilen kann. Es gibt eine ontologische Realität, die die Wurzel seiner unveräußerlichen Würde ist. Unabhängig von allen Umständen. Immer, immer!“
Praktische Konsequenz: Ablehnung von Todesstrafe, Abtreibung, Euthanasie
Dignitas infinita beziehe sich auf diese ontologische Würde, stellte Fernandez klar: ?All dies führt uns dazu, die Möglichkeit einer vierfachen Unterscheidung im Verständnis von Würde zu erkennen: die ontologische Würde, die sittliche Würde, die soziale Würde und schließlich die existenzielle Würde.“
In diesem Zusammenhang ging der Kardinal auch auf die praktischen Konsequenzen ein, unter denen der oberste Glaubenshüter die Haltung zur Todesstrafe nannte: ?Mit der Ablehnung der Todesstrafe wollte Papst Franziskus zeigen, wie weit unsere Überzeugung von der unveräußerlichen Würde der menschlichen Person geht. ?Die entschiedene Ablehnung der Todesstrafe zeigt, wie weit wir die unveräußerliche Würde jedes Menschen anerkennen und akzeptieren können, dass auch er seinen Platz in dieser Welt hat‘.“
Indem Dignitas infinita auch die Ablehnung von Abtreibung und Euthanasie umfasse, ermögliche das Dokument ein tieferes Verständnis der katholischen Sicht, präzisierte Fernandez.
Abschließend betonte der Kardinal: ?Am Ende dieses kurzen Gedankengangs können wir mit gesundem Stolz wiederholen, was der heilige Paul VI. sagte: Keine Anthropologie über die menschliche Person kommt derjenigen der Kirche gleich.“
Das Portal weit geöffnet
Mit seinen einführenden Worten habe der digital aus Rom zugeschaltete Gast das Portal für die Tagung weit geöffnet, so Christoph Ohly, Rektor der khkt: ?Er hat erklärt, was der Würdebegriff als solches beinhaltet, und das hat er auch an konkreten Beispielen sichtbar gemacht und verdeutlicht. Es ist für uns natürlich eine Ehre, dass der Präfekt des Dikasteriums selbst zu uns spricht und uns den Inhalt dieses Schreibens persönlich präsentiert.“
Ziel der Tagung und der Hochschule generell sei es, die katholische Theologie und Positionen, welche die Theologie heute hervorbringe, ins Gespräch mit anderen Wissenschaften oder Weltsichten zu bringen. ?Und hier haben wir natürlich mit dem Thema der Menschenwürde und der Menschenrechte ein Thema, das nicht nur den Christen angeht, sondern jeden Menschen.“ Es gehe darum zu fragen, was die Menschenwürde eigentlich sei, welchen Zusammenhang es zwischen Menschenwürde und Menschenrechten gebe und welche Erweiterungen derzeit diskutiert würden.
Generelles Verbot der Suizidassistenz
Eines dieser Themen war die Suizidbeihilfe. Der Sozialwissenschaftler Manfred Spieker sprach zum Thema Suizidbeihilfe, hatte aber auch generelle Anmerkungen zu ?Dignitas Infinita“. Die 13 Verstöße gegen die Menschenwürde im Dokument seien von ?unterschiedlichem Gewicht und nicht konsistent“. Neben Verstößen wie ?Armut, Krieg und Migration“, bei denen durchaus bezweifelt werden könne, ob es sich um Verstöße gegen die Menschenwürde handele, gebe es auch Verstöße, die der uralten Versuchung des Menschen entsprängen, ?sich selbst zu Gott zu machen.“
Spieker ging auf die ?Solidarität in diakonischen Einrichtungen ein“ und verdeutlichte, wie in der Schweiz, Belgien oder Kanada Sterbehilfeorganisationen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Einzug halten. Die katholische Kirche halte dagegen an einem generellen Verbot der Suizidassistenz fest und habe dies nicht zuletzt in ?Samaritanus Bonus" (2020) bekräftigt. Eine Legalisierung, so Spieker, zeige in allen Ländern einen deutlichen Anstieg der Suizidbeihilfefälle.
Ars moriendi – Sterben ist Teil des Lebens
Als Alternative plädierte der Sozialwissenschaftler für eine Wiederbelebung der ?Ars moriendi": ?Sterben ist Teil des Lebens.“ Für den Christen sei das Sterben das Ende des irdischen Pilgerstandes - ein Tor zum Leben. Die letzten Worte Johannes Pauls II. ?Ich bin froh, seid ihr es auch“ sieht Spieker als das große Vermächtnis des 2014 heiliggesprochenen Papstes für einen neuen Umgang mit dem Tod.
(vatican news)
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