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Der deutsche Jurist Frank Czerner untersucht in seiner Studie ?Der Vatikan als Signatar der UN-Kinderrechte-Konvention“, inwiefern der Heilige Stuhl die UN-Kinderrechte-Konvention bislang im gültigen Kirchenrecht abgebildet hat Der deutsche Jurist Frank Czerner untersucht in seiner Studie ?Der Vatikan als Signatar der UN-Kinderrechte-Konvention“, inwiefern der Heilige Stuhl die UN-Kinderrechte-Konvention bislang im gültigen Kirchenrecht abgebildet hat 

Kinderrechte und Kirchenrecht: Unser Interview

Mit der jüngsten Einrichtung eines katholischen Weltkindertages hat der Papst die Aufmerksamkeit für das Thema Kinderrechte weltweit gest?rkt. Doch auch innerhalb der Kirche stellt sich die Frage nach der Geltung und Bedeutung der Kinderrechte. Der deutsche Jurist Frank Czerner hat untersucht, inwiefern der Heilige Stuhl die UN-Kinderrechte-Konvention bislang im gültigen Kirchenrecht abgebildet hat. Radio Vatikan hat mit ihm gesprochen.

Anne Preckel - Vatikanstadt

Auf der Unterzeichnerliste der Kinderrechte-Konvention der Vereinten Nationen findet sich der Heilige Stuhl als einer der ersten Unterzeichner. Dazu Professor Frank Czerner im Interview mit Radio Vatikan:

?Das ist dort eine Eintragung, relativ frisch, kann man sagen, als die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet wurde im Jahr 1989, und der Heilige Stuhl sich dort im April 1990 eingetragen hat. Der Heilige Stuhl war der vierte Unterzeichner von insgesamt 196. Also ich denke, das ist ein sehr klares Statement, das der Heilige Stuhl dort auch gesetzt hat. Also nicht der Vatikan, sondern der Heilige Stuhl, aber mit Bindungswirkung auch für den Vatikan. Das heißt, der Papst vertritt hier eben den Heiligen Stuhl und auch den Vatikan. Und insofern gilt auch die UN-Kinderrechte-Konvention weltweit für die gesamte römisch-katholische Kirche und auch dann für den Vatikan.“

?Und insofern gilt auch die UN-Kinderrechte-Konvention weltweit für die gesamte römisch-katholische Kirche und auch dann für den Vatikan.“

Auf Umwegen ins Kirchenrecht 

In seiner Studie ?Der Vatikan als Signatar der UN-Kinderrechte-Konvention“, die Frucht eines Forschungssemesters in Rom ist und 2024 publiziert wurde, nimmt Czerner das Regelwerk der Vereinten Nationen und die Bestimmungen des Kanonischen Rechtes (CIC) systematisch in den Blick und macht Übereinstimmungen, aber auch Leerstellen sichtbar. Während seines Forschungssemesters fand er eines ?verwunderlich“, berichtet er:

?Entscheidend ist, dass bestimmte Konventionsrechte aus der UN-Kinderrechtskonvention sich auch im katholischen Kirchenrecht dann wiederfinden lassen“

?Nämlich dass die UN-Kinderrechtskonvention bei der Reform des römisch-katholischen Kirchenrechts keine Rolle gespielt hat. Es finden sich aber gleichwohl bestimmte Regelungen im katholischen Kirchenrecht, die den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention sehr stark ähneln. Wie kann das sein? Das liegt daran, dass einzelne Mitarbeiter aus dem Gremium für die päpstlichen Gesetzestexte, zum Beispiel Mitarbeiter aus Spanien, aus Italien, aus dem jeweiligen nationalen Recht, die da schon die Kinderrechtskonvention umgesetzt hatten, diese nun auch ins Kirchenrecht transformiert haben. Also nicht eins zu eins aus der UN-Konvention in das Kirchenrecht, was vielleicht nahe gelegen hätte, sondern eben im kleinen Umweg über die einzelnen Staaten. Vom Ergebnis her, würde ich sagen, ist es wunderbar: Entscheidend ist, dass bestimmte Konventionsrechte aus der UN-Kinderrechtskonvention sich auch im katholischen Kirchenrecht dann wiederfinden lassen.“

Wichtige Weichen 

Als ?wichtige Weichenstellung“ bezeichnet der deutsche Jurist mit Blick auf Kinderschutz und Missbrauch, dass im Kirchenrecht inzwischen ?verschiedene Formen des sexuellen Kindesmissbrauchs“ aufgenommen und ?sehr gut“ ausformuliert worden seien. Auch was die Reaktion auf Missbrauchsfälle betrifft, sei einiges passiert, so Czerner. Er verweist etwa auf Papst Franziskus‘ apostolisches Schreiben ?“ von 2019, das seit 2023 in einer aktualisierten Version vorliegt.

?Da geht es sehr, sehr detailliert um kirchenrechtliche Maßnahmen zum Umgang mit Fällen des sexuellen Missbrauchs in der Kirche. Ich halte gerade diesen Text für einen der wichtigsten Texte im Zusammenhang mit der Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs. Hier geht es um das Verfahren, die Durchführung der Untersuchung, die Meldung, den Umgang mit Missbrauchsvorwürfen. Und Papst Franziskus hat in diesem Text auch sehr, sehr deutlich gemacht, dass eben auch die Opferseite gesehen werden muss, dass das Opfer als solches wahrgenommen werden muss. Es war eine wichtige Vorgabe, dass eben nach ,Vos estis lux mundi' die Opfer Gehör finden und medizinische, therapeutische, psychologische und spirituelle Betreuung in der Untersuchung des betreffenden Falles erhalten sollen.“

Interessant bei diesem Schreiben sei auch gewesen, dass ?der subjektbezogene Anwendungsbereich, der Täterkreis, erweitert worden“ sei - ?dass eben auch zum Beispiel Laien, vorsitzende Laien der vom Apostolischen Stuhl anerkannten errichteten Gemeinschaften, mit einbezogen werden können, zu einem potenziellen Täterkreis auch mit hinzugenommen werden können, um sexuellen Missbrauch dann eben auch besser bekämpfen zu können – das ging über den Kreis der Priester als Amtsträger hinaus.“

Bereits einige Jahre zuvor hatte der Papst in seinem Motu proprio ?“ von 2016 die Absetzung von Bischöfen geregelt, die ihre Sorgfaltspflichten vernachlässigten oder die sogar vertuschten – eine weitere Lücke im Kirchenrecht war geschlossen, ergänzt Czerner:

?Hier ging es eigentlich um einen ganz bestimmten Maßstab, nämlich dass man die Sorgfaltspflichten viel, viel stärker in den Blick nehmen wollte. Da war nämlich eine Lücke auch im Kirchenrecht, dass Diözesanbischöfe und auch andere Amtspersonen in der Kirche, die jetzt die entsprechenden Sorgfaltspflichten haben vermissen lassen, dass diese Diözesanbischöfe dann eben auch mit einer Amtsenthebung rechnen mussten. Das heißt, der Text regelt die Absetzung von Bischöfen, auch von Ordensoberen, die den sexuellen Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche entweder vertuscht haben, verschwiegen haben oder die aus Sicht der Kirche dann eben auch nicht angemessen darauf reagiert haben.“

Opferperspektive?

Er selbst sehe als Jurist (und Nicht-Kirchenrechtler) schon ?mit einer gewissen Außenperspektive“ auf das Kirchenrecht, räumt der deutsche Rechtswissenschaftler ein. Aus dieser Warte wundere er sich über manche Formulierungen im Kirchenrecht, bei denen die Perspektive Missbrauchsbetroffener zu kurz komme.

?Also da scheint mir ein Perspektivwechsel notwendig zu sein: weniger vom Schutz der Institution ausgehen, sondern eher eben von der Opferperspektive.“

?Es gibt einzelne Bestimmungen im Kirchenrecht, die mich ein kleines bisschen stutzen lassen", erläutert Professor Czerner, zu dessen Schwerpunkten der Opferschutz und Kinderrechte zählen. ?Wenn ich etwa über eine Formulierung stolpere wie die, was die Aufgabe des kirchlichen Strafens sei: dass ein ,Ärgernis' beseitigt werden soll. Was ist damit gemeint? Ein ,Ärgernis' soll beseitigt werden, als Strafzweck. Dann, finde ich, darf mit dieser Formulierung eben nicht, wie wohl scheinbar bisher, das Ansehen der römisch-katholischen Kirche gemeint sein, sondern es müssen dann eben die Schäden, die unbeschreiblichen Folgen, Traumatisierungen aufgrund des sexuellen Missbrauchs auf der Opferseite gesehen werden – diese Schäden auf der Opferseite gilt es künftig abzuwenden. Damit wäre zwangsläufig dann auch der gute Ruf der katholischen Kirche wieder ein Stück weit hergestellt. Also da scheint mir ein Perspektivwechsel notwendig zu sein: weniger vom Schutz der Institution ausgehen, sondern eher eben von der Opferperspektive.“ 

Einige Reformen in diese Richtung habe es schon gegeben, ergänzt Czerner weiter. Im Dezember 2021 trat mit der das überarbeitete, verschärfte kirchliche Strafrecht in Kraft, bei dem das Strafrecht als Hilfsmittel kirchlicher Leitung akzentuiert wurde. Das Delikt des Kindesmissbrauchs wird darin weiterhin als Verstoß gegen das sechste Gebot gefasst, allerdings neuerdings unter dem Titel ?Straftaten gegen Freiheit, Würde und Leben des Menschen“.

Czerner findet diese Reform ?gelungen“. Die kirchliche Einordnung von Missbrauch im Rahmen des sechsten Gebotes habe ja mehrfach zu Diskussionen geführt - auch in Rom habe er das mitbekommen, berichtet er über die Zeit seines Forschungssemesters. Allerdings sei für ihn die technische Frage, wo man den sexuellen Missbrauch letztlich einordne, letztlich sekundär. Der Jurist erläutert, warum:

?Diese technische Frage ist für mich eigentlich weniger von Bedeutung, sondern ich finde es ganz entscheidend, mit welcher Haltung ich letztlich auf die Opfer schaue.“

?Diese technische Frage ist für mich eigentlich weniger von Bedeutung, also welches Gebot genau? Sondern ich finde es ganz entscheidend, mit welcher Haltung ich letztlich dann eben auf die Opfer schaue. Das heißt also, man sollte schon einen ganzheitlichen und vielleicht auch umfassenden Blick haben. Und ich meine, dass das ganz gut gelungen ist in der Reform des Kirchenrechts.“

Entscheidend: rechtliche Handhabbarkeit 

Die Umformulierung im entsprechenden Paragraphen - Kindesmissbrauch unter dem Titel ?Straftaten gegen Freiheit, Würde und Leben des Menschen“ - sei letztlich eine ?Kompromissformulierung“, so der Rechtswissenschaftler. Sie bedeute Folgendes: ?Der sexuelle Missbrauch wird, wenn man es kontextualisiert, nicht nur in Bezug auf das sechste Gebot gesehen, sondern eben auch im Kontext der Würde des Lebens und auch der Freiheit des Menschen. Also ich meine, dass zumindest die Diskussion, wenn man sich diese systematische Einordnung dieser kirchenrechtlichen Regelung anschaut, dass die Diskussion da vielleicht ein bisschen auch an Schärfe verlieren könnte."

Der deutsche Salesianerpater Markus Graulich, Kirchenrechtler und Untersekretär im Päpstlichen Rat für Gesetzestexte, erläuterte zur kirchlichen Reform des Strafgesetzbuches 2021 im Interview mit Radio Vatikan, warum der Vatikan die alte Einordnung des Kindesmissbrauchs als ?Straftat gegen das sechste Gebot‘ überhaupt beibehalten hat: ?Diese Entscheidung ist deshalb gefallen, weil das sechste Gebot moraltheologisch so gefüllt und auch vom Katechismus so gut definiert ist, dass man damit rechtlich arbeiten kann. Wenn wir eine andere Formulierung gewählt hätten, hätte sie immer den Straftatbestand eingeschränkt", so Pater Graulich - das habe man also zugunsten der rechtlichen Handhabbarkeit nicht gewollt.

Kirchenrecht ist nicht alles

Mit einer Verschärfung des Kirchenrechtes im Bereich des Kinderschutzes ist noch lange nicht alles getan, sind sich Experten einig: das kirchliche Strafrecht muss auch jeweils umgesetzt und angewendet werden, auch braucht es eine Kultur des Hinsehens und Schutzes, um Kinder und verletzliche Erwachsene vor Missbrauch zu bewahren. 

 

Hier der Beitrag im Audio:

UN-Kinderrechte-Konvention, Kirchenrecht und Opferperspektive - ein Beitrag mit Prof. Frank Czerner (Anne Preckel, Radio Vatikan)

Hier das Interview in voller Länge, u.a. zu weiteren Themen wie: Vatikan als Völkerrechtssubjekt, Kirchenrecht vs. weltliches Recht, reformiertes Grundgesetz des Staates Vatikanstadt, Prävention und Forschung im Bereich Kinderschutz.

UN-Kinderrechte-Konvention und Kirchenrecht, ein Interview mit Prof. Frank Czerner (Anne Preckel, Radio Vatikan)
Prof. Frank Czerner
Prof. Frank Czerner

Die Studie von Professor Frank Czerner erschien unter dem Titel: Der Vatikan als Signatar der UN-Kinderrechte-Konvention, Duncker & Humblot Verlag, 2024.

Der Jurist ist Inhaber der Professur für Recht in der Sozialen Arbeit und für Recht in der Digitalen Forensik an der mittelsächsischen Hochschule Mittweida. Seine Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind: Sanktionenrecht, Strafvollzug, Opferschutz, Medizinrecht, Rechtsvergleichung im staatlichen und im kanonischen Recht; Kinderrechte (UN-Kinderrechtskonvention) und deren ,Abbildung' im bundesdeutschen Recht und im römisch-katholischen Kirchenrecht.

(vatican news - pr)

 

 

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21. Januar 2025, 09:53