Fernández: ?Uns rettet eine Person, nicht eine Lehre“
ANDREA TORNIELLI
Theologie wächst und vertieft sich ?im Dialog zwischen Theologen und im Gespräch mit Wissenschaft und Gesellschaft“ – aber dabei muss sie immer im Dienst der Evangelisierung stehen. Davon ist der Erzbischof von La Plata, Víctor Manuel Fernández, überzeugt. Und er glaubt, dass dies die Aufgabe ist, die Franziskus ihm mit seiner Berufung an die Spitze des vatikanischen Glaubensdikasteriums anvertraut hat.
Fernández ist ein enger Mitarbeiter des jetzigen Papstes, seit dieser Erzbischof von Buenos Aires war. Im Interview mit den vatikanischen Medien erklärt der neue Präfekt, der sein Amt im September antreten wird, was es heute bedeutet, das Evangelium zu verkünden und den Glauben zu bewahren.
Interview
Exzellenz, warum hat der Papst Ihre Ernennung mit einem Brief begleitet, was bedeutet das?
?Das hat sicher große Bedeutung, dass der Papst mir zusammen mit dem Ernennungsdekret auch einen Brief schreibt, der den Sinn meiner Sendung klären soll. Der Brief bietet mehrere starke Punkte, die zum Nachdenken einladen; ich lese ihn vor allem im Licht der Apostolischen Konstitution ?Praedicate Evangelium‘ (also der neuen Kurienordnung). Franziskus ruft zu einer Theologie auf, die reift, die wächst, die sich im Dialog zwischen Theologen und im Gespräch mit Wissenschaft und Gesellschaft vertieft. Aber all dies im Dienst der Evangelisierung! Das hat er bereits deutlich gemacht, als er (in seiner Kurienreform) das Glaubensdikasterium erst nach dem Dikasterium für die Evangelisierung aufgeführt hat. Der Brief von Franziskus macht das jetzt noch deutlicher – und die Tatsache, dass er einen Theologen zum Präfekten ernennt, der auch einmal Pfarrer an der Peripherie war, bekräftigt das auf andere Weise.“
Was bedeutet es heute, den Glauben zu bewahren?
?Franziskus weist darauf hin, dass der Ausdruck ?bewahren‘ sehr wichtig ist. Er schließt Wachsamkeit nicht aus, aber er drückt aus, dass die Glaubenslehre vor allem dadurch bewahrt wird, dass man in ihrem Verständnis wächst. Selbst eine Situation, in der man sich mit einer möglichen Häresie auseinandersetzen muss, sollte zu einer neuen theologischen Entwicklung führen, die unser Verständnis der Lehre reifen lässt – und das ist der beste Weg, den Glauben zu bewahren. Ein Beispiel: Wenn sich der Jansenismus so lange halten konnte, dann deshalb, weil es nur eine Verurteilung gab, aber keine Antwort auf bestimmte legitime Absichten, die sich hinter den Irrtümern verbergen könnten, und keine angemessene theologische Entwicklung im Laufe der Zeit.“
Wie kann man das Evangelium verkünden, wie kann man den Glauben in den zunehmend säkularisierten Kontexten unserer Gesellschaften weitergeben?
?Indem man immer versucht, seine ganze Schönheit und Anziehungskraft besser zu zeigen, ohne ihn zu entstellen, indem man ihn mit weltlichen Kriterien vermengt… Ohne den Dialog mit der Kultur laufen wir Gefahr, dass unsere Botschaft, so schön sie auch sein mag, irrelevant wird. Deshalb bin ich dankbar für meine Zeit als Mitglied des Päpstlichen Kulturrates, wo ich an der Seite von Kardinal Ravasi viel gelernt habe.“
Benedikt XVI. schrieb in der Einführung seiner Enzyklika ?Deus caritas est‘ von 2005: ?Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt“. Welche Bedeutung und Relevanz haben diese Worte heute?
?Es ist richtig, sich heute an diese Worte zu erinnern. Keine religiöse Lehre hat jemals die Welt verändert, wenn es nicht ein Glaubensereignis gab, eine Begegnung, die dem Leben eine neue Richtung zu geben vermochte! Und das gilt nicht nur für das Christentum, sondern lässt sich in der Geschichte der Religionen allgemein beobachten. Zum Beispiel in der Krise des Hinduismus und seiner anschließenden Erneuerung mit Hymnen an Krishna... Ohne die Erfahrung des lebendigen Christus, der liebt und rettet, können wir unser Christsein nicht leben, und alles Argumentieren und Streiten trägt nichts dazu bei, dass diese Entwicklung in den Menschen heranreift. Diese Aussage von Benedikt XVI. lädt uns ein, eine solide und fundierte Theologie zu entwickeln, die klar auf den Dienst an diesem Ereignis ausgerichtet ist.“
Deutschsprachige Denker prägten Fernández
Dem US-Magazin ?Crux" sagte Fernández, ihn hätten unter anderen deutschsprachige Denker geprägt. Während seines Schriften- und Hermeneutik-Studiums in Rom habe er sich mit dem Heidelberger Philosophen Hans-Georg Gadamer (1900-2002) beschäftigt. Der Vordenker der hermeneutischen Philosophie habe ihn ?stark beeinflusst". In der Theologie habe er sich vorrangig auf den deutschen Theologen Karl Rahner (1904-1984) und den Schweizer Hans Urs von Balthasar (1905-1988) konzentriert. ?Beide haben mir viel gegeben", sagte Fernández.
Der 60-jährige Theologe und bisherige Erzbischof von La Plata in Argentinien war zuvor Rektor der Katholischen Universität von Argentinien gewesen und tritt Mitte September sein neues Amt als Leiter des sogenannten Dikasteriums für die Glaubenslehre in Rom an. Die Vatikanbehörde entscheidet über Lehrfragen der katholischen Kirche und ist eine der wichtigsten der römischen Kurie. Sie stand lange im Ruf, besonders streng mit fortschrittlichen Theologen umzugehen. Auch ist sie mitzuständig für sogenannte Nihil-Obstat-Verfahren, also die Erteilung von Lehrbefugnissen in der akademischen Theologie.
Die Behörde habe ?zu anderen Zeiten unmoralische Methoden angewandt", schrieb Papst Franziskus in einem Brief zur Ernennung von Fernández. Damals sei ?nicht die theologische Erkenntnis gefördert, sondern mögliche Irrtümer in der Lehre verfolgt worden." Von Fernández als Präfekt erwarte er sich hingegen, seinen Einsatz ?dem Hauptziel des Dikasteriums zu widmen, nämlich der 'Bewahrung des Glaubens'", so Franziskus.
(vatican news / kna)
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