Heiliger Stuhl: Vereinbarung zur Stärkung des Kinderschutzes
VATICAN NEWS
Gemeinsam die Ortskirchen dabei zu unterstützen, Maßnahmen zur Prävention von Missbrauch Schutzbedürftiger umzusetzen: Das ist das Zeil eines Kooperationsabkommens, das an diesem Freitag, 21. April, zwischen der Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen und der Abteilung für Erstevangelisierung und neue Ortskirchen des Dikasteriums für Evangelisierung unterzeichnet worden ist.
Für das Evangelisierungsdikasterium setzte dessen Pro-Präfekt Kardinal Luis Antonio Tagle seine Unterschrift unter das Dokument; seitens der Kinderschutzkommission deren Präsident Kardinal Seán Patrick O'Malley. Die Vereinbarung ist von der Apostolischen Konstitution inspiriert und „stellt eine Verpflichtung zur proaktiven und einschneidenden Zusammenarbeit dar“, heißt es in einer Informationsnotiz der beiden vatikanischen Organe. Diese solle „im Dienst aller Opfer und der Ortskirchen gemäß dem Aufruf des Heiligen Vaters" stattfinden, „damit die Römische Kurie im Leben jeder Kirche, insbesondere in den Missionsgebieten, präsent ist.“ Die Zusammenarbeit, die darin bestehen werde, dass die beiden Organe der Römischen Kurie „Informationen, Mittel und Ausbildung austauschen werden, zielen auf den Dienst an den Opfern, an den Ortskirchen und schließlich an den Bischöfen“, heißt es dort.
Wirksamste Wege suchen
Dabei gehe es darum, auf der Grundlage der Erfahrungen der Betroffenen in den jeweiligen Verfahren die wirksamste Art der Einbeziehung zu entwickeln. Diese Initiativen, so heißt es in dem Vermerk, „finden ihren Ausgangspunkt in der Entwicklung des Netzes der Memorare-Zentren, die die Ortskirchen - sofern darum gebeten werde - bei der Einrichtung von Ämtern oder Einrichtungen für die Entgegennahme und Erleichterung von Beschwerden unterstützen sollen. Die Kommission wird das Fachwissen ihrer Mitglieder und ihres Personals zur Verfügung stellen, um Informationen über die neuesten Praktiken im Bereich des Schutzes weiterzugeben.
Um die Aufgabe des Schutzes in den Ortskirchen zu fördern, wird, wie vom Papst gefordert, auch die Erleichterung von Treffen der Bischofskonferenzen mit der Kommission während der Ad-Limina-Besuche fortgesetzt. Um die Bischöfe in ihrer Rolle als Schutzbeauftragte zu unterstützen, wo dazugehört, den Überlebenden zuhören, ein sicheres Umfeld zu schaffen und Beschwerden zu bearbeiten, wird die Kommission, so heißt es in der Mitteilung, „ihr internationales Expertennetzwerk und die fortschrittlichsten internationalen Standards zur Verfügung stellen, die sie in den vielen Jahren ihrer Arbeit gesammelt hat“. Die Kommission wird mit dem Dikasterium bei Schulungen für die neu ernannten Bischöfe der kirchlichen Bezirke, für die es zuständig ist, und mit dem Päpstlichen Werk für die Heilige Kindheit (Kindermissionswerke) zusammenarbeiten.
Die Vereinbarung gilt für drei Jahre. Über die Entwicklung der gegenseitigen Zusammenarbeit der beiden Gremien wird jährlich im Bericht über den Schutz in der Kirche berichtet. Die Kommission führt derzeit Gespräche mit anderen Dikasterien der römischen Kurie, deren Zuständigkeit sich auf Safeguarding-Arbeit in der gesamten Kirche erstreckt.
Chris Wells von der englischsprachigen Sektion von Pope befragte die Kardinäle O'Malley und Tagle zu dieser Vereinbarung.
VN: Kardinal O'Malley, können Sie uns etwas über diese Vereinbarung erzählen?
O´Malley: Das Dikasterium für Evangelisierung ist wirklich sehr wichtig; ein großer Teil seiner Verantwortung besteht in der Zusammenarbeit mit Kirchen und Missionsländern, aber auch mit Schwellenländern und neuen Kirchen. Sehr oft kommt es vor, dass dort, wo es viel Aktivität und Entwicklung in einigen Teilen der Kirche gibt, leider manchmal die Ressourcen begrenzt sind. Ich selbst habe als Missionsbischof angefangen und es gelang mir, eine Diözese mit ein paar tausend US-Dollar pro Jahr zu leiten, ich weiß also, wovon wir sprechen. Ich hoffe natürlich, mit den Diözesen, bei denen das Dikasterium involviert ist, zusammenarbeiten zu können, um ihnen bei der Entwicklung von Programmen zu helfen, aber auch, um die Opfer willkommen zu heißen und sie seelsorgerisch zu betreuen. Darüber hinaus gilt es auch sicherzustellen, dass die Richtlinien, die sie aufstellen, nicht nur gesetzesmäßige Vorschriften sind, sondern auch ein starkes seelsorgerisches Engagement für diejenigen beinhalten, die verletzt wurden, dass sie ein Schutz- und Präventionselement darstellen. Denn das ist sehr wichtig, um sicherzustellen, dass unsere Schulen und unsere Gemeinden sichere Orte für Kinder und Jugendliche sind.
Wir werden auch mit den Bischofskonferenzen zusammenarbeiten, wenn sie zu ihren Ad-limina-Besuchen nach Rom kommen, und wir wollen sicherstellen, dass ein Teil ihres Fünfjahresberichts sich auf den Schutz konzentriert und die Herausforderungen und Erfolge aufzeigt: Das ist eine Gelegenheit für sie, zu uns zu kommen und gemeinsam darüber zu sprechen.
VN: Kardinal Tagle, wie wirkt sich dieses Abkommen konkret auf Ihre Arbeit in Ihrem Dikasterium aus?
Tagle: Das ist eine positive Entwicklung: Erstens sind die Ämter der Römischen Kurie auch im Sinn von Praedicate evangelium von Papst Franziskus, stets im Geiste der Synodalität, dazu aufgerufen, interdikasteriell zusammenzuarbeiten, damit wir voneinander lernen, uns informieren und so gegenseitig helfen können. Diese Vereinbarung ist also eine großartige Übung in interdikasterieller Arbeit.
Der andere Aspekt ist, dass wir der Kommission die vielen so genannten kirchlichen Bereiche öffnen können, mit denen sich das Dikasterium im Rahmen seiner Zuständigkeiten befasst, was die Diözesen und apostolischen Vikariate insbesondere im Bereich der Ausbildung betrifft. Das ist es, was ich sehe: die Ausbildung von Bischöfen, Priestern, Seminaristen und Ordensleuten in diesem Bereich.
Gleichzeitig wird die Kommission das Dikasterium und die Bischofskonferenzen dabei unterstützen können, die Auswirkungen von Missbrauch und Gewalt auf das Leben der Menschen und Gemeinschaften besser zu verstehen. In den meisten Gebieten, für die wir zuständig sind, stellt die Kirche eine kleine Minderheit dar: Wir hoffen, dass die Ortskirchen mit dieser Initiative zu einem Sauerteig in der Gesellschaft im umfassendsten Sinne werden können; natürlich mit Gottes Hilfe, denn manchmal ist die Stimme der Kirche eher ein Flüstern, wenn auch ein sehr notwendiges. Hier sehe ich es als einen Beitrag der Kirche zur Gesellschaft.
VN: Kardinal O'Malley, wie hat sich die Arbeit der Kommission seit der Reform vor sechs Monaten verändert? Können Sie über einige der Projekte sprechen, die Sie begonnen haben?
O´Malley: Ursprünglich wurde die Kommission eingerichtet, um den Heiligen Vater zu beraten. Sie bestand im Wesentlichen aus einer Gruppe von Freiwilligen aus der ganzen Welt, die sich für die Sensibilisierung der Öffentlichkeit einsetzten und darum, Opfergruppen zu erreichen; wir versuchten, uns an Bildungsprojekten zu beteiligen. Aber sowohl mit der Veröffentlichung von Praedicate evangelium als auch mit unserem Treffen mit dem Heiligen Vater bat er uns darum, uns auf die Ausarbeitung von Leitlinien zu konzentrieren, die den Kirchen in aller Welt helfen könnten, wirksame Schutzstrukturen zu schaffen. So waren wir, mit Hilfe von Spendengeldern, in der Lage, Mitarbeiter einzustellen und so eine Art regionale Struktur aufzubauen, durch die wir hoffen, einen größeren Einfluss vor Ort zu haben und mehr und mehr mit den verschiedenen Bischofskonferenzen zusammenarbeiten zu können. Wir freuen uns angesichts dieser Möglichkeiten, die sich uns bieten.
VN: Kardinal O'Malley, in letzter Zeit gab es einige Kritik an der Arbeit der Kommission, wie reagieren Sie auf diese Kritik?
O´Malley: Zunächst einmal muss ich sagen, dass wir in der Kommission an Kritik gewöhnt sind. Als sie gegründet wurde, gab es alle möglichen unrealistischen Erwartungen, was diese Gruppe von Freiwilligen in der Lage sein würde zu tun, um alle Probleme zu lösen, die in der Kirche und der Welt mit sexuellem Missbrauch zusammenhängen. Wir haben viel aus dieser Kritik gelernt, und ich glaube, dass die Initiative des Heiligen Vaters, uns in die Römische Kurie einzubeziehen, mit dieser engen Beziehung zum Dikasterium für die Glaubenslehre, uns die Möglichkeit gibt, der Kurie zu dienen und eine Safeguarding-Kultur innerhalb der Kurie aufzubauen. Viele Menschen haben sich über diese Entscheidung aufgeregt, und viele von uns waren davon überrascht. Aber je mehr ich diese Arbeit ausübe, desto mehr wird mir klar, dass dies eine Chance für die Kommission ist, etwas zu bewirken und dazu beizutragen, die Kommunikation innerhalb der gesamten Kurie zu Safeguarding-Aspekten zu verbessern. Und nun hat Pater Zollner, der bei den Kommissionsmitgliedern sehr beliebt ist, im vergangenen Jahr aus irgendeinem Grund nicht viel am Leben der Kommission teilgenommen, so dass uns seine Bedenken oder das Ausmaß seiner Bedenken nicht bekannt waren. Ich bedaure, dass er sich nicht dazu entschieden hat, an unserer in Kürze stattfindenden Plenarsitzung teilzunehmen, um uns allen seine Bedenken mitzuteilen, anstatt zurückzutreten und eine Pressekonferenz einzuberufen - was meiner Meinung nach nicht wirklich von Vorteil war ... Wir werden versuchen, all dies bei unserem nächsten Treffen mit den Kommissionsmitgliedern anzusprechen.
VN: Kardinal Tagle, gibt es etwas, das Sie an der neuen Vereinbarung besonders hervorheben möchten?
Tagle: Vielleicht nur, einen Teil des Abkommens hervorzuheben. Wir sprechen hier über das Päpstliche Werk der Heiligen Kindheit (Kindermissionswerk): Es ist eines der vier päpstlichen Werke und existiert nicht nur als Missionsgesellschaft in den Gebieten, für die das Dikasterium zuständig ist, sondern es ist jetzt eine universelle Realität. Wir sind also sehr froh, dass durch dieses Abkommen und dieses sehr wichtige Werk, das sich mit der Ausbildung von Jugendlichen und jungen Menschen in den Missionen befasst, jene mit Hilfe der Kommission ihre Grundausbildung erhalten können. Und ich hoffe auch... nicht nur die Kommission, sondern auch die Diözesen scheinen sich in den letzten Jahren bei ihrem Engagement für den Aufbau einer Kirche, die junge Menschen schützt, auf die Ordinierten konzentriert zu haben - und das ist gut so. Und wir hoffen, dass wir dadurch diesen breiteren Ansatz erreichen - der auch eine kulturelle Bildung, die Kultur des Schutzes in der Kirche darstellt. Und wir können unsere Sorge um den Klerus nicht beiseite lassen, sie aber auch weiter fassen - zum Beispiel auf das Dikasterium für die Laien, die Familie und das Leben. Wir wissen nämlich, dass insbesondere durch die Nutzung der sozialen Medien ein Großteil des Missbrauchs zu Hause stattfindet und von den Eltern begangen wird, und dass der Grund dafür manchmal Armut ist - und hier greift das Dikasterium für den Dienst an der menschlichen Entwicklung ein. Wie könnten die Diözesen dies zum Beispiel in die Familienpastoral, in die Ehevorbereitung von Paaren oder in die Vorbereitung von Jugendlichen auf die Firmung einbeziehen? Hier sehe ich die Ausweitung dieser Kultur.
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