Caritas Internationalis: Seit 70 Jahren an der Seite der Schw?chsten
Alessandro Gisotti - Vatikanstadt
Die Frage der Deckung der Grundbedürfnisse, die sich am Ende des Zweiten Weltkriegs stellte, und die Unterstützung der Kriegsopfer waren die Hauptziele, mit denen Papst Pius XII. am 12. Dezember 1951 Caritas Internationalis gründete. Ein Verbund nationaler Caritas-Organisationen, der von ursprünglich 13 auf heute 162 angewachsen ist und im Laufe dieser 70 Jahre seine Einsatzbereiche vervielfacht hat. Im Mittelpunkt steht heute wie damals das konkrete Zeugnis der Nächstenliebe, damit die Menschen - insbesondere die Schwächsten - die barmherzige Liebe Gottes erfahren können.
An diesem Dienstag gab Caritas Internationalis das Programm der Veranstaltungen und Initiativen bekannt, die anlässlich des 70. Jahrestages stattfinden. Bei dieser Gelegenheit sprachen wir mit Generalsekretär Aloysius John über die Herausforderungen, denen sich Caritas in Zukunft stellen muss, angefangen bei der globalen humanitären Krise, die durch die Pandemie ausgelöst wurde.
Pope: Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Caritas Internationalis gegründet. Welches sind die Werte, die Ihren Verbund heute, siebzig Jahre später, genauso tragen wie damals?
Aloysius John (Generalsekretär Caritas Internationalis): Caritas Internationalis wurde als ?fürsorgliche und liebende Hand“ der Kirche ins Leben gerufen, um den Menschen und insbesondere den Armen, den Ausgegrenzten und den Schwächsten in der Gesellschaft zu dienen und sie zu fördern. In diesen 70 Jahren hat sich unser Verbund von Grundwerten wie dem Schutz der Menschenwürde, der Grundrechte und der sozialen Gerechtigkeit leiten lassen. Diese Werte bilden seit jeher die Grundlage unserer Arbeit, die sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt hat, wobei wir den Zeichen der Zeit gefolgt sind und eine ständige Weiterentwicklung anstreben, um unseren bedürftigen Mitmenschen immer besser dienen zu können. Das Herzstück unserer Mission ist und bleibt die Begegnung mit den Armen, wie uns Papst Franziskus 2019 auf unserer letzten Generalversammlung in Erinnerung gerufen hat. ?Man kann die Nächstenliebe nicht leben, ohne zwischenmenschliche Beziehungen zu den Armen zu haben“, sagte er uns, ?denn indem wir mit den Armen leben, lernen wir, Nächstenliebe mit dem Geist der Armut zu praktizieren, wir lernen, dass Nächstenliebe Teilen bedeutet.“
Pope: In diesen 70 Jahren war Caritas Internationalis in allen großen humanitären Notlagen präsent. Welches ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung, der Sie sich heute in einer von raschen und tiefgreifenden Veränderungen geprägten Welt stellen müssen?
Aloysius John: Die humanitäre Arbeit hat sich seit 1951 stark verändert. Heute sind wir mit komplexen und lang anhaltenden Krisen konfrontiert, sowohl mit natürlichen als auch mit solchen, die vom Menschen verursacht wurden. Politische Spaltungen, Kriege und religiöse Konflikte vermischen sich mit den Auswirkungen des Klimawandels, was zu einer dramatischen Zunahme von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen führt. Wir sind auch mit gravierenden Ungleichheiten und dem Auftreten neuer Formen von Armut und Verletzlichkeit konfrontiert. Während wir weiterhin denjenigen dienen, die von solchem Leid betroffen sind, stehen wir vor der Herausforderung, in unserer modernen Gesellschaft ein Gefühl der Solidarität mit diesen Menschen zu fördern. Andererseits besteht die dringendste Herausforderung angesichts des unermesslichen menschlichen Leids darin, die für die Erfüllung unseres Auftrags erforderlichen Ressourcen zu mobilisieren.
Pope: COVID-19 hat auch die karitativen und humanitären Aktivitäten an ihre Grenzen stoßen lassen. Wie hat Caritas Internationalis die Krise bewältigt, und wie bereitet sie sich auf die Zeit nach der Pandemie vor?
Aloysius John: Unser Verbund war mit einer beispiellosen Krise konfrontiert, in der fast alle Caritasorganisationen weltweit mit der Bekämpfung der Pandemie beschäftigt waren. Ein konkretes Zeichen der Unterstützung und Hoffnung kam vom Heiligen Vater, der Caritas Internationalis in die vatikanische Kommission COVID-19 aufnehmen wollte. Auf Geheiß des Papstes und in Zusammenarbeit mit dem Dikasterium für die Förderung der ganzheitlichen menschlichen Entwicklung haben wir einen Fonds zur Unterstützung von 40 Caritas-Projekten eingerichtet. Diese Geste der Solidarität hat andere lokale Akteure motiviert, sich Caritas anzuschließen und Unterstützung anzubieten. In Bangladesch zum Beispiel unterstützten muslimische Restaurantbesitzer die örtliche Caritas-Organisation mit Lebensmittelspenden für Flüchtlinge. Die unmittelbare Reaktion auf die Notlage wurde auch von Überlegungen über die Zukunft begleitet. Angeregt durch die Aufforderung von Papst Franziskus, ?über die neue Zukunft“ der Post-Pandemie nachzudenken, haben wir einen Think Tank eingerichtet und überlegen, wie die Arbeit der Caritas von der neuen Realität beeinflusst werden wird.
Pope: Die Kirche engagiert sich weltweit in dem von Papst Franziskus gewünschten und initiierten synodalen Prozess. Welchen Beitrag kann eine weltweite kirchliche Realität wie Caritas Internationalis zur Synodalität leisten?
Aloysius John: Papst Franziskus hat betont, dass an erster Stelle des synodalen Prozesses, der die ganze Kirche einbezieht, das Zuhören steht. Die Fähigkeit, sich eine neue Zukunft für die Kirche vorzustellen, hängt daher zu einem großen Teil davon ab, dass ein Prozess des Zuhörens, des Dialogs und der gemeinschaftlichen Unterscheidung eingeleitet wird. Caritas Internationalis kann daher dazu beitragen, ihren Beitrag zur Reflexion innerhalb der christlichen Gemeinschaften an der Basis und in den Pfarreien zu leisten, vor allem durch die Förderung des Dialogs und der Solidarität mit den Schwächsten.
Pope: Ein Jubiläum ist immer ein Anlass, um Bilanz zu ziehen, aber auch, um neu durchzustarten. Worauf wird sich Caritas Internationalis in den kommenden Jahren konzentrieren? Gibt es eine besondere Kampagne, die Sie zu diesem Jahrestag starten?
Aloysius John: Die Pandemie hat uns gezeigt, dass wir ohne die Sorge um die Menschheit und die Schöpfung immer verletzlicher werden. Die Welt braucht heute mehr denn je eine radikale Umkehr der Herzen und des Verstandes und eine Versöhnung mit der Schöpfung. Im Rahmen unserer karitativen Arbeit engagieren wir uns besonders für die Förderung einer Gesellschaft der Liebe und Fürsorge für die Menschheit und unser gemeinsames Haus. Auf diese Punkte stützt sich unsere globale Kampagne, die wir aus Anlass unseres Jubiläums starten und die bis 2024 laufen wird.
(vatican news - cs)
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