Vatikan: Arbeitsgruppe zur Exkommunizierung der Mafia
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
In Agrigent hatte Kurienkardinal Marcello Semeraro an diesem Sonntagvormittag Rosario Livatino feierlich seliggesprochen. Der Sizilianer ist der erste selige Antimafia-Richter in der Geschichte der Kirche; er kam 1990 im Alter von 37 Jahren bei einem Attentat der ?Cosa Nostra“ ums Leben.
Das päpstliche Dikasterium für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen (eine Art Friedens- und Entwicklungsministerium des Vatikan) hat nun beschlossen, Livatino ?zu ehren“, da er seinen Einsatz gegen die Mafia ?mutig als Mission eines katholischen Laien“ wahrgenommen habe. Es die genaugenommen gegen verschiedene Arten von Mafia kämpfen soll; das Wort Mafia steht daher im Namen der Arbeitsgruppe im Plural (mafie).
?Die Kommission ist aus den Überlegungen entstanden, die wir in den letzten vier Jahren über Mafia und Korruption angestellt haben“, erklärt Vittorio Alberti vom Entwicklungs-Dikasterium, der die Arbeitsgruppe koordinieren soll. ?Uns ist nämlich auf einmal aufgefallen, dass in der kirchlichen Soziallehre, im kanonischen Recht und im Katechismus nie die Rede davon ist, dass Mafiosi exkommuniziert werden müssten. Da wollten wir ansetzen, und darum wurde diese Gruppe gebildet.“
Die Arbeitsgruppe soll ?das Thema vertiefen, mit den Bischöfen weltweit zusammenarbeiten und Antimafia-Initiativen fördern und unterstützen“. Unter den acht Mitgliedern der Arbeitsgruppe ist die italienische Politikerin Rosy Bindi. Die Mitgründerin der Demokratischen Partei (PD) leitete bis 2018 den Antimafia-Ausschuss der beiden Kammern des italienischen Parlaments. Auch Don Luigi Ciotti gehört zur Arbeitsgruppe: Der italienische Priester leitet den Antimafia-Verband ?Libera“ und ist in Italien einer der bekanntesten Gegner des organisierten Verbrechens.
Das Dikasterium berief außerdem den Erzbischof der Stadt Monreale in der Nähe von Palermo, Michele Pennisi, in das neue Gremium. Auch der Präsident des vatikanischen Gerichtshofs, Giuseppe Pignatone, ist dabei. Einziger Nichtitaliener in der Arbeitsgruppe ist der rumänische Priester Ioan Alexandru Pop vom Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte.
?Wir wollen sensibilisieren. Eine neue Mentalität herstellen. Ein Netzwerk bilden und dabei den Bischöfen unter die Arme greifen, die in verschiedenen Teilen der Welt schon an dieser Thematik dran sind. Der Aspekt, der uns besonders am Herzen liegt, ist der kulturelle: also die Notwendigkeit, dieses Thema zu vertiefen, um die Botschaft des Papstes zu stärken und jedwedem Kompromiss eines gewissen Katholizismus mit der Mafia den Garaus zu machen. Das ist ein geschichtlicher Aspekt – und dann werden wir uns natürlich auch mit dem Aspekt der Lehre und des Kirchenrechts beschäftigen.“
Papst Franziskus hat , wer wie die Mafiosi ?den Weg des Bösen“ gehe, sei ?exkommuniziert“. Auf diese Worte bezieht sich der Name der neuen vatikanischen Arbeitsgruppe. Im September 2018 wiederum sagte Franziskus bei einer Predigt in der sizilianischen Hauptstadt Palermo, die Mafia sei ?Gotteslästerung“.
Der hl. Papst Johannes Paul II. hatte am 9. Mai 1993 bei einem Besuch in Agrigent die Umtriebe der Mafiosi verurteilt und ausgerufen: ?Kehrt um, das Gericht Gottes wird kommen!“ Dieses Zitat ist in Italien auch heute noch weithin bekannt. Die Seligsprechung des Antimafia-Richters Livatino wurde nicht zufällig auf einen 9. Mai gelegt.
Eine neue Seelsorge aufbauen
?Livatinos Seligsprechung ist wirklich ein epochaler Moment. Dass der Heilige Stuhl und die Weltkirche das Martyrium eines Richters anerkennen, der gegen die Mafia vorgegangen ist, unterstreicht sehr deutlich, dass die Mafia nichts mit dem Evangelium und nichts mit der Kirche zu tun hat. Uns liegt am Herzen, ein für alle Mal zu bekräftigen, dass man nicht gleichzeitig zur Welt der Mafia und zur Kirche gehören kann. Von da aus wollen wir eine neue Seelsorge aufbauen, einen neuen kulturellen Weg. Dabei wollen wir die Opfer einbeziehen, aber auch in den Gefängnissen mit den Häftlingen sprechen und sie auf einen Weg der Hoffnung begleiten.“
Wie es dazu kommt, dass Menschen in Italien und anderswo der Mafia ins Netz gehen, hat zuletzt Papst Franziskus in seiner analysiert. ?Die Einsamkeit, die Angst und die Unsicherheit vieler Menschen, die sich vom System im Stich gelassen fühlen, lassen einen fruchtbaren Boden für die Mafia entstehen“, schreibt er dort (Nr. 28). ?Diese kann sich durchsetzen, weil sie sich als ?Beschützerin‘ der Vergessenen ausgibt, oft mittels verschiedener Arten von Hilfe, während sie ihre eigenen kriminellen Interessen verfolgt.“
Franziskus warnt vor der, wie er sie nennt, ?typisch mafiösen Pädagogik“: Sie schaffe ?in einem falschen Gemeinschaftsgeist Bindungen der Abhängigkeit und der Unterordnung, von denen man sich nur sehr schwer befreien kann“.
(vatican news)
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