Vatikan-Ma?nahmen für Transparenz: ?Dem Papst ein gro?es Anliegen"
Radio Vatikan: Am 1. Juni hat Papst Franziskus Verfügungen erlassen, die die Vergabe von Aufträgen und Geschäftsbeziehungen des Heiligen Stuhls und des Vatikanstaates neu regeln. Was genau sehen diese Bestimmungen vor?
Ulrich Nersinger: Es lässt sich ja nicht leugnen, dass wir es in den vergangenen Jahrzehnten immer mit Korruptionsvorwürfen im Vatikan konfrontiert waren. Es gab schwerwiegende Vorfälle, die ein Eingreifen verlangten. Es ist Papst Franziskus ein besonderes Anliegen, dagegen vorzugehen. Er hat eine Verfügung in der Form eines Motu Proprio gewählt, das bedeutet aus eigenem Antrieb – was zeigt, wie wichtig das dem Papst ist. Neben dem Haupttext kommen zwei Dokumente zum Tragen, das eine regelt die gerichtliche Verantwortbarkeit und dann 86 Artikel mit bis zu acht Paragraphen, die die einzelnen Schritte gegen Korruption illustrieren. Das ist sehr ausführlich gehalten.
Radio Vatikan: Wie schätzen Sie diese neuen Vorschriften ein? Wo liegen die Chancen, wo die Schwächen?
Ulrich Nersinger: Zunächst muss man froh sein, dass es solche Schritte gibt, dass man reagieren will auf das, was im Vatikan nicht gut läuft. Das finde ich sehr gut. Aber ich sehe auch Schwächen. Zunächst einmal eine Bündelung dieser Verträge, die geschlossen werden auf eine oder mehrere verantwortliche Stellen, früher war jede Einrichtung des Heiligen Stuhles dafür verantwortlich. Das hatte aber auch Chancen: Man kannte die Gesprächspartner und Firmen und wusste, wie gut man mit ihnen arbeiten kann. Das wird jetzt schwieriger werden. Ich verstehe, dass man in diesen persönlichen Sachen die Gefahr des Klüngels sieht. Das ist schwer abzuwägen, was da sinnvoll ist.
Radio Vatikan: Sehen Sie weitere Punkte, die unter Umständen problematisch werden könnten?
Ulrich Nersinger: Eine Schwierigkeit ist sicher auch, dass viele Dinge nicht so schnell entschieden werden können, wie das manchmal nötig ist. Und noch ein weiterer Punkt: dass man bei all diesen Vorschriften auch bedenken muss, dass diese von den Leute, die Schlupflöcher suchen, schon durchforstet werden. Das ist die Safe-Knacker-Logik: Man sucht einen Safe so sicher wie möglich zu machen, abe die Safe-Knacker sind in wenigen Monaten so weit, dass sie auch dieses System knacken können.
Radio Vatikan: Gab es nicht in der Vergangenheit schon wirksame Kontrollmechanismen?
Ulrich Nersinger: Bis in die ersten Jahre der 70er Jahre gab es eine interessante Einrichtung, die man heute nicht mehr machen kann - die päpstlichen Hoflieferanten. In Großbritannien haben wir eine solche Einrichtung, das Prädikat Mit der Genehmigung ihrer Majestät der Königin. So etwas Ähnliches hatten wir im Vatikan mit der Verleihung des Titels des päsptlichen Hoflieferanten. Bevor man diesen Titel verlieh, hat man sich diese Geschäftspartner sehr genau angeschaut. Das waren Verlage, Kerzenfabrikanten, Glockengießereien, und man hat mit einer solchen Verleihung eines Titels den Geschäftspartners öffentlich bekannt gemacht. Dieser Geschäftspartner hatte die Absicht, so seriös wie möglich zu arbeiten. Er wusste, wenn er Vergehen beging, konnte ihm das sofort entzogen werden. Das hätte die ganze Kundschaft verschreckt. Es gab bei diesen Kontrollen noch eine Besonderheit: Man verlor den Titel mit dem Tod des Papstes, und der musste erneuert werden - mit neuen Überlegungen und Untersuchungen, ob dieser Partner würdig ist.
Radio Vatikan: Es wäre allerdings kaum denkbar, dass Papst Franziskus den Titel ?Hoflieferant des Heiligen Vaters” oder ähnlich billigt...
Ulrich Nersinger: Ja, ich kann mir auch kaum vorstellen, dass man bei Papst Franziskus die Bezeichnung Hoflieferant erwähnen kann. Das halte ich nicht mehr für aktuell und durchsetzbar. Aber man könnte ähnliche Bezeichnungen erfinden für Geschäftspartner: Im Dienste, oder Kooperation mit. So dass man den Geschäftspartner namentlich nennt und ihm die Gelegenheit gibt, damit zu werben, aber auch deutlich macht: Wir führen eine scharfe Kontrolle deines Geschäftsgebarens durch. Die Art und Weise, wie man das damals gehandhabt hat, finde ich nicht schlecht.
(vatican news - gs)
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