Nuntius Krebs: Der Papst will seine Diplomaten kennen
Nach einem Studium an der päpstlichen Diplomatenakademie war der Deutsche Martin Krebs auf Posten in Nuntiaturen der verschiedensten Länder eingesetzt, bevor Papst Benedikt ihn 2008 zum Nuntius in Mali und Guinea berufen hat. Seit 2013 wirkt der Erzbischof nun als Nuntius in Neuseeland, Fidschi und den Cookinseln sowie zahlreichen weiteren pazifischen Inselstaaten. Er war an diesem Montag für seinen jährlichen Lagebericht in Rom beim Papst; Christine Seuss hat mit ihm gesprochen und ihn danach gefragt, inwieweit sich die Arbeit der erst seit November 2017 bestehenden Diplomatensektion eingespielt hat.
Nuntius Krebs: ?Gottseidank bekommt man nicht viel davon mit, was sich in der Dritten Sektion abspielt, sondern das - da es sich ja um Personalfragen handelt - mit größter Diskretion gehandhabt wird. Das Beste, was da passieren kann, ist, dass andere nichts darüber wissen. Man sieht, dass durch die Einrichtung dieser Dritten Sektion der Grad an Professionalität gesteigert worden ist. Personalfragen sind hoch anspruchsvoll, und die jetzt in einer eigenen Sektion zu konzentrieren, ist ein Schritt zu größerer Professionalität. Das kann man mit Sicherheit von außen sagen. Was die Dinge im Einzelnen sind, da geht es natürlich um die Auswahl der Kandidaten für die päpstliche Diplomatenakademie, dann die Bearbeitung der Versetzungen von Mitarbeitern im Diplomatischen Dienst und die Begleitung der Diplomaten – das sind die Dinge, die die Dritte Sektion bearbeitet und ich bin mir sicher, dass Papst Franziskus ein großes Interesse daran hat, dass diese Dinge mit großer Professionalität gehandhabt werden.“
Pope: Einer der Punkte, die dem Papst bei der Einrichtung dieser Sektion besonders wichtig schienen, war es, die Wertschätzung und Aufmerksamkeit zu zeigen, die er für seinen diplomatischen Dienst hat. Wie erleben Sie das im Kontakt mit dem Papst?
Nuntius Krebs: ?Der Papst hat ein großes Interesse daran, seine Diplomaten zu kennen. Er möchte seinen Diplomaten nicht nur durch Papier und Berichte begegnen. Vielmehr kennen Sie ja sein Charisma, mit Menschen in persönlichen Kontakt zu treten und das gilt erst recht die Nuntien, seine Gesandten in die Weltkirche hinein. Er möchte sie kennen, und er möchte nicht nur wissen, wer sie sind, sondern auch, wie sie sind. Es geht wirklich um einen persönlichen Kontakt, der es ihm ermöglicht, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Und dafür hat er verschiedene Quellen, aber eine ganz wichtige Quelle ist die persönliche Begegnung mit den Nuntien. Und ich genieße das jeweils sehr. Denn wenn ich Papst Franziskus begegne, dann ist das ein sehr offenes, ein sehr vertrauensvolles Gespräch, in dem er nicht den Eindruck macht, dass er jemanden verhört – das würde auch kein anderer Papst tun – sondern es geht tatsächlich um eine Begegnung mit großem Akzent auf Brüderlichkeit und Begegnung im wahrsten Sinne.“
Pope: Haben Sie denn auch das Gefühl, dass gewissermaßen der Dienstweg ein wenig kürzer wäre, wenn Sie tatsächlich einmal ein ernsthaftes Problem in Ihrem Einsatzgebiet haben sollten, das Sie dem Papst vorlegen wollten?
Nuntius Krebs: ?Wenn man das wollte, würde man das auch tun können, aber der Papst hat Mitarbeiter, die ihm viele Dinge abnehmen müssen. Das heißt, ich kann nicht mit jeder Frage direkt zum Papst gehen, damit er seine Zeit auch für andere Menschen einsetzen kann. Ich habe großes Vertrauen in die päpstliche Verwaltung des Staatssekretariates, die mit großer Professionalität vorgeht und ich würde mich hüten, mit jedem Anliegen direkt zum Papst zu gehen. Aber wenn das notwendig wäre, könnte das mit Sicherheit sein.“
Ein guter Dialog besteht aus Respekt, Mut und Ehrlichkeit
Pope: Was sind denn so die Punkte, die Sie aus ihrem sehr weitläufigen und auch vielfältigen Einsatzgebiet – Neuseeland, Fidschi, kleinere Pazifikinselstaaten – mitgebracht haben nach Rom?
Nuntius Krebs: ?Wie Sie schon sagen, ist das Gebiet riesig und die verschiedenen kulturellen Prägungen der Länder und der Gegenden sind so unterschiedlich, dass ich ganz neu gelernt habe, wie wichtig ernsthafter Dialog ist. Und da ist Papst Franziskus auch der beste Lehrmeister. Ich kann mich daran erinnern, dass er bei verschiedenen Gelegenheiten in seinem üblichen Dreipunkte-Schema gesagt hat, was ein guter Dialog ist. Ein guter Dialog muss ihm zufolge folgende Elemente haben, gerade in schwierigen Situationen: es geht erstens um Respekt für seine eigene Position und die Position des anderen, zweitens braucht es den Mut, Differenzen auszuhalten und nicht alles harmonisieren zu wollen, also Dinge zu sehen, wie sie sind, und wenn es denn nicht zu einem Kompromiss kommen kann, dann diese Differenzen auszuhalten, und das dritte ist die Ehrlichkeit der Absichten, die Aufrichtigkeit der Absicht. Im Gespräch will man einem größeren Gut dienen und nicht das Beste für sich herausholen. Das gilt für jedes Gespräch, und ganz besonders in den Gebieten, in denen ich tätig bin. Kulturen begegnen sich, auch die westliche Kultur mit den pazifischen Kulturen, und Dialog ist das Ein und Alles, um gemeinsam Mensch zu sein und vor allen Dingen, um gemeinsam Kirche zu sein.“
Pope: Wie würden Sie denn in Kürze das Leben der Kirche in Ihrem Einsatzgebiet beschreiben, wenn man das tatsächlich auf einen Nenner bringen möchte und kann?
Nuntius Krebs: ?Aufmerksamkeit für den Einzelnen. Die pazifischen Bevölkerungen sind oft zahlenmäßig gering, also die Staaten, für die ich zuständig bin, sind nicht groß, aber sie sind eigene, gewachsene Einheiten, und die Kirche legt Wert darauf, die Staaten und die Menschen ernst zu nehmen, auch wenn sie nicht in großer Masse vorkommen. Aufmerksamkeit für den Einzelnen und auch für kleine Einheiten. Nicht sagen, weil die Zahlen gering sind, sind die Menschen, Staaten oder Regionen nichts wert oder eben weniger wert. Das ist eine Gleichung, die in der Kirche nicht funktioniert. Und dafür arbeite ich zusammen mit den Ortskirchen und für den Papst, dass auch kleine Einheiten große Aufmerksamkeit bekommen. Und diesen Luxus wollen wir uns als Kirche erlauben, das können oft politische Staaten weniger leicht tun, aber wir müssen das tun, als Jünger Christi ist das unsere Aufgabe.“
Pope: Was sind denn die größten Herausforderungen, die Sie für Ihr derzeitiges Einsatzgebiet sehen? Stichwort Klimawandel, kommt einem da beispielsweise in den Sinn… Und inwieweit sind Sie als Nuntius mit solchen Fragen beschäftigt?
Nuntius Krebs: ?Wir haben gerade Mitte April eine große Konferenz in Port Moresby in Papua-Neuguinea gehabt. Kardinalstaatssekretär Parolin war zu Besuch und hat einen Vortrag gehalten. Wir haben das gemeinsam mit den vier ozeanischen Bischofskonferenzen, also der australischen, neuseeländischen, pazifischen, sowie der von den Solomon-Inseln und Papua-Neuguinea organisiert. Da haben wir gemeinsam geschaut, welchen Einfluss hat die Kirche, um den Klimawandel zu leben und zu tun, was man tun kann, um schlimme Folgen zu vermeiden oder diese auszugleichen. Also das ist ein Thema, das sehr präsent ist bei Bischöfen, Gläubigen, Ordensleuten und Missionaren im Pazifik. Und natürlich, in den entwickelten Staaten wie Australien oder Neuseeland hat man auch die Geldmittel, Dinge zu tun, die ärmere Staaten im Pazifikgebiet sich nicht leisten können. Da eine Gesprächsbasis zu finden, was können wir gemeinsam tun als Kirche in diesem Raum – das ist ein sehr wichtiges Thema.“
Pope: Das Leben eines Nuntius ist ja gewissermaßen ein Leben aus dem Koffer, nicht nur während der Einsatzdauer, sondern auch in dem Sinn, dass man irgendwann dem Land, in das man entsendet wurde, wieder den Rücken kehren muss. Was werden Sie denn in Ihrem Herzen mitnehmen, wenn Sie Neuseeland und den Inseln den Rücken kehren müssen?
Nuntius Krebs: ?Die große Diversität und Verschiedenheit von Kulturen, die alle ihren Wert haben. Das ist im Pazifik, wo ich arbeite, so deutlich wie an wenigen anderen Stellen. Also die große Vielfalt. Das kann man nicht harmonisieren, das kann man nur einzeln wahrnehmen und so stehen lassen, wie es denn ist. Das ist eine große Lehrerfahrung gewesen, die mir sehr viel wert ist.“
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