Licht auf Ludwig von Pastor, Historiker und Diplomat
Gudrun Sailer – Vatikanstadt
1901 kam Pastor als Direktor des Österreichischen Instituts nach Rom. Es war die Zeit der Habsburgermonarchie, Kaiser Franz Joseph beförderte den deutschen Gelehrten wenige Jahre später in den Adelsstand. Doch seine wissenschaftlichen Kontakte mit Rom, genauer: mit dem Vatikan reichen viel weiter zurück. ?Ludwig von Pastor konnte erstmal am 27. Januar 1879 mit einer Sondererlaubnis Akten des Vatikanischen Geheimarchivs einsehen und wurde so gewissermaßen zum Goldgräber“, erklärt im Gespräch mit Pope der in Paris lehrende Historiker Andreas Sohn, der die römische Pastor-Tagung organisierte.
Erst zwei Jahre später sollte Papst Leo XIII. die Bestände seines Geheimarchivs allgemein für die Forschung öffnen; Pastor war der erste externe Historiker, der schon davor umfassende Einsicht erhielt. Er stand in hohem Ansehen bei den Päpsten, Leo XIII. empfing ihn regelmäßig, ebenso seine Nachfolger Pius X., Benedikt XV. und Pius XI. ?Sie alle schätzten Pastor, gerade seine Expertise in kirchen- und papsthistorischen Fragestellungen, und sie wussten, sie konnten immer auf ihn zählen“, sagt Sohn. ?Die Päpste waren daran interessiert, dass das, was an Goldschätzen im Vatikanischen Archiv lagerte, auch gehoben würde, und sie hofften natürlich auch auf eine entsprechende Darstellung, die sie dann natürlich auch für das tagespolitische Geschäft, wenn ich das mal so salopp sagen darf, nutzen konnten.“
Immer noch zitiert wird Pastors monumentales Hauptwerk, die 16-bändige ?Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters“. ?Wer sich heute mit einem Thema der Papstgeschichte in der Zeit vom 14. bis zum 18. Jahrhundert beschäftigt, kommt, so denke ich, an dem Titel nicht vorbei“, sagt Sohn. Das Werk erreichte bis zu 13 Auflagen, und das bei einem Umfang von gut 15.000 Seiten. Vereinfachend gesagt, lässt sich Pastors Papstgeschichte als katholische Gegendarstellung zu der zuvor erschienenen ?protestantischen" Papstgeschichte Leopold von Rankes lesen, die es allerdings nur auf knapp tausend Seiten bringt und, wie Sohn betont, sich nicht auf vatikanische Bestände stützen konnte. Die schiere Informationsfülle von Pastors Papstgeschichte sei noch lange nicht ausgeschöpft.
Die biografische Komponente, also der Übertritt zum Katholizismus, fand jedenfalls deutlichen Niederschlag in der ?Geschichte der Päpste“, sagt Sohn. ?Was Pastor bewegt hat, das war sicherlich diese doch teilweise deprimierende Erfahrung des Kulturkampfes; das enge Gegeneinander der Konfessionen und auch die Tatsache, dass ihm sozusagen eine Hochschulkarriere in Preußen, in Deutschland, verwehrt geblieben ist. Und er war natürlich auch davon beseelt, etwas Eigenes, originär Katholisches zu schaffen. Das alles ist vielleicht komplexer, als es bislang in der Literatur gesehen worden ist.“ Heute, 90 Jahre nach Pastors Tod, seien im Geist der Ökumene konfessionelle Engführungen zu vermeiden und neue gemeinsame Sichtweisen auf die Papstgeschichte zu entwickeln.
Als ?schillernde und vielschichtige Persönlichkeit“ stellt der österreichische Historiker Andreas Gottsmann Ludwig von Pastor vor; er ist als heutiger Direktor des Österreichischen Historischen Instituts in Rom Pastors später Nachfolger. Gottsmann würdigt den Gelehrten vor allen Dingen als begnadeten Netzwerker.
?Pastor hat die katholische Sichtweise eingebracht, was sich dann auch in der Arbeit als Direktor des Instituts bemerkbar machte. Was bei ihm wirklich herausragend ist, war sein Netzwerk, das er sowohl im Vatikan knüpfte als auch in Österreich. Er war mit den katholischen politischen Kreisen in Österreich sehr gut vernetzt, ebenso im Vatikan.“
Ab 1920 wirkte Pastor als österreichischer Geschäftsträger und Gesandter beim Heiligen Stuhl. Das Katholische, sagt Gottsmann, kam bei Pastor eher in der Geschichtswissenschaft durch, ?als Diplomat hat er versucht, eine eher objektive Stellung einzunehmen.“ So versuchte Pastor die diplomatischen Berichte zwischen Rom und Wien zu entschärfen, die vor allem über die Nuntiatur in Wien liefen und, wie Gottsmann anmerkt, ?etwas gefärbt waren: Der damalige Nuntius in Wien, Enrico Sibilia, war sehr von seinem Antibolschewismus durchdrungen und hat dann vieles nicht ganz mehr im richtigen Licht dargestellt; und hier Pastor immer wieder versucht, die Dinge auch etwas zurechtzurücken“.
Die Tagung findet bis Freitag am Römischen Institut der Görres-Gesellschaft und der École française de Rome statt. Unter den Teilnehmenden sind Forscher und Forscherinnen aus Paris, Graz, Potsdam, Rom, dem Vatikan und München.
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