Wortlaut: Die Papstpredigt in Osttimor
»Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt« (Jes 9,5)
Das sind die Worte aus der ersten Lesung, mit denen sich der Prophet Jesaja an die Bewohner Jerusalems wendet, in einer Zeit des Wohlstands für die Stadt, die aber leider auch durch einen großen moralischen Verfall gekennzeichnet ist.
Es gibt viel Reichtum, aber der Wohlstand macht die Mächtigen blind und gaukelt ihnen vor, dass sie sich selbst genügen, dass sie den Herrn nicht brauchen, und ihre Vermessenheit verleitet sie dazu, selbstsüchtig und ungerecht zu sein. Das ist der Grund, weshalb trotz des großen Reichtums die Armen im Stich gelassen werden und Hunger leiden, die Untreue um sich greift und die religiöse Praxis zu einer reinen Formalität verkommt. Die trügerische Fassade einer auf den ersten Blick perfekten Welt verbirgt also eine viel dunklere und traurigere, harte und grausame Wirklichkeit, die dringend der Umkehr, der Barmherzigkeit und der Heilung bedarf.
Deshalb verheißt der Prophet einen neuen Horizont, den Gott ihnen eröffnen wird: eine Zukunft der Hoffnung und der Freude, in der Unterdrückung und Krieg für immer verbannt sein werden (vgl. Jes 9,1-4). Er wird über ihnen ein großes Licht aufgehen lassen (vgl. V. 1), das sie von der Finsternis der Sünde, die sie belastet, befreit, und zwar nicht mit der Macht von Armeen, Waffen und Reichtum, sondern durch das Geschenk eines Sohnes (vgl. V. 5-6).
Verweilen wir also bei der Betrachtung dieses Bildes: Gott lässt sein rettendes Licht durch das Geschenk eines Sohnes aufleuchten.
Überall auf der Welt ist die Geburt eines Kindes ein lichter Augenblick der Freude und ein Moment des Feierns, der gute Sehnsüchte weckt: nach Erneuerung im Guten, nach Rückkehr zu Reinheit und Einfachheit. Angesichts eines neugeborenen Kindes erfüllt sich selbst das härteste Herz mit Wärme und Zärtlichkeit. Die Schwäche eines Kindes enthält eine Botschaft, die so stark ist, dass sie selbst die verstocktesten Herzen berührt und ihnen wieder Harmonie und Gelassenheit gibt. Es ist wunderbar, was bei der Geburt eines Kindes geschieht!
Die Nähe Gottes geschieht durch ein Kind. Gott wird ein Kind und es ist nicht nur eine Einladung, zu staunen und innerlich bewegt zu sein, sondern besteht auch darin, uns der Liebe des Vaters zu öffnen und uns von ihr formen zu lassen, damit sie unsere Wunden heilen, uns bei Uneinigkeit wieder vereinen und unser Leben wieder in Ordnung bringen kann.
In Osttimor ist es schön, weil es so viele Kinder gibt: Ihr seid ein junges Land, in dem man in jeder Ecke das Leben pulsieren und aufblühen sieht. Und das ist ein großes Geschenk: So viel Jugend und so viele Kinder erneuern nämlich beständig die Frische, die Energie, die Freude und den Enthusiasmus eures Volkes. Aber mehr noch ist es ein Zeichen, denn wenn wir den Kleinen Raum geben, sie aufnehmen, uns um sie kümmern und auch uns selbst vor Gott und voreinander klein zu machen, sind das genau die Haltungen, die uns für das Wirken des Herrn öffnen. Indem wir uns klein machen, erlauben wir dem Allmächtigen, Großes an uns zu tun, nach dem Maß seiner Liebe, wie Maria uns im Magnifikat (vgl. Lk 1,46-49) und auch in dieser Feier lehrt.
Heute verehren wir die Gottesmutter als Königin, d.h. als Mutter eines Königs, Jesus, der klein geboren werden wollte, um unser Bruder zu werden, indem er sein mächtiges Handeln dem ?Ja“ einer schwachen und armen jungen Mutter anvertraute (vgl. Lk 1,38).
Und Maria hat dies so gut verstanden, dass sie sich entschloss, ihr ganzes Leben lang klein zu bleiben, ja, sich immer kleiner zu machen, indem sie diente, betete, in den Hintergrund trat, um Jesus Platz zu machen, auch wenn sie das sehr viel kostete.
Deshalb, liebe Brüder und Schwestern, wollen wir keine Angst davor haben, uns vor Gott und voreinander klein zu machen, unser Leben zu versäumen, unsere Zeit zu verschenken, unsere Pläne zu revidieren oder etwas aufzugeben, damit es einem Bruder oder einer Schwester bessergeht und sie glücklich ist. Lasst uns auch keine Angst davor haben, unsere Pläne, wenn nötig, kleiner ausfallen zu lassen, nicht um sie zu schmälern, sondern um sie noch schöner zu machen, dadurch dass wir uns selbst verschenken und die Anderen annehmen, mit all den Unwägbarkeiten, die dies mit sich bringt.
All dies wird durch zwei wunderschöne traditionelle Schmuckstücke dieses Landes sehr gut versinnbildlicht: der Kaibauk und der Belak. Beide sind aus Edelmetall gefertigt. Das heißt, dass sie von Bedeutung sind!
Das erste Schmuckstück symbolisiert die Hörner des Büffels und das Licht der Sonne, es wird erhöht platziert, als Stirnschmuck, oder auch, durch die Form der Dächer, ganz oben auf den Häusern. Es steht für Kraft, Energie und Wärme und kann die lebensspendende Kraft Gottes darstellen. Aber nicht nur: Auf Kopfhöhe getragen und ganz oben auf den Häusern, erinnert es uns daran, dass auch wir mit dem Licht des Wortes Gottes und mit der Kraft seiner Gnade durch unsere Entscheidungen und Handlungen am großen Heilsplan mitwirken können.
Das zweite Schmuckstück, der Belak, das auf der Brust getragen wird, ist eine Ergänzung zum ersten. Er erinnert an den zarten Schein des Mondes, der in der Nacht das Licht der Sonne bescheiden reflektiert und alle Dinge in einen leichten Schimmer hüllt. Er steht für Frieden, Fruchtbarkeit und Sanftheit und symbolisiert die Zärtlichkeit der Mutter, die mit dem zarten Widerschein ihrer Liebe alles, was sie berührt, mit demselben Licht erstrahlen lässt, das sie von Gott empfängt.
Kaibauk und Belak, Kraft und Zärtlichkeit von Vater und Mutter: So zeigt der Herr sein Königtum, das aus Liebe und Barmherzigkeit besteht.
Und so bitten wir in dieser Eucharistiefeier gemeinsam darum – ein jeder von uns, als Männer und Frauen, als Kirche und als Gesellschaft – dass wir in der Welt das starke und zärtliche Licht des Gottes der Liebe widerspiegeln können, jenes Gottes, der, wie wir im Antwortpsalm gebetet haben, ?den Geringen aufrichtet aus dem Staub und aus dem Schmutz den Armen erhebt, um ihn bei den Fürsten seines Volkes wohnen zu lassen“ (vgl. Ps 113,7-8).
(vatican news)
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