Papst stattet Brüsseler Wohlt?tigkeitsheim ?berraschungsbesuch ab
Salvatore Cernuzio - Brüssel
?Mon Dieu, der Papst, meine Handgelenke zittern...“: Deutlicher hätte der Kontrast an diesem Freitagvormittag nicht sein können: Von gekrönten Häuptern und machtbewussten Eliten hin zu Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen, ein Programmpunkt ganz nach dem Geschmack des Papstes. Das Heim Saint-Joseph im Brüsseler Viertel Marolles ist Zufluchtsstätte für arme oder einkommensschwache ältere Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind. Geführt wird es von den Kleinen Schwestern der Armen.
Nach dem Treffen mit den Autoritäten am Morgen stand eigentlich eine mehr als fünfstündige Pause vor den offiziellen Nachmittags-Terminen auf dem Programm, doch der päpstliche Konvoi machte einen Abstecher in die entgegengesetzte Richtung der Nuntiatur, der Residenz des Papstes während dieser Reisetage, um durch die engen Gassen von Marolles zu rollen, in dem das Saint-Joseph liegt.
Der Empfang im Heim Saint-Joseph
Die von den Sirenen und der langen Karawane schwarzer Autos und Kleinbusse alarmierten Menschen strömten auf die Straße, um Franziskus zu begrüßen. Der Papst seinerseits ließ seinen unverwechselbaren weißen Fiat 500 L anhalten, um eine Gruppe von Kindern und eine Frau zu begrüßen, die mit ausgebreiteten Armen kniete und betete. Dann bog das Auto in die Einfahrt des Sozialzentrums ab. Zwei Ordensfrauen der Kleinen Schwestern der Armen, einer Kongregation, die von der heiligen Jeanne Jugan gegründet wurde, gingen sofort auf den Papst zu, um ihm für diese Überraschung ehrlich empfunden zu danken. ?Aber gerne doch“, antwortete Franziskus, bevor er sich kurz nach ihrer Kongregation erkundigte, die das Charisma der Solidarität mit den Ärmsten und Schwächsten lebt.
Aus dem Inneren des Gebäudes ertönte unterdessen der Klang einer Gitarre, begleitet vom Klatschen der Hände. Es waren die Angestellten des Hauses, die zusammen mit den ?kleinen Schwestern“ und ?kleinen Brüdern“, wie im Saint-Joseph die hier betreuten älteren Menschen mit schweren Krankheiten, kognitiven Verzögerungen und finanziellen Problemen genannt werden, gesungen hatte. Seit mehr als einem Jahrhundert ist die Einrichtung aktiv, um die hilfsbedürftigen Menschen hier aufzunehmen und ihnen Mahlzeiten und Pflege anbieten, die über die reine mechanische Geste hinausgeht. So gibt es viele kleine Aufmerksamkeiten, um die Einsamkeit oder das Trauma des Umzugs zu mildern, sofort ins Auge stechen ein Blumenstrauß auf dem Nachttisch oder die Karte ?Soyez la bienvenue“ an der Zimmertür.
In einem Halbkreis angeordnet, mit den älteren Menschen in elektrischen Rollstühlen oder den durch Krankheit Gelähmten in der Mitte, begrüßten alle Anwesenden im Saal des Heims Saint-Joseph den Papst mit Beifall. Die Schwestern und Krankenschwestern, die währenddessen einige der alten Menschen betreuten, hüpften allerdings geschäftig umher und konnten nicht in die Hände klatschen.
Der Gruß an Madame Zelle, 102...
?Ich segne Sie und bete für Sie. Beten Sie für mich“, wandte sich der Papst, der in der Mitte des Raumes in seinem Rollstuhl saß, auf Französisch an die Anwesenden. ?Tous le jours, tous le jours... Jeden Tag“, versicherten einige Frauen im spontanen Chor. Die Schwestern schenkten dem Papst Bücher und stellten ihm ?Madame Zelle“ vor, wie Denise Lallemande genannt werden möchte, ein ehemaliges Kindermädchen, mit 102 Jahren so etwas wie das Maskottchen des Hauses. ?Herzlichen Glückwunsch“, sagte Papst Franziskus zu ihr und beugte sich aus seinem Rollstuhl vor, um ihr die Hand zu schütteln. Ein belgischer Journalist, der den Papst begleitete, war besonderer Zeuge der Szene: Er war ziemlich baff, dort plötzlich seiner Babysitterin aus Kindertagen gegenüberzustehen. ?Sie hat unserer Familie so sehr geholfen“, betonte er.
...und an die Italienerin Agata, seit 60 Jahren in Belgien
Nach Madame Zelle wollte der Papst - trotz des begrenzten Platzes - die Anwesenden einzeln begrüßen. Als der Rollstuhl von Franziskus zwischen den Reihen der anderen Rollstühle hindurchfuhr, entstand sofort ein kleines Gedränge. Inmitten von ?Saint-Père“-Rufen und Gesängen war Agatas Stimme, wenn auch nur schwach, auf Italienisch zu hören: ?Heiliger Vater, komm her, ich bin gelähmt. Ich komme aus Bari. Heiliger Vater, komm her, ich bin gelähmt. Ich komme aus Bari...“. Es klang fast wie eine Litanei, die die gebürtige Apulierin, mit blauen Augen und einem von der Krankheit geknickten Hals, so lange wiederholte, bis Franziskus vor ihr erschien, ihr die Hand schüttelte und ihr einen Rosenkranz gab. ?Ich wollte ihm sagen, dass er für mich betet und dass ich für ihn bete“, sagte Agata, die seit 60 Jahren in Brüssel lebt, anschließend gegenüber den vatikanischen Medien, ?ich sehe ihn immer im Fernsehen und jetzt habe ich ihn auch persönlich gesehen. Eine seltene, wunderbare Sache. Ich habe ihm auch gesagt, dass ich immer für alle Kranken bete, damit sie gesund werden und der Krieg aufhört. Ich habe gehört, dass sie Bomben werfen wollen.“
Das Treffen endete mit dem Vaterunser und einem erneuten Gebetswunsch von Papst Franziskus: ?Betet für mich. Für, nicht gegen mich!“ Danach folgte die Verabschiedung mit einigen Schwestern, die dem Auto bis zum Ausgang folgten, um den Papst ganz bis zum Schluss zu grüßen, bevor sich sein Konvoi wieder durch die Straßen von Brüssel schlängelte, unter einem düsteren Himmel, der sich über den imposanten europäischen institutionellen Gebäuden spannt.
(vatican news - cs)
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