Papst bei Abschlussmesse in Belgien: ?In der Kirche gibt es keinen Platz für Missbrauch!“
Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt
Schon bei der Begegnung mit den Regierungsvertreten Belgiens am Freitagmorgen hatte Franziskus in langer freier Rede die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen angemahnt und am Abend im privaten Rahmen Missbrauchsopfer getroffen. Und auch bei der Abschlussmesse an diesem Sonntag wich er spontan vom Redetext ab, um diese Verbrechen noch einmal ausdrücklich zu geißeln:
?Denken wir an das, was passiert, wenn kleine Kinder von denen, die sich um sie kümmern sollten, skandalisiert, verletzt, missbraucht werden, an die Wunden des Schmerzes und der Hilflosigkeit vor allem bei den Opfern, aber auch in ihren Familien und in der Gemeinschaft“, mahnte der Papst. ?Mit meinem Geist und meinem Herzen gehe ich zurück zu den Geschichten einiger dieser Kleinen, die ich vorgestern getroffen habe. Ich habe ihnen zugehört, ich habe ihr Leid als Misshandelte gespürt, und ich wiederhole es hier: In der Kirche ist Platz für alle, für jeden, aber jeder wird verurteilt werden, und es gibt keinen Platz für Missbrauch, keinen Platz für das Vertuschen von Missbrauch! Ich bitte alle: Vertuscht keinen Missbrauch! Ich bitte die Bischöfe: Vertuschen Sie den Missbrauch nicht! Verurteilen Sie die Missbrauchstäter und helfen Sie ihnen, sich von der Krankheit des Missbrauchs zu heilen. Das Böse kann nicht versteckt werden: Das Böse muss an die Öffentlichkeit gebracht werden, es muss bekannt gemacht werden, wie es einige Missbrauchsopfer getan haben, und zwar mit Mut. Es muss bekanntwerden! Und der Missbrauchstäter muss verurteilt werden. Der Missbrauchstäter muss verurteilt werden, ob Laie, Priester oder Bischof: er muss verurteilt werden!“
Bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel waren etwa 35.000 Gläubige in das größte Stadion Belgiens gekommen, darunter auch König Philippe und Königin Mathilde von Belgien sowie Altkönig Albert mit Gemahlin. Wegen der Seligsprechung der spanischen Karmelitin Anna von Jesus, die im 17. Jahrhundert in der belgischen Hauptstadt starb, waren auch viele Vertreter des Karmelitenordens bei der Messe anwesend. Als Hauptzelebrant fungierte der Erzbischof von Mechelen-Brüssel, Luc Terlinden.
Im dreisprachigen Brüssel begrüßte der Papst die im Stadion Anwesenden auf Deutsch, mit einem herzlichen ?Guten Morgen“. Die Vergebungsbitte trug er auf Französisch vor.
Die Seligsprechung der spanischen Karmelitin Anna von Jesus
Den Auftakt der Messe bildete die Seligsprechung einer engen Mitarbeiterin der Heiligen Teresa von Avila: Anna von Jesus. Ein außergewöhnliches Ereignis, da vom Papst geleitete Seligsprechungen eigentlich in Rom stattfinden. Franziskus würdigte die spanische Ordensfrau als ?Vorbild des weiblichen Stils der Heiligkeit“. In einer Zeit, ?die von schmerzhaften Skandalen innerhalb und außerhalb der christlichen Gemeinschaft geprägt war“, sei es ihr und ihren Gefährtinnen gelungen, ?mit ihrem einfachen und armen Leben, das aus Gebet, Arbeit und Nächstenliebe bestand, viele Menschen zum Glauben zurückbringen.“
In seiner Predigt warnte Franziskus vor Egoismus und ungezügeltem Kapitalismus.
Wörtlich sagte der Papst:
?Der Egoismus ist, wie alles, was die Liebe verhindert, ein ?Ärgernis“, weil er die Kleinen erdrückt, die Würde der Menschen erniedrigt und den Schrei der Armen erstickt (vgl. Ps 9,13. Das galt zur Zeit des heiligen Paulus genauso wie für uns heute. Wenn man dem Leben der Einzelnen und der Gemeinschaften allein die Prinzipien des Eigennutzes und allein die Gesetzmäßigkeiten des Marktes zugrundelegt (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 54-58), entsteht eine Welt, in der es keinen Platz mehr gibt für die, die in Schwierigkeiten sind, keine Barmherzigkeit für die, die Fehler machen, kein Mitgefühl für die, die leiden und nicht zurechtkommen.“
Statt oberflächlicher Scheinwohltätigkeit auf den ?Schrei der Armen hören“
Mit Blick auf eine Zukunft, die niemanden zurücklässt, schlug der Papst vor, ?das Evangelium der Barmherzigkeit wieder zur Grundlage unserer Entscheidungen zu machen.“
?Machen wir uns nichts vor: Ohne Liebe hat nichts Bestand, löst sich alles auf und zerfällt; werden wir zu Gefangenen eines flüchtigen, leeren und sinnlosen Lebens, einer haltlosen Welt, die jenseits der äußeren Fassade jede Glaubwürdigkeit verloren hat. Warum? Weil sie bei den Kleinen Anstoß erregt hat.“
Abschließend fand Franziskus noch lobende Worte für die vielen Heiligen in der Geschichte der belgischen Kirche: ?Denken wir an die heilige Gudula, die Schutzpatronin des Landes (650-712 circa), an den heiligen Guido von Anderlecht, einen Pilger und Freund der Armen (+1012), an den heiligen Damian de Veuster, besser bekannt als Damian von Molokai, den Apostel der Aussätzigen (1840-1889). Und denken wir weiter an die vielen belgischen Missionarinnen und Missionare, die im Laufe der Jahrhunderte das Evangelium in verschiedenen Teilen der Welt verkündet haben, manchmal sogar bis zur Hingabe ihres Lebens.“
Seligsprechungsprozess für Belgiens König Baudouin wird eröffnet
Am Ende der Messe gab das Kirchenoberhaupt unter dem Beifall der Anwesenden noch bekannt, dass er nach seiner Rückkehr nach Rom den Seligsprechungsprozess von König Baudouin einleiten werde. Am gestrigen Samstag hatte Papst Franziskus nach der Begegnung mit Kirchenvertretern in der Basilika von Koekelberg am Grab des katholischen Monarchen gebetet.
(vaticannews – skr)
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