Papst in Südostasien: Eine heterogene Region mit vielen Facetten
Pope: Was sind Deine bisherigen Eindrücke von dieser Papstreise?
Stefan von Kempis: ?Also ich bin schon sehr überrascht und beeindruckt davon, wie disparat die Realitäten sind, auf die der Papst in diesen Tagen trifft. Wir sagen ja sehr leicht hin Südostasien, als wäre das eine homogene Region. In Wirklichkeit, so sehen wir jetzt, wenn wir die Papstreise durch diese vier Länder mitverfolgen, sind das ganz unterschiedliche Lebenswelten. Indonesien mehrheitlich muslimisch, Hochhäuser in der Hauptstadt, dann zwei sehr arme, aber zutiefst vom Christentum geprägte Länder Papua-Neuguinea und Osttimor, dann der kühle Finanzplatz Singapur mit seinen vielen Religionen. Wir haben ganz unterschiedliche Lebenswelten, die von der krassen Armut bis hin zum sehr demonstrativen Reichtum gehen. Also Südostasien hat wirklich sehr viele Gesichter.“
Pope: Wie ist der Papst bisher aufgetreten?
Stefan von Kempis: ?Also gesundheitlich, um damit mal anzufangen, da kann man wirklich sagen, Franziskus hat das alles sehr gut weggesteckt mit seinen bald 88 Jahren. Er war gut aufgelegt, hat oft improvisiert bei seinen Ansprachen, war hellwach und fröhlich und freundlich. Da habe ich überhaupt gar kein Problem gesehen.
Inhaltlich ist er sehr vorsichtig aufgetreten. Er weiß natürlich, Asien setzt sehr auf Harmonie. Das hat er selbst auch immer wieder betont. Aber dadurch hat er sich in der Schärfe seiner Äußerungen manchmal doch sehr bremsen lassen.
In Indonesien zum Beispiel wurde die religiöse Harmonie so sehr betont, dass man am Schluss fast dran geglaubt hätte, wenn man nicht genau wüsste, wie wir es auch immer wieder in unseren Nachrichten bringen, dass es zumal in der indonesischen Provinz immer wieder sehr große Probleme für Christen gibt: Diskriminierung, Bedrohung durch Extremismus, große Schwierigkeiten, überhaupt die Lizenz für den Neubau oder die Renovierung einer Kirche zu bekommen… Also das war alles gar nicht so gold, wie es glänzte während des Papstbesuchs in Indonesien.
Das Westpapua-Problem des Landes hat er nicht direkt angesprochen, nur mit einer Anspielung. In Westpapua, einer sehr katholischen Region ganz am Rand Indonesiens, gibt es starke Autonomie- und Separatismus-Bestrebungen und es war von vornherein klar, dass man den Papst nicht dahin reisen lassen würde. Franziskus hat nur bei der interreligiösen Begegnung in der Moschee in Jakarta fast nebenbei erwähnt, ,Ihr seid ja das Land mit der womöglich größten Goldmine der Welt.‘ Und das war, jedenfalls nach Meinung vieler Beobachter, eine versteckte Anspielung auf Westpapua. Denn genau dort befindet sich diese mutmaßlich größte Goldmine. Es war also ein schüchternes Signal des Gastes aus Rom: ,Ich sehe euch. Ich kenne euer Anliegen‘, ohne dass er das aber jetzt ganz explizit angesprochen hätte, was viele Menschenrechtler vorher von ihm erhofft hatten.“
Pope: Franziskus beschränkt sich, anders als seine zwei Vorgänger, fast ausschließlich auf die Hauptstädte…
Stefan von Kempis: ?Ja, das stimmt. Aber mit einer sehr bezeichnenden Ausnahme, denn in Papua-Neuguinea hatte sich der Papst nicht nehmen lassen, ganz hoch in den Norden nach Vanimo an die Grenze nach Indonesien zu fliegen. Und da war er tatsächlich ganz nah an Westpapua dran. Dieses Gebiet, in das auch Menschenrechtler nicht einfach so frei ein und ausreisen können. Da hatte er also die Gelegenheit, Leute, die über die Grenze kamen, aus diesem Krisengebiet, eben von Papua-Neuguinea, vom Nachbarland aus, zu treffen.
Pope: In Osttimor ist der Papst ja gefeiert worden wie ein Superstar…
Stefan von Kempis: ?Ja, es war ja der erste Papstbesuch seit der Unabhängigkeit von 2002 im womöglich katholischsten Land der Erde, wenn man rein auf die Zahlen schaut. Die verhassten indonesischen Besatzer waren eben bis 2002 Muslime gewesen und die katholische Kirche hatte sich sehr stark für die Unabhängigkeit des Landes eingesetzt und Schutz geboten. Das haben viele Timoresen im Laufe der Jahrzehnte dann sozusagen damit belohnt, dass sie in die katholische Kirche eingetreten sind. Also Osttimor war nicht immer schon so katholisch. Das ist es angesichts seiner schwierigen Geschichte in den letzten Jahrzehnten erst geworden. Das kann man schon mit Polen oder Irland vergleichen, wo ebenfalls das Nationalgefühl und das religiöse Empfinden fast ununterscheidbar miteinander verschmolzen sind.
Pope: Was ist mit dem Thema Missbrauch bei dieser Papstreise?
Stefan von Kempis: ?Ja, das hat so gut wie keine Rolle gespielt. Erstaunlicherweise, muss ich sagen, denn gerade in Osttimor gab es da einen sehr prominenten Fall, nämlich den früheren Bischof Carlos Ximenes Belo, der sogar Friedensnobelpreisträger war, und den Unabhängigkeitskampf der Osttimoresen gewaltfrei unterstützt hat.
Gegen ihn wurden vor zwei Jahren sehr schwere Missbrauchsvorwürfe bekannt, und daraufhin hat der Vatikan Sanktionen gegen ihn verhängt. Belo lebt in einem Kloster in Portugal, das er nicht verlassen darf. Er hat also jetzt auch bei der Papstreise keine Rolle gespielt und ist nicht aufgetaucht. Aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum der Papst das Thema Missbrauch nicht direkt angesprochen hat, auch nicht in Osttimor.
Pope: Was bringt so eine Papstreise eigentlich?
Stefan von Kempis: ?Das ist eine gute Frage. Und dazu gibt es seit neuerer Zeit tatsächlich auch eine Studie von Forschern aus Brüssel und Hamburg. Die kommen zu einem positiven Befund. Sie können zwar natürlich nicht beurteilen, ob die Menschen in den Ländern, die ein Papst besucht, hinterher gläubiger sind als zuvor. Aber sie finden messbare Fortschritte in der Menschenrechtslage von Ländern, die ein Papst besucht, sogar schon bevor der Papst überhaupt eintrifft.
Auf der großen Bühne der Weltpolitik wird ein Papst ja nicht nur als Leiter einer Glaubensgemeinschaft der katholischen Kirche gesehen, sondern vor allem als ein Vorkämpfer für die Menschenrechte. Und sobald ein Papst seinen Besuch in einem Land auch nur ankündigt, dann entsteht so ein Druck, auch durch die internationale Medienaufmerksamkeit, dass eben die politisch Verantwortlichen in diesen Ländern sehr oft ganz schnell Verbesserungen der Menschenrechtslage vornehmen, noch bevor ein Papst eintrifft. Das ist jetzt der Befund dieser zwei Forscher (der Hamburger Rechtswissenschaftler Jerg Gutmann und sein Brüsseler Kollege Marek Endrich, Anm.).
Aber es ist schon seltsam, Papstreisen jetzt rein durch die Brille der Menschenrechte zu sehen. Eigentlich müsste man messen: Wie stark ist der Glaube der Menschen dadurch gestärkt worden? Wie schön war das Fest, dass die Menschen dem Papst bereitet haben. Das sind eben Feste des Glaubens, solche Papstreisen. Und wenn man ein Fest organisiert, sagt man ja auch nicht hinterher: Was hat das jetzt konkret gebracht? Haben sich die Kosten gelohnt? Sondern man blickt zurück und sagt Es war ein richtig schönes und auch interessantes Fest.“
(vatican news)
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