Wortlaut: ?Neuer Schwung für Evangelisierung in Osttimor“
Auslassungen werden durch (…) markiert. Der Landesname Timor-Leste wurde im Text durch das im Deutschen gängige Osttimor ersetzt. Sämtliche Wortmeldungen des Papstes in ihrer offiziellen Fassung werden auf der
ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS
Begegnung mit Bischöfen, Priestern, Diakonen,
Gottgeweihten, Seminaristen und Katecheten
Liebe Brüder im Bischofsamt,
liebe Priester und Diakone, Ordensmänner, Ordensfrauen und Seminaristen,
liebe Katecheten, Brüder und Schwestern, guten Morgen! (...)
Ich freue mich, bei euch zu sein, im Rahmen dieser Reise, die mich als Pilger in die Länder des Ostens führt. Ich danke Erzbischof Norberto de Amaral für die Worte, die er an mich gerichtet hat und mit denen er daran erinnert hat, dass Osttimor ein Land ?an den Grenzen der Erde“ ist. (...) Und – so möchte ich sagen – gerade, weil es am Rande liegt, befindet es sich im Zentrum des Evangeliums! (...) Denn im Herzen Christi – das wissen wir – haben die Peripherien einen zentralen Platz: Das Evangelium ist voll von Personen, Figuren und Geschichten, die sich an den Rändern, an den Grenzen befinden, die aber von Jesus gerufen werden und zu Protagonisten jener Hoffnung werden, die er uns bringt.
Ich freue mich mit euch und für euch, denn ihr seid die Jünger des Herrn in diesem Land. Als ich an eure Mühen gedacht habe und an die Herausforderungen, denen ihr euch stellen müsst, ist mir eine sehr eindrucksvolle Passage aus dem Johannesevangelium in den Sinn gekommen, die von einer Szene der Zärtlichkeit und Vertrautheit erzählt, die sich im Haus der Freunde Jesu, Lazarus, Marta und Maria, zugetragen hat (vgl. Joh 12,1-11). In einem bestimmten Moment während des Mahls »nahm Maria ein Pfund echtes, kostbares Nardenöl, salbte Jesus die Füße und trocknete sie mit ihren Haaren. Das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt« (V. 3).
Maria salbt die Füße Jesu und dieser Duft erfüllt das ganze Haus. Genau dabei möchte ich mit euch verweilen: der Duft, der Wohlgeruch Christi und seines Evangeliums, ist ein Geschenk, (...) das wir bewahren müssen und den zu verbreiten wir gerufen sind. Den Duft bewahren, den Duft verbreiten. (...) Denken wir darüber nach.
Erstens: Den Duft bewahren. Wir müssen immer wieder zurückkehren zum Ursprung des empfangenen Geschenks unseres Christseins, unseres Priesterseins, unseres Lebens als Ordensleute und Katecheten. Wir haben das Leben Gottes selbst durch seinen Sohn Jesus empfangen, der für uns gestorben ist und uns den Heiligen Geist geschenkt hat. Wir sind gesalbt worden mit dem Öl der Freude und der Apostel Paulus schreibt: »Wir sind Christi Wohlgeruch für Gott« (2 Kor 2,15).
Liebe Brüder und Schwestern, ihr seid der Wohlgeruch Christi! Und dieses Symbol ist euch nicht fremd. Hier in Timor wächst Sandelholz im Überfluss, mit seinem Duft, der auch bei anderen Völkern und Nationen sehr geschätzt und begehrt ist. Die Bibel selbst lobt seinen Wert, wenn sie berichtet, dass die Königin von Saba König Salomo besuchte und ihm Sandelholz [deutsche Einheitsübersetzung: Almuggimholz] zum Geschenk machte (vgl. 1 Kön 10,12). (...)
Brüder und Schwestern, ihr seid der Duft des Evangeliums in diesem Land. (...) Wie ein immergrüner, starker Sandelbaum, der wächst und Früchte trägt, seid auch ihr missionarische Jünger, mit dem Wohlgeruch des Heiligen Geistes, um das Leben eures heiligen, treuen Volkes Gottes zu beseelen.
Eines sollten wir jedoch nicht vergessen: Der vom Herrn empfangene Wohlgeruch muss sorgsam bewahrt werden, (...) so wie Maria von Betanien ihn eigens für Jesus aufbewahrt hatte. (...) Auch wir müssen die Liebe, mit der der Herr unserem Leben Wohlgeruch verliehen hat, bewahren, damit sie sich nicht verflüchtigt und ihren Duft verliert. Was bedeutet das? Es bedeutet, sich der empfangenen Gabe bewusst zu sein, sich daran zu erinnern, dass der Duft nicht für uns selbst bestimmt ist, sondern dafür, die Füße Christi zu salben, indem wir das Evangelium verkünden und den Armen dienen; es bedeutet, wachsam gegenüber uns selbst zu sein, weil Mittelmäßigkeit und geistliche Lauheit stets auf uns lauern. (...)
Und ich möchte noch etwas hinzufügen: Wir blicken mit Dankbarkeit auf die Geschichte zurück, die sich vor uns ereignet hat, auf den Samen des Glaubens, der hier von den Missionaren gesät wurde, (...) auf die Schulen für die Ausbildung. Aber ist das genug? Nein! In der Tat müssen wir die Flamme des Glaubens immer wieder neu entfachen. Deshalb möchte ich euch sagen: Vernachlässigt es nicht, die christliche Lehre zu vertiefen und in eurer geistlichen, katechetischen und theologischen Ausbildung zu reifen; denn all dies dient dazu, das Evangelium in eurer Kultur zu verkünden und sie gleichzeitig von archaischen und manchmal abergläubischen Formen und Traditionen zu reinigen. (...) Es gibt viele wertvolle Dinge in eurer Kultur, ich denke insbesondere an den Glauben an die Auferstehung und an die Gegenwart der Seelen der Verstorbenen; aber all dies muss stets im Licht des Evangeliums und der Lehre der Kirche gereinigt werden. Engagiert euch dafür, denn »jede Kultur und jede gesellschaftliche Gruppe bedarf der Läuterung und der Reifung« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 69).
Kommen wir zum zweiten Aspekt: Den Duft verbreiten. Die Kirche ist dazu da, das Evangelium zu verkünden, und wir sind gerufen, den anderen den sanften Duft des neuen Lebens des Evangeliums zu bringen. Maria von Betanien benutzt das kostbare Nardenöl nicht, um sich selbst schön zu machen, sondern um die Füße Jesu zu salben, und so erfüllt der Duft das ganze Haus. (...) Das Markusevangelium berichtet sogar, dass Maria das Alabastergefäß mit dem duftenden Öl zerbricht, um Jesus zu salben (vgl. 14,3). Evangelisierung geschieht, wenn wir den Mut haben, das Gefäß, in dem sich das duftende Öl befindet, zu ?zerbrechen“, die ?Schale“ zu zerbrechen, die uns oft in uns selbst verschließt, und herauszutreten aus einer mittelmäßigen, bequemen Religiosität, die nur für den persönlichen Bedarf gelebt wird. Mir hat die Formulierung gefallen, die Schwester Rosa in ihrem Zeugnis verwendet hat: eine Kirche in Bewegung, eine Kirche, die nicht stillsteht, die nicht um sich selbst kreist, sondern von der Leidenschaft verzehrt wird, allen die Freude des Evangeliums zu bringen.
Auch euer Land, das in einer langen christlichen Geschichte verwurzelt ist, braucht heute neuen Schwung bei der Evangelisierung damit der Duft des Evangeliums alle erreicht: der Duft der Versöhnung und des Friedens nach den leidvollen Jahren des Krieges; der Duft des Mitgefühls, der den Armen hilft, wieder auf die Beine zu kommen und zu einem Engagement zugunsten der wirtschaftlichen und sozialen Geschicke des Landes anregt; einen Duft der Gerechtigkeit gegen die Korruption. (...) Und insbesondere muss der Duft des Evangeliums gegen alles verbreitet werden, was das menschliche Leben erniedrigt, entstellt und sogar zerstört, gegen jene Plagen, die innere Leere und Leid erzeugen, wie Alkoholismus, Gewalt und mangelnder Respekt vor der Würde der Frauen. Das Evangelium Jesu hat die Kraft, diese dunklen Wirklichkeiten zu verwandeln und eine neue Gesellschaft zu schaffen. (...)
Liebe Freundinnen und Freunde, diese Aufrüttlung durch das Evangelium ist notwendig, und deshalb brauchen wir leidenschaftliche, qualifizierte und kreative Priester, Ordensleute und Katecheten. (...) Und ich danke Herrn Florentino für sein Zeugnis, einem Katechisten, der einen Großteil seines Lebens diesem wunderbaren Dienst gewidmet hat. Insbesondere den Priestern möchte ich sagen: Ich habe gehört, dass das Volk euch mit viel Zuneigung begegnet und euch ?Amu“ nennt, was hier der wichtigste Titel ist, es bedeutet ?Herr“. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass ihr euch dem Volk überlegen fühlt. Du kommst aus dem Volk! Du wurdest von Müttern des Volkes geboren! Du bist im Volk aufgewachsen! Vergiss nicht die Kultur des Volkes, die Du erhalten hast. (...) Es darf euch nicht zur Versuchung des Stolzes und der Macht verleiten (...). Denken wir daran: Mit dem Öl werden die Füße Christi gesalbt, die die Füße unserer Brüder und Schwestern im Glauben sind, angefangen bei den Ärmsten. Eine Geste, die die Gläubigen hier vollziehen, wenn sie euch Priestern begegnen, ist vielsagend: Sie nehmen eure gesalbte Hand und führen sie als Zeichen des Segens an ihre Stirn. Es ist schön, in diesem Zeichen die Zuneigung des heiligen Volkes Gottes zu sehen, denn der Priester ist ein Segenswerkzeug. Er darf seine Rolle niemals, niemals ausnutzen, er muss immer segnen, trösten, ein Diener des Mitgefühls und ein Zeichen der Barmherzigkeit Gottes sein. (...)
Liebe Brüder und Schwestern, ein portugiesischer Diplomat aus dem 16. Jahrhundert, Tomé Pires, hat folgendes geschrieben: ?Malaiische Kaufleute sagen, dass Gott Timor wegen des Sandelholzes erschaffen hat“ (The Summa Oriental, London 1944, 204). Wir wissen jedoch, dass es noch einen anderen Duft gibt, (...) den Wohlgeruch Christi und des Evangeliums, der das Leben reich macht und mit Freude erfüllt. (...)
Verliert nicht den Mut! Daran hat uns Pater Sancho in seinem bewegenden Zeugnis erinnert: »Gott weiß, wie er für diejenigen sorgen wird, die er berufen und ausgesandt hat«. (...) Ich segne euch von Herzen. Und ich bitte euch, für mich zu beten. (...) Danke. (...)
(vatican news)
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