Wortlaut: Franziskus bei der Vigil mit Jugendlichen in Lissabon
Liebe Brüder und Schwestern, guten Abend!
Es macht mir so viel Freude, euch zu sehen! Danke, dass ihr angereist seid, dass ihr einen Weg zurückgelegt habt, und danke, dass ihr hier seid! Und ich denke, dass auch die Jungfrau Maria eine Reise unternehmen musste, um Elisabeth zu sehen: "Sie stand auf und ging eilends" (Lk 1,39). Man fragt sich: Warum steht Maria auf und eilt zu ihrer Cousine? Sicher, sie hat gerade erfahren, dass ihre Cousine schwanger ist, aber sie ist es auch: Warum geht sie dann, wenn sie niemand gefragt hat? Maria macht eine ungefragte und unangemessene Geste; Maria geht, weil sie liebt, und »wer liebt, der fliegt, der läuft mit Freude« (Nachfolge Christi, III, 5). Das ist es, was die Liebe mit uns macht.
Die Freude Marias ist zweifach: Sie hatte gerade die Ankündigung des Engels erhalten, dass sie den Erlöser empfangen würde, und außerdem die Nachricht, dass ihre Cousine schwanger war. Interessant ist, dass sie nicht an sich selbst denkt, sondern an die andere. Und warum? Weil die Freude missionarisch ist, die Freude ist nicht für einen selbst, sie soll etwas bringen. Ich frage euch: Ihr, die ihr hier seid, die ihr gekommen seid, um euch zu treffen, um die Botschaft Christi zu finden, um einen schönen Sinn des Lebens zu finden, wollt ihr das für euch behalten oder wollt ihr es den anderen bringen? Was meint ihr dazu? Ich kann euch nicht hören...! Es ist, es den anderen zu bringen, denn die Freude ist missionarisch! Lasst es uns alle gemeinsam wiederholen: Freude ist missionarisch! Und so bringe ich diese Freude zu den anderen.
Aber diese Freude, die wir haben, haben uns andere bereitet, um sie zu empfangen. Schauen wir zurück auf all das, was wir erhalten haben: All das hat unsere Herzen auf die Freude vorbereitet. Wir alle haben, wenn wir zurückblicken, Menschen, die ein Lichtblick in unserem Leben waren: Eltern, Großeltern, Freunde, Priester, Ordensleute, Katecheten, Animatoren, Lehrer... Sie sind wie die Wurzeln unserer Freude. Lasst uns jetzt einen Moment der Stille einlegen und an diejenigen denken, die uns im Leben etwas gegeben haben, die wie die Wurzeln der Freude sind.
Habt ihr etwas gefunden? Habt ihr Gesichter, Geschichten gefunden? Die Freude, die durch diese Wurzeln kam, ist das, was wir zu geben haben, denn wir haben Wurzeln der Freude. Und auf dieselbe Weise können wir Wurzeln der Freude für andere sein. Es geht nicht darum, eine vorübergehende Freude zu bringen, eine Freude des Augenblicks; es geht darum, eine Freude zu bringen, die Wurzeln schafft. Und ich frage mich: Wie können wir Wurzeln der Freude werden?
Die Freude liegt nicht in der verschlossenen Bibliothek - auch wenn man studieren muss! - sondern sie liegt woanders. Sie wird nicht hinter Schloss und Riegel aufbewahrt. Die Freude muss man suchen, sie muss entdeckt werden. Sie muss im Dialog mit anderen entdeckt werden, wo wir die Wurzeln der Freude, die wir empfangen haben, weitergeben müssen. Und das ermüdet uns zuweilen. Ich stelle euch eine Frage: Seid ihr manchmal müde? Denkt daran, was passiert, wenn man müde ist: Man hat keine Lust mehr, etwas zu tun, wie wir auf Spanisch sagen, man wirft das Handtuch, weil man keine Lust mehr hat, weiterzumachen, und dann gibt man auf, hört auf zu gehen und fällt. Glaubt ihr, dass ein Mensch, der im Leben stürzt, der einen Misserfolg hat, der sogar schwere, schwere Fehler begeht, dass sein Leben vorbei ist? Nein! Was ist zu tun? Aufstehen!
Nun, das ist ein bisschen wie Gehen, Beständigkeit beim Gehen. Und im Leben, um etwas zu erreichen, muss man sich das Gehen antrainieren. Manchmal haben wir keine Lust zu laufen, wir haben keine Lust zu kämpfen, wir schreiben in Prüfungen ab, weil wir keine Lust haben zu lernen, und wir bekommen das Ergebnis nicht. Ich weiß nicht, ob jemand von euch Fußball mag..., ich mag es. Was verbirgt sich hinter einem Tor? Eine Menge Training. Was steht hinter einem Ergebnis? Eine Menge Übung. Und im Leben kann man nicht immer das tun, was man will, sondern das, was uns dazu bringt, die Berufung zu tun, die wir in uns tragen - jeder hat seine eigene Berufung. Gehen. Und wenn ich falle, stehe ich wieder auf, oder jemand hilft mir, wieder aufzustehen; nicht hinzufallen. Ich kann trainieren, mich selbst zum Gehen erziehen. Und all das ist möglich, nicht weil wir etwa einen Weitergeh-Kurs belegen - es gibt keine Kurse, die uns beibringen, wie man im Leben geht -: das lernt man, lernt man von den Eltern, lernt man von den Großeltern, lernt man von Freunden, man hilft sich gegenseitig. Im Leben lernt man, und das ist die Ausbildung zum Gehen.
Ich überlasse euch diese Tipps. Geht und, wenn ihr fallt, steht wieder auf; geht mit einem Ziel; trainiert jeden Tag im Leben. Im Leben ist nichts umsonst, alles muss bezahlt werden. Nur eines ist umsonst: die Liebe von Jesus! Mit dieser Freiheit, die wir haben - der Liebe Jesu - und mit dem Willen zu gehen, lasst uns in der Hoffnung gehen, lasst uns auf unsere Wurzeln schauen und vorwärts gehen, ohne Angst. Habt keine Angst. Ich danke euch! Auf Wiedersehen!
(vatican news - gs)
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