Unsere Sommerserie: Benedikt XVI. und die Betrachtung des Sch?nen
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Der verstorbene deutsche Papst Benedikt XVI. war davon überzeugt, dass man durch das Betrachten des Schönen zur Gotteserfahrung kommen kann. Das führte er in einem Vortrag aus, den er im Jahr 2002 gehalten und anschließend in unseren Studios noch einmal für uns aufgesprochen hat. Damals hieß er noch Joseph Ratzinger und war Kardinal, Präfekt der Glaubenskongregation; drei Jahre später wurde er zum Papst gewählt.
Diese Aufnahmen Joseph Ratzingers / Benedikts XVI.‘ gehören zu den Schätzen in unserem Tonarchiv. In unserer Sommerserie 2023 stellen wir den Hörerinnen und Hörern unseres Radio-Programms jeweils am Ende unserer täglichen Sendung die schönsten Gedanken aus diesem Vortrag vor, gesprochen von Joseph Ratzinger selbst.
?Wer an Gott glaubt, an den Gott, der sich gerade in der entstellten Gestalt des Gekreuzigten als Liebe bis zum Letzten geoffenbart hat, der weiß, dass die Schönheit Wahrheit und dass die Wahrheit Schönheit ist“: Mit diesem Gedanken steigt der spätere Papst ein. ?Aber im leidenden Christus lernt er auch, dass die Schönheit der Wahrheit Verwundung, Schmerz, ja das dunkle Geheimnis des Todes einschließt und nur in der Annahme des Schmerzes, nicht an ihm vorbei gefunden werden kann. Der Pfeil der Sehnsucht trifft den Menschen, verwundet ihn und beflügelt ihn geradezu, zieht ihn nach oben.“
Das Bach-Konzert in München
Die Überlegungen von Ratzinger-Benedikt haben im Lauf der Jahrzehnte nichts von ihrer eindringlichen Schlüssigkeit verloren. Sie berühren auch deswegen, weil seine Persönlichkeit durchscheint. ?Mir bleibt unvergessen das Bachkonzert, das Leonard Bernstein in München dirigiert hat. Ich saß neben dem evangelischen Landesbischof Hanselmann. Als der letzte Ton einer der großen Kantaten triumphal verklungen war, schauten wir uns spontan an und sagten ebenso spontan zueinander: Wer das gehört hat, weiß, dass der Glaube wahr ist…“
?Die Vernunft hat eine wächserne Nase“
Auch der Humor, der hier und da aufblitzt, hat etwas Bestechendes. Etwa wenn der Mann, der als Papst beharrlich die Vereinbarkeit von Glaube und Vernunft proklamiert hat, in dieser Aufnahme seufzt, alles sei ?so gescheit, so einleuchtend“, man könne fast (wie mittelalterliche Theologen das taten) auf den Gedanken kommen, ?die Vernunft habe eine wächserne Nase, das heißt, man könne sie, wenn man nur geschickt genug ist, nach den verschiedensten Richtungen herumdrehen“.
Ein Plädoyer gegen Fake News
Mit Nachdruck erklärt Joseph Ratzinger in unserer Sommerserie, dass der eigentliche Wahrheitsbeweis des Christlichen zum einen die Heiligen seien ?und zum anderen die Schönheit, die der Glaube hervorgebracht hat“. Lange vor der US-Präsidentschaft Donald Trumps hält der spätere Papst hier ein Plädoyer gegen Fake News: ?Nicht die Lüge ist wahr, sondern die Wahrheit! Es ist sozusagen ein neuer Trick der Lüge, dass sie sich selbst als solche darstellt und sagt: Über mich hinaus gibt es letztlich nichts; hört auf, nach der Wahrheit zu suchen oder gar sie zu lieben.“
17 Ausschnitte unserer Sommerserie entstammen Ratzingers ?Betrachtung des Schönen“; 14 weitere sind einem weiteren Vortrag entlehnt, den er gegen Ende der neunziger Jahre über die Versuchungen Jesu für uns aufgesprochen hat. Über die Luzidität seiner Ausführungen hinaus kann es Zuhörende auch ergreifen, die freundliche Stimme dieses Mannes wieder zu hören, der acht Jahre lang Papst war (2005-13) und am Silvestertag des letzten Jahres von uns gegangen ist. Hier treffen wir nochmal auf den ganzen Joseph Ratzinger: die Klarheit seiner Gedanken, vermittelt in bayerischem Zungenschlag. Ein Sommer-Juwel…
(vatican news)
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