Wortlaut: Papst Franziskus beim Angelus
Sämtliche Wortmeldungen des Papstes finden Sie in ihrer amtlichen Fassung auf der I
„Liebe Brüder und Schwestern, schönen Sonntag!
Das Evangelium dieses dritten Adventssonntags berichtet von Johannes dem Täufer, der seine Jünger ins Gefängnis schickt, um Jesus zu fragen: ‚Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?‘ (Mt 11,4). Johannes, der von den Taten Jesu erfährt, wird von Zweifeln geplagt, ob er wirklich der Messias ist oder nicht.
Er dachte an einen strengen Messias, der kommen und mit Macht Recht sprechen würde, indem er die Sünder züchtigt. Doch Jesus hat im Gegenteil Worte und Gesten des Mitgefühls für alle; im Mittelpunkt seines Handelns steht die Barmherzigkeit, durch die ‚Blinde wieder sehend werden, Lahme gehen, Aussätzige geheilt werden, Taube hören, Tote auferweckt werden, den Armen das Evangelium verkündet wird‘ (vgl. V. 6). Es tut uns aber gut, sich mit dieser Krise des Täufers ... zu beschäftigen, weil sie auch uns etwas Wichtiges sagen kann.
Der Text unterstreicht, dass Johannes im Gefängnis ist, und das lässt uns neben dem physischen Ort auch an die innere Situation denken, die er durchlebt: Im Gefängnis herrscht Dunkelheit, es gibt keine Möglichkeit, klar zu sehen und darüber hinaus zu blicken. In der Tat kann der Täufer in Jesus nicht mehr den erwarteten Messias erkennen und schickt, von Zweifeln geplagt, seine Jünger zur Überprüfung...
Wir sind erstaunt, dass dies ausgerechnet Johannes passiert, der Jesus doch im Jordan getauft hat und ihn seinen Jüngern als das Lamm Gottes vorstellte (vgl. Joh 1,29). Das bedeutet aber, dass auch der größte Gläubige durch den Tunnel des Zweifels geht. Und dieser Tnnel des Zweifels wird keinem erspart. Und das ist nichts Schlechtes; im Gegenteil, manchmal ist es für das geistliche Wachstum unerlässlich: Es hilft uns zu verstehen, dass Gott immer größer ist, als wir ihn uns vorstellen; die Werke, die er vollbringt, sind überraschend im Vergleich zu unseren Berechnungen; seine Handlungen sind anders, sie übersteigen unsere Bedürfnisse und Erwartungen; und deshalb dürfen wir nie aufhören, ihn zu suchen und uns zu seinem wahren Gesicht zu bekehren.
Ein großer, fähiger Theologe pflegte zu sagen, dass Gott ‚in Etappen wiederentdeckt werden muss... manchmal in dem Glauben, dass wir ihn verlieren‘ (H. DE LUBAC, Sulle vie di Dio, Milano 2008, 25)... Das ist es, was der Täufer tut: Im Zweifel sucht er ihn immer noch, fragt ihn, ‚diskutiert‘ mit ihm und findet ihn schließlich wieder. Johannes, der von Jesus als der Größte unter den von Frauen Geborenen bezeichnet wird (vgl. Mt 11,11), lehrt uns, kurz gesagt, Gott nicht in unsere eigenen Pläne einzuschließen. Das ist immer eine Gefahr, eine Versuchung: uns einen Gott nach unserem Mass zu machen, ihn zu instrumentalisieren...
Brüder und Schwestern, auch wir können uns manchmal in seiner Situation befinden, in einem inneren Gefängnis, unfähig, die Neuheit des Herrn zu erkennen, den wir vielleicht in der Anmaßung gefangen halten, dass wir schon alles über ihn wissen. Brüder und Schwestern - nie weiß man alles über Gott. Nie! Vielleicht haben wir in unseren Köpfen einen mächtigen Gott, der tut, was er will, und nicht den Gott der Sanftmut, der Barmherzigkeit und der Liebe, der immer eingreift und dabei unsere Freiheit und unsere Entscheidungen respektiert. Vielleicht kommen wir auch, um ihm zu sagen: ‚Bist du wirklich du, so demütig, der Gott, der kommt, um uns zu retten? Ich verstehe nicht...'.
Und etwas Ähnliches kann uns auch mit unseren Brüdern passieren: Wir haben unsere eigenen Vorstellungen, unsere eigenen Vorurteile, und wir drücken anderen ein starres Etikett auf - vor allem denen, die wir als verschieden von uns wahrnehmen. Der Advent ist also eine Zeit des Umdenkens..., in der wir uns von der Größe der Barmherzigkeit Gottes überraschen lassen. Das Staunen - Gott weckt immer Staunen... Eine Zeit, in der wir bei der Vorbereitung der Krippe für das Jesuskind neu lernen, wer unser Herr ist; eine Zeit, in der wir aus bestimmten Mustern und Vorurteilen gegenüber Gott und unseren Brüdern und Schwestern ausbrechen; der Advent ist eine Zeit, in der wir, anstatt an Geschenke für uns selbst zu denken, den Verwundeten Worte und Gesten des Trostes schenken können, wie Jesus es bei den Blinden, Tauben und Lahmen tat.
Möge die Gottesmutter uns in diesen Tagen der Vorbereitung auf Weihnachten als Mutter an die Hand nehmen und uns helfen, in der Kleinheit des Kindes die Größe des kommenden Gottes zu erkennen.“
(vatican news – pfarrer werner demmel/sk)
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