Wortlaut: Papst beim Friedensgebet in der Kathedrale von Awali
Eure Königliche Hoheit,
Herr Justizminister,
wir danken Ihnen für Ihre Anwesenheit, die uns ehrt.
»Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadokien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Kyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber – wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden« (Apg 2,9-11).
Eure Heiligkeit, lieber Bruder Bartholomäus, liebe Brüder und Schwestern, diese Worte scheinen für uns heute geschrieben zu sein: Aus so vielen Völkern und Sprachen, aus so vielen Gegenden und Riten sind wir hier zusammen, und zwar wegen der großen Taten Gottes! Sind wir im Frieden, nicht wahr? Wie an jenem Pfingstmorgen, als man nichts verstehen konnte ... In Jerusalem fühlten sie sich am Pfingsttag, obwohl sie aus vielen Gegenden kamen, in einem einzigen Geist vereint: Heute wie damals ist die Vielfalt der Herkunft und der Sprachen kein Problem, sondern ein Gewinn. Ein antiker Schriftsteller schrieb: »Wenn jemand zu einem von uns sagt: Du hast den Heiligen Geist empfangen, warum sprichst du nicht in allen Sprachen? So musst du antworten: Natürlich spreche ich in allen Sprachen, denn ich gehöre zum Leib Christi, das heißt zur Kirche, die alle Sprachen spricht« (Rede eines afrikanischen Autors aus dem 6. Jahrhundert: PL 65, 743).
Brüder, Schwestern, das gilt auch für uns, denn »durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen« (1 Kor 12,13). Leider haben wir mit unseren Trennungen den heiligen Leib des Herrn verwundet, aber der Heilige Geist, der alle Glieder vereint, ist größer als die Spaltungen an diesem Leib. Es ist daher richtig zu sagen, dass das, was uns eint, bei weitem das übersteigt, was uns trennt, und dass wir, je mehr wir nach dem Geist wandeln, um so mehr dazu gebracht werden, die volle Einheit unter uns herbeizusehnen und sie mit Gottes Hilfe wiederherzustellen.
Kehren wir zum Pfingsttext zurück. Als ich darüber nachdachte, kamen mir zwei Elemente in den Sinn, die mir für unseren gemeinschaftlichen Weg nützlich erscheinen und die ich daher mit euch teilen möchte. Das sind die Einheit in Verschiedenheit und das Lebenszeugnis.
Die Einheit in Verschiedenheit. Zu Pfingsten, so heißt es in der Apostelgeschichte, waren die Jünger »alle zusammen am selben Ort« (2,1). Wir sehen, dass der Geist, der auf jeden Einzelnen herabkommt, dennoch den Zeitpunkt wählt, an dem sie alle zusammen sind. Sie konnten auch getrennt voneinander Gott anbeten und ihren Nächsten Gutes tun, aber es geschieht, als sie einmütig beisammen sind, dass sich die Türen für Gottes Wirken öffnen. Das christliche Volk ist aufgerufen, zusammenzukommen, damit sich Gottes Wunder verwirklichen. Hier in Bahrain als kleine Herde Christi zu leben, auf verschiedene Orte und Konfessionen verstreut, hilft uns, zu erkennen, wie notwendig es ist, eins zu sein und den Glauben miteinander zu teilen: So wie es in diesem Archipel nicht an stabilen Verbindungen zwischen den Inseln fehlt, so möge es auch unter uns sein, damit wir nicht isoliert sind, sondern in geschwisterlicher Gemeinschaft.
Brüder und Schwestern, ich frage mich: Wie können wir die Einheit stärken, wenn Geschichte, Gewohnheit, Verpflichtungen und Entfernungen uns anscheinend in andere Richtungen ziehen? Welches ist der ?Ort der Begegnung“, der ?geistige Abendmahlsaal“ unserer Gemeinschaft? Es ist der Lobpreis Gottes, den der Geist in allen weckt. Der Lobpreis isoliert nicht, verschließt uns nicht in uns selbst und in unsere eigenen Bedürfnisse, sondern führt uns in das Herz des Vaters hinein und verbindet uns so mit all unseren Brüdern und Schwestern. Das Gebet des Lobes und der Anbetung ist das höchste Gebet: Es ist uneigennützig und bedingungslos, es zieht die Freude des Geistes an, reinigt das Herz, stellt die Harmonie wieder her und heilt die Einheit. Das Gebet des Lobes ist das Gegenmittel gegen die Traurigkeit, gegen die Versuchung, uns durch unsere innere Schwachheit und unsere äußere Unterzahl beunruhigen zu lassen. Wer lobt, achtet nicht auf die Kleinheit der Herde, sondern findet es schön, zu den Kleinen des Vaters zu gehören. Der Lobpreis, der es dem Geist gestattet, seine Tröstungen in uns auszugießen, ist ein gutes Mittel gegen Einsamkeit und Heimweh. Er lässt uns die Nähe des Guten Hirten spüren, auch wenn das Fehlen von Hirten in der Nähe, das an diesen Orten häufig vorkommt, schwer wiegt. Der Herr liebt es, gerade in unseren Wüsten neue und ungeahnte Wege zu öffnen und Quellen lebendigen Wassers sprudeln zu lassen (vgl. Jes 43,19). Der Lobpreis und die Anbetung führen uns dorthin, zu den Quellen des Geistes, und bringen uns zurück zu den Ursprüngen, zur Einheit.
Es wird euch guttun, das Lob Gottes weiter zu pflegen, um noch mehr Zeichen der Einheit für alle Christen zu sein! Setzt auch die schöne Gewohnheit fort, anderen Gemeinschaften Gottesdienstgebäude zur Verfügung zu stellen, um den einzigen Herrn anzubeten. Tatsächlich gibt es nicht nur hier auf der Erde, sondern auch im Himmel eine Spur des Lobes, die uns vereint. Das ist jene der vielen christlichen Märtyrer verschiedener Konfessionen – wie viele gab es davon in den letzten Jahren im Nahen Osten und auf der ganzen Welt! Wie viele! Sie bilden nun einen einzigen Sternenhimmel, der denen den Weg weist, die in den Wüsten der Geschichte unterwegs sind: Wir haben das gleiche Ziel, wir sind alle zur Fülle der Gemeinschaft in Gott berufen.
Wir sollten jedoch bedenken, dass die Einheit, zu der wir unterwegs sind, eine Einheit in Verschiedenheit ist. Und das ist wichtig zu bedenken: Einheit bedeutet nicht alle sind gleich, nein, Einheit in der Unterschiedlichkeit. Der Pfingstbericht legt dar, dass jeder die Apostel »in seiner Sprache« sprechen hörte (Apg 2,6): Der Geist prägt nicht eine für alle identische Sprache, sondern lässt jeden die Sprachen der anderen sprechen (vgl. V. 4) und lässt jeden seine eigene von anderen gesprochen hören (vgl. V. 11). Kurzum, er schließt uns nicht in Gleichförmigkeit ein, sondern er macht uns bereit, uns in Verschiedenheit anzunehmen. Dies geschieht bei denen, die nach dem Geist leben: Sie lernen, jedem Bruder und jeder Schwester im Glauben als Teil des Leibes zu begegnen, dem sie angehören. Dies ist der Geist des ökumenischen Weges.
Meine Lieben, fragen wir uns, wie wir auf diesem Weg voranschreiten. Bin ich – Hirte, Dienstbeauftragter, Gläubiger – offen für das Wirken des Geistes? Erlebe ich die Ökumene als eine Last, als eine zusätzliche Verpflichtung, als eine institutionelle Pflicht oder als den Herzenswunsch Jesu, dass wir ?eins“ werden (Joh 17,21); als eine Sendung, die aus dem Evangelium hervorgeht? Was tue ich konkret für die Brüder und Schwestern, die an Christus glauben und die nicht ?die Meinen“ sind? Kenne ich sie, suche ich sie, interessiere ich mich für sie? Halte ich Abstand und verhalte mich förmlich, oder versuche ich, ihre Geschichte zu verstehen und ihre Besonderheiten zu würdigen, ohne sie als unüberwindbare Hindernisse zu betrachten?
Nach der Einheit in Verschiedenheit kommen wir zum zweiten Element: dem Lebenszeugnis. Zu Pfingsten öffnen sich die Jünger, sie kommen aus dem Abendmahlssaal heraus. Von da an werden sie in die ganze Welt hinausgehen. Jerusalem, das ihr Endpunkt zu sein schien, wird zum Ausgangspunkt eines außergewöhnlichen Abenteuers. Die Angst, die sie in ihre Häuser einschloss, ist nur noch eine ferne Erinnerung: jetzt gehen sie überall hin, aber nicht, um sich von den anderen zu unterscheiden, auch nicht, um die Gesellschafts- und Weltordnung zu revolutionieren, sondern um durch ihr Leben die Schönheit der Liebe Gottes in jeden Winkel auszustrahlen. Das, was wir zu sagen haben, ist nicht so sehr eine Sache von Worten, sondern ein Zeugnis, das Taten aufweisen muss; der Glaube ist kein Privileg, das man für sich beansprucht, sondern ein Geschenk, das man miteinander teilen muss. Wie es in einem antiken Text von den Christen heißt: »Sie bewohnen nirgendwo eigene Städte, bedienen sich keiner abweichenden Sprache und führen auch kein absonderliches Leben […]; jede Fremde ist ihnen Vaterland […] Sie weilen auf Erden, aber ihr Wandel ist im Himmel. Sie gehorchen den bestehenden Gesetzen und überbieten in ihrem Lebenswandel die Gesetze. Sie lieben alle« (Brief an Diognet, V). Sie lieben alle: das ist das christliche Unterscheidungsmerkmal, das Wesen des Zeugnisgebens. Hier in Bahrain zu sein, hat es vielen von euch erlaubt, die wahre Schlichtheit der Liebe wiederzuentdecken und zu praktizieren: Ich denke an die Hilfe, die den ankommenden Brüdern und Schwestern zuteilwird, an eine christliche Präsenz, die in alltäglicher Demut, an den Arbeitsstätten Verständnis und Geduld, Freude und Sanftmut, Wohlwollen und eine Gesinnung des Dialogs bezeugt. Mit einem Wort: Frieden.
Es wird uns guttun, auch uns selbst über unser Zeugnisgeben zu befragen, denn mit der Zeit kann es geschehen, dass wir einfach aus Gewohnheit weitermachen und darin nachlassen, Jesus im Geist der Seligpreisungen, durch die Kohärenz und die Güte des Lebens, durch ein friedfertiges Verhalten zu verkünden. Fragen wir uns, jetzt da wir gemeinsam für den Frieden beten: Sind wir wirklich Menschen des Friedens? Sind wir von dem Wunsch beseelt, überall die Sanftmut Jesu zum Ausdruck zu bringen, ohne etwas als Gegenleistung zu erwarten? Machen wir die Not, die Wunden und die Zerstrittenheit, die wir um uns herum sehen, zu unserer eigenen Not, indem wir sie ins Herz und ins Gebet hineinnehmen?
Brüder und Schwestern, ich wollte mit euch diese Gedanken über die Einheit, die der Lobpreis stärkt, und über das Zeugnis, das die Liebe kräftigt, teilen. Einheit und Zeugnis sind in gleicher Weise wesentlich: Wir können kein echtes Zeugnis für den Gott der Liebe ablegen, wenn wir nicht untereinander geeint sind, so wie er es wünscht; und wir können nicht geeint sein, wenn jeder für sich lebt, ohne sich für das Zeugnis zu öffnen, ohne die Grenzen unserer Interessen und unserer Gemeinschaften im Namen des Geistes zu weiten, der alle Sprachen umfasst und alle erreichen will.
Lassen Sie mich einen Gedanken hinzufügen: Der Heilige Geist schafft an diesem Tag eine große Vielfalt, es scheint eine große Unordnung zu sein. Aber derselbe Geist, der die Vielfalt der Charismen schenkt, ist derselbe Geist, der die Einheit schafft, aber die Einheit als Harmonie. Der Geist ist Harmonie, wie ein großer Kirchenvater sagte: ipse harmonia est - Er ist Harmonie. Wir beten darum, dass diese Harmonie zwischen uns entsteht.
Der Heilige Geist führt zusammen und sendet aus, er versammelt eine Gemeinschaft und sendet sie aus mit einem Auftrag. Vertrauen wir ihm im Gebet unseren gemeinsamen Weg an und bitten wir, er möge über uns ausgegossen werden in einem erneuten Pfingsten, das unserem Weg der Einheit und des Friedens neue Perspektiven eröffnet und unsere Schritte beschleunigt.
(vatican news)
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