Wortlaut: Franziskus beim Angelus
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Das Evangelium der heutigen Liturgie legt uns ein Gleichnis vor, das zwei Protagonisten hat, einen Pharisäer und einen Zöllner (vgl. Lk 18,9-14), also einen religiösen Menschen und einen stadtbekannten Sünder. Beide gehen in den Tempel, um zu beten, aber nur der Zöllner richtet sich wirklich an Gott in der Höhe, weil er demütig in die Tiefen seiner eigenen Wahrheit hinabsteigt und sich so zeigt, wie er ist - ohne Masken und in seiner ganzen Armut. Wir könnten also sagen, dass sich das Gleichnis zwischen zwei Bewegungen abspielt, die ihrerseits wieder durch zwei Verben ausgedrückt werden: hinaufsteigen und hinabsteigen.
Hinaufsteigen
Die erste Bewegung ist die nach oben. Tatsächlich beginnt der Text mit den Worten: ?Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten“ (V. 10). Dieser Aspekt erinnert an viele Episoden in der Bibel, in denen man, um dem Herrn zu begegnen, auf den Berg seiner Gegenwart steigt: Abraham steigt auf den Berg, um das Opfer darzubringen; Mose besteigt den Sinai, um die Gebote zu empfangen; Jesus geht auf den Berg, wo er verklärt wird. Der Aufstieg drückt also das Bedürfnis des Herzens aus, sich von einem flachen Leben zu lösen, um dem Herrn zu begegnen; sich aus den Tiefen unseres Egos zu erheben, um zu Gott aufzusteigen; das, was wir im Tal leben, zu sammeln, um es vor den Herrn zu tragen. Das ist das Hinaufsteigen. Und wenn wir beten, steigen wir hinauf.
Hinabsteigen
Aber um die Begegnung mit dem Herrn zu erleben und durch das Gebet verwandelt zu werden, um uns zu Gott zu erheben, brauchen wir die zweite Bewegung: den Abstieg. Was heißt das? Um uns zum Herrn zu erheben, müssen wir in uns selbst hinabsteigen: die Aufrichtigkeit und Demut des Herzens kultivieren, die uns einen ehrlichen Blick auf unsere Schwächen und unsere Armut ermöglicht. In der Demut werden wir nämlich fähig, Gott ohne Verstellung zu sagen, was wir sind – mit den Grenzen und Wunden, den Sünden und dem Elend, die auf unserem Herzen lasten –, und seine Barmherzigkeit anzurufen, damit er uns heilt und aufrichtet. Er ist es, der uns aufrichtet, nicht wie selbst. Je mehr wir in der Demut hinabsteigen, desto mehr erhöht uns Gott.
Tatsächlich bleibt der Zöllner im Gleichnis demütig ganz hinten stehen (vgl. V. 13), er nähert sich nicht, er schämt sich. Er bittet um Vergebung, und der Herr erhöht ihn. Der Pharisäer dagegen erhöht sich selbst, selbstbewusst und überzeugt, dass er alles richtig macht: Er steht da und redet mit dem Herrn nur über sich selbst, er lobt sich selbst, zählt all seine guten religiösen Werke auf und verachtet die anderen. "Nicht wie dieser dort!" Denn das tut der geistliche Hochmut. Aber Pater, warum reden Sie mit uns über geistlichen Hochmut? Weil wir alle dieser Gefahr ausgesetzt sind. Der geistliche Hochmut verleitet dich dazu, dich selbst für gut zu halten und die anderen zu verurteilen. Das ist geistlicher Hochmut: Mir gehts gut, ich bin der Beste von allen, undsoweiter. Und so betest du, ohne es zu merken, dein eigenes Ich an und löscht deinen Gott aus. Das ist das Gebet ohne Demut.
Brüder und Schwestern, der Pharisäer und der Zöllner betreffen einen jeden von uns ganz nahe. Lasst uns im Gedenken an sie auf uns selbst schauen: Lasst uns sehen, ob auch wir sind wie die Pharisäer, ?die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten“ (V. 9). Das passiert zum Beispiel, wenn wir nach Komplimenten lechzen und ständig unsere eigenen Verdienste und guten Taten herausstellen, wenn wir uns mehr um den Schein als um das Sein sorgen; wenn wir uns von Narzissmus und dem Hang zur Selbstdarstellung vereinnahmen lassen. Hüten wir uns vor Narzissmus und Selbstdarstellung: vor der Geltungssucht, die auch uns Christen, uns Priester, uns Bischöfe dazu verleitet, immer ein bestimmtes Wort auf den Lippen zu haben. Welches Wort? Ich, ich ich. ?Ich habe dies getan, ich habe das geschrieben, ich habe das gesagt, ich habe das schon vor euch verstanden“, und so weiter. Wo es zu viel Ich gibt, da gibt es wenig Gott.
Bei mir zu Hause nennt man solche Leute ?Ich, mir, mit mir, für mich, nur ich". Einmal sprach man von einem Priester, der so auf sich selbst fixiert war, dass die Leute im Scherz über ihn sagten: ?Wenn der in der Messe den Weihrauch benutzt, dann dreht er das Gefäß um und beweihräuchert sich selbst." Das geht ins Lächerliche.
Bitten wir um die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, der demütigen Magd des Herrn, lebendiges Abbild dessen, was der Herr zu vollbringen liebt, wenn er die Mächtigen vom Thron stürzt und die Niedrigen erhöht (vgl. Lk 1,52).
(vaticannews - skr)
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