Papst: Die Freude der Kirche ist die Evangelisierung
Am Marienwallfahrtsort Ta‘ Pinu auf Gozo stand Papst Franziskus an diesem Samstagabend der Gebetsbegegnung vor, nachdem er mit dem Katamaran von der Hauptinsel Malta übergesetzt war. Zahlreiche Malteser hatten sich ebenfalls auf die Insel aufgemacht, die ein eigenes Bistum in Malta ist, um dort gemeinsam mit dem Papst zu beten. Um 17.30 Uhr landete der Papst mit etwas Verspätung gegenüber dem ursprünglichen Programm am Hafen der Schwesterinsel Maltas in Begleitung des maltesischen Kurienkardinals Mario Grech, Generalsekretär der Bischofssynode, und von Charles Scicluna, Erzbischof von Malta. Ein kurzer Weg vom Hafen Richtung Heiligtum in einem weißen Kleinwagen, dann der Wechsel ins offene Papamobil. Anschließend ging es zum Seiteneingang der Basilika. Vor dem Bildnis der Gottesmutter versenkte sich Franziskus zunächst in stilles Gebet, bevor er sein Geschenk an den Wallfahrtsort, eine Goldene Rose, überreichte.
Schließlich trat der Papst auf den Vorplatz der Basilika, wo mehrere tausend Gläubige (nach offiziellen Angaben waren es etwa 3000) auf ihn warteten. Für seine Predigt ging der Papst von den Worten des Johannesevangeliums aus, das bei der Begegnung auf maltesisch verlesen wurde (Joh 19,24-27). Maria und Johannes stehen unter dem Kreuz, und angesichts seines Todes vertraut Jesus sie einander an. Eine düstere Stunde, in der „alles verloren scheint“, die jedoch den „Beginn eines neuen Lebens“ markiert, betonte Franziskus: „Wenn wir auf das Kreuz blicken, betrachten wir die barmherzige Liebe Christi, der seine Arme weit für uns öffnet und uns durch seinen Tod die Freude des ewigen Lebens ermöglicht. Von seiner letzten Stunde her tut sich neues Leben auf; mit dieser Stunde des Todes beginnt eine neue Zeit voller Leben, die Zeit der Geburt der Kirche.“
Es gelte, zu diesem Anfang zurückzukehren, das „Wesentliche des Glaubens wiederzuentdecken“, ohne jedoch die ersten Schritte der jungen Kirche zu verherrlichen oder zu kopieren: „Wir können nicht ,die Geschichte überspringen‘, als ob der Herr nicht auch in späteren Jahrhunderten große Dinge im Leben der Kirche kundgetan und gewirkt hätte. Es bedeutet auch nicht, zu idealistisch zu sein und sich einzubilden, dass es in dieser Gemeinschaft keine Schwierigkeiten gab. Im Gegenteil: wir lesen, dass die Jünger diskutierten und auch miteinander in Streit gerieten und dass sie die Lehren des Herrn nicht immer verstanden.”
Der Geist der ersten christlichen Gemeinschaft
Zu den Ursprüngen zurückzukehren bedeute deshalb vor allem, den „Geist der ersten christlichen Gemeinschaft wieder zu wecken“, also „zum Wesentlichen zurückzukehren“ und „die Mitte des Glaubens ɾܱԳٻ“&Բ;: „Die Beziehung zu Jesus und die Verkündigung seines Evangeliums an die ganze Welt. Das ist das Wesentliche!“
Sofort nach der Auferstehung Jesu begannen die ersten Jünger, die Frohe Botschaft zu künden, die Trauer in Freude zu verwandeln, ohne dass es ihnen um Ansehen oder Einfluss ging. Das Leben der Kirche stelle jedoch nicht nur eine „vergangene Geschichte“ dar, die der Erinnerung diene, sondern eine „große Zukunft, die nach Gottes Plänen gestaltet werden will.”
„Ein Glaube, der nur aus überlieferten Bräuchen, großen Feiern, schönen volkstümlichen Anlässen, starken und emotionalen Momenten besteht, kann uns nicht genügen; wir brauchen einen Glauben, der in der persönlichen Begegnung mit Christus, im täglichen Hören auf sein Wort, in der aktiven Teilnahme am Leben der Kirche, in der Seele der Volksfrömmigkeit gründet und erneuert.”
In seinen Überlegungen blendete der Papst auch nicht die mit der zunehmenden Säkularisierung verbundenen Herausforderungen aus, denen sich die Kirche Maltas und weltweit gegenübersieht. Eine veraltete religiöse Struktur, die den Schein wahre, sei jedoch nicht das richtige Gegenmittel, gab Franziskus zu bedenken: „Wir müssen darauf achten, dass die religiösen Praktiken nicht einfach zu einer Wiederholung eines Repertoires aus der Vergangenheit verkommen, sondern Ausdruck eines lebendigen, offenen Glaubens sind, der die Freude des Evangeliums ausstrahlt, denn die Freude der Kirche ist die Evangelisierung.”
In diesem Zusammenhang würdigte der Papst den Erneuerungsprozess, der auch in Malta mit der Rezeption des Synodalen Weges begonnen hat. „Scheut euch nicht, neue, vielleicht sogar riskante Wege der Evangelisierung und Verkündigung zu beschreiten, die das Leben berühren – wie ihr das ja bereits tut“, ermutigte der Papst die Malteser, auf diesem eingeschlagenen Weg weiterzugehen.
An den Anfang zurückzukehren, nahm Franziskus seinen eingangs eingeführten Gedankengang wieder auf, bedeute aber auch, „eine Kultur der Annahme zu entwickeln“. Jesu Worte am Kreuz, mit denen er seine Mutter und Johannes einander anvertraute, seien auch ein „konkreter Hinweis darauf, wie das erste Gebot, das der Liebe, zu leben ist. Die Anbetung Gottes vollzieht sich in der Nähe zu den Brüdern und Schwestern.“
Die gegenseitige Annahme stelle eine „ständige Herausforderung“ dar, die auch für die Kirche gelte, räumte Franziskus ein. „Aber dieses Annehmen ist auch der Lackmustest dafür, wie sehr die Kirche tatsächlich vom Geist des Evangeliums durchdrungen ist.“ Doch dies könne nicht nur auf die Mitglieder der eigenen Gemeinschaft beschränkt bleiben, während andernorts Menschen unter Gewalt, Armut und Elend litten, warnte Franziskus.
„Ihr befindet euch in einer bedeutenden geografischen Lage zum Mittelmeer hin, euer Land ist Anziehungspunkt und rettender Landungsplatz für viele Menschen, die von den Stürmen des Lebens hin und her geworfen werden und aus unterschiedlichen Gründen an euren Küsten ankommen. In diesen armen Menschen kommt Christus selbst zu euch.“ Aufgabe der Kirche sei es also, „aufzunehmen“ und „menschlich zu sein“ und mit Liebe zu handeln, wenn andere in Schwierigkeiten seien, so der Papst unter Bezug auf die Erzählung vom Schiffbruch des Apostels Paulus vor Malta und dessen Aufnahme durch die Malteser. „Und auch in diesem Fall führte ein dramatisches Ereignis zu etwas Wichtigem, denn Paulus verkündete und verbreitete das Evangelium, und später folgten viele Verkünder, Prediger, Priester und Missionare seinen Fußstapfen“, betonte Franziskus, der einen besonderen Dank an die maltesischen Missionare richtete, „die die Freude des Evangeliums in der ganzen Welt verbreiten“. Abschließend erneuerte er seine Einladung, „zum Wesen des Christentums zurückkehren: zur Liebe zu Gott, dem Antrieb unserer Freude, der uns dazu bringt, auf die Straßen der Welt zu gehen und unsere Mitmenschen anzunehmen, darin besteht unser einfachstes und schönstes Zeugnis vor der Welt.“
Vier Zeugnisse und eine Rose
Vier Malteser hatten während der Zeremonie vor dem Evangelium dem Papst ihr Zeugnis dessen vorgetragen, was sie bedrückt und was sie mit dem Marienheiligtum verbinden, darunter auch Domenico und Sandi, ein Ehepaar, das im Verlauf ihrer Ehe mit der fortschreitenden Sklerose-Erkrankung von Sandi fertigwerden musste.
In seiner Rede reagierte der Papst nicht nur verständnisvoll auf die einzelnen Zeugnisse, sondern er nahm auch Bezug auf die Geschichte des Marienwallfahrtsortes, der – ursprünglich als kleine verwahrloste Kapelle – dem Abriss geweiht schien. Zu Beginn der Abrissarbeiten Ende des 16. Jahrhunderts brach ein Bauarbeiter sich den Arm – was als Zeichen interpretiert wurde, das Gebäude stehen zu lassen. Ein Mann namens Pinu Gauci übernahm die verlassene Kapelle und renovierte sie. Der Name „von Pinu“, auf maltesisch „ta‘ Pinu“ ist dem Wallfahrtsort bis heute geblieben.
Im Jahr 1883 kam eine einfache Bauersfrau an der seit langem ungenutzten Kirche vorbei und hörte durch die offenen Türen aus dem Gebäude eine Stimme, die sie aufforderte, drei Ave Maria zu beten. Sie kam der Aufforderung nach; unabhängig von ihr erhielt ein anderer Bewohner Gozos dieselbe Aufforderung, die er befolgte – und dessen schwer kranke Mutter wurde überraschend gesund. Weitere wundersame Heilungen wurden der Fürsprache der Gottesmutter in Ta‘ Pinu zugeschrieben. Das Heiligtum erlebte im Lauf der Zeit einen großen Pilgeransturm. Bis heute hat sich der Brauch gehalten, dort drei Ave Maria zu beten. Als Geschenk hinterließ der Papst eine goldene Rose, die er dem Bischof von Gozo für den Wallfahrtsort überreichte. Es ist den Päpsten vorbehalten, an Marienwallfahrtsorten eine Goldene Rose zu stiften.
(vatican news – cs)
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