Mag der Papst keine Haustiere?
Mario Galgano – Vatikanstadt
Sätze wie ?Papst kritisiert Paare, die keine Kinder haben wollen“ und das Bild eines griesgrämig blickenden Franziskus kursieren derzeit auf Facebook. Das habe der Papst am vergangenen Mittwoch gesagt. Gleichzeitig habe er sich lustig gemacht über jene Paare, die statt Kindern Haustiere hätten - das sorgte ebenfalls für Debatten vor allem in deutsch- und englischsprachigen Facebook- und Twitter-Gruppen.
Der britische Vatikan-Korrespondent Christopher Lamb ordnete am Freitag im Interview der BBC die jüngsten Papst-Aussagen ein. Es sei Franziskus weniger um Haustiere als vielmehr um Prioritäten gegangen, so Lamb. Der Papst stelle ?einen Lebensstil des konsumorientierten Materialismus in Frage, der keinen Platz für die Opfer lässt, die die Erziehung von Kindern erfordert“, so der Journalist. Natürlich könne man fragen, ?ob Kritik an jenen, die Haustiere haben, der beste Weg ist, um Materialismus zu thematisieren“. Der demografische Winter in westlichen Gesellschaften sei aber ein Thema, das den Papst aus Argentinien schon länger umtreibe.
Was hat Papst Franziskus konkret und wortwörtlich gesagt? Hier die offizielle deutsche Übersetzung, die wir auf unserer Homepage veröffentlicht hatten:
?Neulich sprach ich über den demografischen Winter, den wir heute erleben - dass die Menschen keine Kinder haben wollen, oder zumindest eines und nicht mehr. Und viele, viele Paare haben keine Kinder, weil sie nicht wollen, oder sie haben eines und nicht mehr - aber sie haben zwei Hunde, zwei Katzen ... Ja, Hunde und Katzen ersetzen Kinder. Ja, das bringt einen zum Lachen, das verstehe ich, aber es ist die Realität.“
Einige der überwiegend italienischen Zuhörer in der Audienzhalle lachten kurz mit. Sie hatten wohl nicht nur jene Landsleute vor Augen, die ihre Kleinkinder mitunter kitschig herausputzen, sondern auch jene, die das Gleiche mit ihrem Haustier tun. Franziskus sprach hier von Prioritäten; er äußerte sich nicht grundsätzlich gegen Tierliebe.
Dann fügte der Papst noch einen weiteren Abschnitt an:
?Und diese Verleugnung der Vater- und Mutterschaft setzt uns herab, nimmt uns die Menschlichkeit. Und so wird die Gesellschaft älter und unmenschlicher, weil der Reichtum der Vaterschaft und der Mutterschaft verloren geht. Und das Vaterland leidet, weil es keine Kinder hat und - wie einer mal etwas humorvoll sagte - ,und wer zahlt jetzt die Steuern für meine Rente, da es keine Kinder gibt?': …das ist die Wahrheit. Wer wird sich um mich kümmern?“
Niedrige Geburtenrate in Italien
Solche Äußerungen hat der Papst schon einmal gemacht: im Mai 2020 sagte Franziskus dasselbe bei einem nationalen Kongress, der sich mit der niedrigen Geburtenrate in Italien ebenso befasste wie mit strukturellen Schwierigkeiten für Familien, Eltern und Kinder. Franziskus weiß um diese Probleme, benennt sie in Ansprachen immer wieder. Neben einer übertriebener Tierliebe erwähnte er am Mittwoch auch das Leid jener Paare, die keine Kinder bekommen können.
Wie unsere Kollegen von der Katholischen Nachrichten-Agentur KNA hervorheben, hat Italien seit langem die niedrigste Geburtenrate in der EU: 6,8 pro 1.000 Einwohner im Jahr 2020 (Deutschland 9,3, Österreich 9,4, Schweiz 9,9). Statt Kinderwagen und Buggys sehe man in Italiens Straßen, Bussen und Bars schon mal Paare, die Hunde, teils auch Katzen, in Taschen auf dem Rücken oder vor dem Bauch tragen. Buggys und Rollkoffer dienen ebenfalls dem Transport geliebter Vierbeiner. Vor diesem Hintergrund hat Franziskus wohl diese spontane Bemerkung gemacht.
Der Papst und die Tierliebe
Als Meilenstein für einen anderen Umgang mit den Tieren galt vielen die 2015 von Papst Franziskus veröffentlichte Umwelt-Enzyklika ?Laudato si“. Darin preist Franziskus seinen heiligen Namensvetter aus dem Mittelalter, den Schutzpatron der Tiere, als Vorbild. Gleich ihm betont der Papst den Eigenwert der Tiere: ?Der letzte Zweck der anderen Geschöpfe sind nicht wir.“ Der heilige Franziskus von Assisi könne als ein christlicher Tierschützer der ersten Stunde gelten. Mit Papst Franziskus gesprochen widerspricht also jegliche Grausamkeit gegenüber irgendeinem Geschöpf letztlich auch der Würde des Menschen.
Und das ist nicht nur die Haltung des Papstes innerhalb der katholischen Kirche. Anfang Oktober etwa verlangten Italiens Bischöfe in ihrer Botschaft zum Tag des heiligen Franziskus von Assisi mehr Tierschutz und artgerechte Haltung - ob zu Hause oder in der Landwirtschaft. Sie erinnerten aber auch daran: Tiere sind keine Menschen. Diesen Unterschied gelte es doch bitte zu beachten.
Blick auf das Gemeinwohl
Zurück zur Generalaudienz vom vergangenen Mittwoch: Das Thema der Papstansprache vom vergangenen Mittwoch war Josef als Ziehvater Jesu. Von daher kam Franziskus auf eine nicht-leibliche Vaterschaft zu sprechen. Zum Vater werde ein Mann nicht allein, weil er ein Kind zeuge, sondern indem er Verantwortung übernehme. Dies wiederum täten Adoptiveltern, aber auch geistliche oder pädagogische Mentoren.
Der Papst befürchtet, vielerorts komme der menschliche Aspekt von Mutter- und Vaterschaft überhaupt zu kurz. Und so fordert er auch Einsatzwillen, Verzicht und Opfer um des Gemeinwohls willen. Am Freitag wies er eine Gruppe französischer Unternehmer auf ihre Verantwortung für Angestellte und deren Familienleben hin. Aber auch von Paaren und Familien fordert er deren Beitrag zum Gemeinwohl der Gesellschaft.
Es geht ihm - zumal angesichts von Überbevölkerung - nicht darum, dass Paare möglichst viele Kinder bekommen sollten. Das Klischee von Katholiken, ?die sich wie Karnickel vermehren“, wies er schon vor Jahren klar zurück und forderte eine verantwortungsvolle Elternschaft, wie die KNA in einem Hintergrundbericht hervorhebt.
Bei der Generalaudienz am Mittwoch sprach der Papst deshalb von den vielen Kindern weltweit, die dringend verantwortungsvolle Erwachsene brauchen, die sich ihrer annehmen. Adoption sei ?eine der höchsten Formen von Liebe“, auch weil sie riskant sei. Sein Appell für erleichterte Adoptionsverfahren hatte es angesichts teils fragwürdiger internationaler Vermittlungspraktiken durchaus in sich. Aber das stieß auf wenig Resonanz.
(vatican news/kna)
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