Papst und Pal?stinenser-Pr?sident fast eine Stunde im Gespr?ch
Mario Galgano – Vatikanstadt
Die Audienz für Abbas beim Papst Franziskus dauerte etwa 50 Minuten. Beim Austausch von Geschenken überreichte der palästinensische Präsident dem Papst ein Buch über die Geburtsbasilika in Bethlehem und eine Bernsteindarstellung der Geburtsgrotte. Franziskus revanchierte sich mit einem Bronzeguss, der vor dem Hintergrund der Peterskolonnade zwei ineinander verschränkte Hände zeigt, dazu eine Frau mit Kind und ein Schiff mit Migranten und die Aufschrift ?Lasst uns unsere Hände mit anderen Händen füllen“. Dann überreichte der Papst dem Präsidenten die Bände der von ihm verfassten Dokumente, die diesjährige Friedensbotschaft, das Dokument über menschliche Brüderlichkeit und das Buch über die Statio Orbis vom 27. März 2020, herausgegeben von dem vatikanischen Buchverlag ?Lev“.
Bei den anschließenden Gesprächen im Staatssekretariat sei erneut die dringende Notwendigkeit des direkten Dialogs zur Erreichung der Zwei-Staaten-Lösung betont worden, auch mithilfe eines stärkeren Einsatzes der internationalen Gemeinschaft, hieß es im auf die Begegnung folgenden Vatikanstatement. Auch der Status von Jerusalem war Vatikanangaben zufolge Gegenstand der Diskussionen. Die Stadt müsse von allen als Ort der Begegnung und nicht des Konfliktes anerkannt werden, ebenso wie sie - auch durch ein eigenes, international anerkanntes und geschütztes Statut - ihren Status als Heilige Stadt für die drei abrahamitischen Religionen bewahren müsse. Darüber hinaus sei über die Dringlichkeit gesprochen worden, sich für den Frieden einzusetzen, den Einsatz von Waffen zu vermeiden und alle Formen von Extremismus und Fundamentalismus zu bekämpfen.
Status von Jerusalem bewahren
Der Heilige Stuhl – und auch Papst Franziskus – hatte sich stets für eine Zwei-Staaten-Lösung im Konflikt zwischen Israel und Palästina ausgesprochen. Im vergangenen Sommer hatte der Vatikan versucht, im Annexionsstreit zwischen Israel, Palästina und den USA zu vermitteln. Der Vatikan hat in diesem Zusammenhang seine Unterstützung für eine Zwei-Staaten-Lösung ?in den vor 1967 international anerkannten Grenzen“ noch einmal bekräftigt. Im Juni 2014 nahm Abbas gemeinsam mit dem damaligen israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres an einem Friedensgebet in den vatikanischen Gärten teil.
Lage leicht verändert
Über die gegenwärtige Lage in der Krisenregion haben wir mit dem Kustos für das Heilige Land, dem norditalienischen Franziskaner Francesco Patton, gesprochen. Er sagt uns:
?Die Situation hat sich aus einer bestimmten Sicht seit Mai leicht verändert, trotz der Zusammenstöße in Gaza. Das neue Element ist, dass eine neue Regierung gebildet wurde und ich würde sagen, dass dieses Element sehr wichtig ist. Es gab zwar in der Vergangenheit mehrere Male mehr oder weniger geheime Dialoge und mehr oder weniger bekannten Persönlichkeiten der israelischen Regierung und der palästinensischen Behörde, die miteinander sprachen. Doch die aktuelle Situation ist immer noch stark bedingt durch die Gesundheitslage und hat gezwungenermaßen dazu geführt, dass man miteinander sprechen muss.“
Während Israel zu den ersten Staaten weltweit gehört, die eine breite Anti-Covid-Impfkampagne durchgeführt hatten, und bereits dritte Impfdosen verteilt, gehören die Palästinensern zu jenen Völkern, die noch kaum die erste Impfdosis erhalten haben. Doch neben dem Kampf gegen Corona gehe es um eine dauerhafte Friedenslösung, so Patton:
?Der Papst hat in Bezug auf die Situation im Nahen Osten immer die Notwendigkeit des Dialogs betont, und natürlich wissen wir, dass der palästinensische Präsident bei Treffen mit Papst Franziskus den Dialogs anmahnt. Papst Franziskus betont immer die Bedeutung friedlicher Lösungen durch Diplomatie und durch Vereinbarungen. Ich denke, dass Papst Franziskus den Dialog zwischen Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde vorantreiben will. Hoffen wir, dass sich der Dialog wirklich entspannt. Einen Weg des Friedens hat der Papst in der Enzyklika ,Fratelli tutti´ vorgegeben. Darin sagt der Heilige Vater, dass man Wahrheit mit Gerechtigkeit und Vergebung zusammenführen soll. Vergebung geht nicht allein. Die Erinnerung an gewalttätige Ereignisse und der Mut zu einer hinreichend objektiven historischen Rekonstruktion werden dadurch nicht ausgelöscht, und das ist eines der Probleme auf lokaler Ebene, denn die Art und Weise, wie die Lage erzählt wird, neigt oft dazu, den anderen auszugrenzen.“
Die Rolle der Christen
Hier könne und müssten die Christen im Heiligen Land als Brückenbauer einen Beitrag zur Versöhnung und zum Dialog leisten, so der Wunsch des Kustos.
Zur Erinnerung: Drohende Zwangsräumungen von palästinensischen Familien gelten als einer der Auslöser der jüngsten Eskalation zwischen Israel und der Hamas im Mai 2020. Eskaliert war der elftägige Konflikt unter anderem nach Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften am Tempelberg (Al-Haram al-Scharif) in Jerusalem und im arabischen Osten der Stadt. Die Hamas hatte Israel per Ultimatum aufgefordert, unter anderem die Sicherheitskräfte vom Tempelberg abzuziehen. Als Israel dem nicht nachkam, feuerten militante Palästinenser am 10. Mai Raketen auf Jerusalem ab. Im Zuge des Konflikts waren es israelischen Angaben zufolge insgesamt mehr als 4.360. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen auf den Gazastreifen.
(vatican news/ap/afp)
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