Generalaudienz: Die Katechese im Wortlaut
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
In diesen Tagen sprechen wir über die Freiheit des Glaubens und hören den Galaterbrief. Ich musste daran denken, was Jesus über die Spontaneität und Freiheit der Kinder gesagt hat, als dieses Kind (zu Beginn der Audienz hatte sich ein kleiner Junge Papst Franziskus genähert, der ihn spontan neben sich Platz neben ließ, Anm.) die Freiheit hatte, sich zu nähern und so zu benehmen, als wäre es zu Hause ... Jesus sagt uns: ?Auch ihr – wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen“. Den Mut, sich dem Herrn zu nähern, sich dem Herrn zu öffnen, keine Angst vor dem Herrn zu haben: Ich danke diesem Kind für die Lektion, die es uns allen erteilt hat! Und möge der Herr ihm in seiner Begrenzung und bei seinem Wachstum helfen, weil es dieses Zeugnis gegeben hat, das aus seinem Herzen kam. Kinder haben keinen automatischen Übersetzer vom Herzen zum Leben: Das Herz geht weiter. Ich danke Ihnen.
In seinem Brief an die Galater führt uns der Apostel Paulus Schritt für Schritt in die große Neuheit des Glaubens ein. Langsam, Schritt für Schritt voran - was ist die Neuheit des Glaubens? Es ist in der Tat eine große Neuheit, denn sie erneuert nicht nur einige Aspekte des Lebens, sondern führt uns direkt in das ?neue Leben“ ein, das wir in der Taufe empfangen haben. Dort ist das größte Geschenk – Kinder Gottes zu sein – über uns ausgegossen worden. In Christus wiedergeboren, sind wir von einer aus Vorschriften bestehenden Religiosität zu einem lebendigen Glauben übergegangen, dessen Mittelpunkt die Gemeinschaft mit Gott und mit den Brüdern und Schwestern ist, das heißt die Nächstenliebe. Wir sind von der Knechtschaft der Angst und der Sünde zur Freiheit der Kinder Gottes übergegangen. Und da ist es wieder, dieses Wort Freiheit…
Versuchen wir heute, besser zu verstehen, was für den Apostel der Kern dieser Freiheit ist, was ist ihr Kern? Paulus bekräftigt, dass sie alles andere als ?ein Vorwand für das Fleisch“ ist (Gal 5,13): Die Freiheit ist also keine freizügige Lebensweise, die dem Fleisch, dem Instinkt, individuellen Begierden und egoistischen Trieben folgt; nein. Im Gegenteil, die Freiheit Jesu führt – wie der Apostel schreibt – dazu, ?einander zu dienen“ (ebd.). ,Ist dies nicht Knechtschaft?‘ Oh ja, die Freiheit in Christus hat manche Knechtschaft, sie hat Dimensionen, die uns zum Dienste bringen, dahin, für andere da zu sein. Die wahre Freiheit drückt sich also in Nächstenliebe aus. Einmal mehr stehen wir vor dem Paradox des Evangeliums: Wir sind frei, wenn wir dienen, nicht in dem, was wir tun wollen. Wir sind frei, wenn wir dienen, dort entsteht die Freiheit; wir finden uns selbst in dem Maß, in dem wir uns hingeben. Wir finden uns selbst in dem Maß, in dem wir uns hingeben, haben wir den Mut, uns hinzugeben! Denn wir besitzen das Leben, wenn wir es verlieren (vgl. Mk 8,35). Das ist Evangelium in seiner reinsten Form.
Wie aber lässt sich dieses Paradox erklären? Denn es ist ein Paradox! Die Antwort des Apostels ist ebenso einfach wie anspruchsvoll: ?Durch die Liebe“ (Gal 5,13). Es gibt keine Freiheit ohne Liebe. Die egoistische Freiheit des ?Tuns, wie ich will“ ist keine Freiheit, denn sie kehrt zu sich selbst zurück, sie ist nicht fruchtbar. Freiheit hingegen durch Liebe: Es ist die Liebe Christi, die uns befreit hat, und die Liebe ist es auch, die uns von der schlimmsten Knechtschaft befreit, nämlich der unseres Egos. Und deshalb wächst die Freiheit mit der Liebe. Aber Vorsicht: damit ist nicht die Art von Liebe gemeint, wie sie uns in Seifenopern präsentiert wird; sie hat also nichts mit der Leidenschaft zu tun, die nur das sucht, was uns passt und was uns gefällt. Nein, gemeint ist die Liebe, die wir in Christus sehen, die Nächstenliebe: das ist die Liebe, die wirklich frei und befreiend ist. Es ist die Liebe, die sich im unentgeltlichen Dienst zeigt, nach dem Vorbild Jesu, der seinen Jüngern die Füße wäscht und sagt: ?Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe“ (Joh 13,15). Dient einander.
Für Paulus bedeutet Freiheit also nicht, dass man ?tut, was man will“, nein. Diese Art von Freiheit, ohne Ziel und ohne Bezugspunkte, wäre eine leere Freiheit, eine Zirkusfreiheit. Und so hinterlässt sie ja auch eine innere Leere: Wie oft stellen wir fest, dass eine große Leere bleibt, wenn wir nur unserem Instinkt gefolgt sind; dass wir dabei den Schatz unserer Freiheit, die Schönheit, das wahre Gute für uns selbst und für andere wählen zu können, missbraucht haben. Wahre Freiheit befreit uns immer, aber wenn wir diese Freiheit zu dem machen, was ich mag und was nicht, bleiben wir am Ende leer. Nur die wahre Freiheit ist vollständig und konkret; nur sie fügt uns in das reale Leben des Alltags ein.
Freiheit im Dienen
In einem anderen Schreiben, dem Ersten Brief an die Korinther, antwortet Paulus jenen, die eine falsche Vorstellung von Freiheit haben und meinen, alles sei erlaubt: ?Alles ist erlaubt“ – aha, alles ist erlaubt, alles geht. Nein, das ist eine falsche Vorstellung. ?Ja, aber nicht alles baut auf“, wäre dazu die Antwort. ?Alles ist erlaubt – aber nicht alles nützt“, antwortet Paulus. ?Alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf“, so der Apostel. Und dann fügt er noch hinzu: ?Denkt dabei nicht an euch selbst, sondern an die anderen!“ (1Kor 10,23-24). Das gibt die Regel vor, um jede egoistische Freiheit zu entlarven. Auch jenen, die versucht sind, die Freiheit nur auf das zu reduzieren, was ihnen gefällt, stellt Paulus die Notwendigkeit der Liebe vor Augen. Die von der Liebe geleitete Freiheit ist die einzige, die die anderen und uns selbst befreit; die zuzuhören versteht, ohne aufzudrängen; die zu lieben versteht, ohne Zwang; die aufbaut und nicht zerstört; die andere nicht zu ihrem Vorteil ausnutzt, sondern ihnen Gutes tut, ohne den eigenen Vorteil zu suchen. Kurz gesagt: wenn die Freiheit nicht im Dienst des Guten steht – das ist der Test – wenn die Freiheit nicht im Dienst des Guten steht, läuft sie Gefahr, unfruchtbar zu sein und keine Früchte zu tragen. Wenn die Freiheit nicht im Dienst des Guten steht, trägt sie keine Früchte. Die von der Liebe beseelte Freiheit dagegen führt uns den Armen zu, in deren Gesichtern wir das Antlitz Christi erkennen. Der gegenseitige Dienst lässt Paulus, der an die Galater schreibt, eine Anmerkung machen, die keineswegs nebensächlich ist: Wenn er von der Freiheit spricht, die ihm die anderen Apostel zur Evangelisierung gegeben haben, verweist er darauf, dass sie ihm nur eines empfohlen haben: an die Armen zu denken (vgl. Gal 2,10). Seltsam, dass die Apostel nach dem ideologischen Kampf zwischen Paulus und den Aposteln zustimmten, was die Apostel sagten. ?Geht nur, geht nur und vergesst die Armen nicht“. Dies bedeutet, dass eure Freiheit als Prediger eine Freiheit im Dienst der anderen ist, nicht für euch selbst, nicht um zu tun, was ihr wollt.
Freiheit braucht Bezug
Wir wissen aber, dass eine der gängigsten modernen Vorstellungen von Freiheit folgende ist: ?Meine Freiheit endet dort, wo deine beginnt“. Doch hier fehlt der Bezug! Es ist eine individualistische Vorstellung. Wer das Geschenk der Befreiung durch Jesus empfangen hat, kann unmöglich meinen, dass die Freiheit darin besteht, sich von den anderen fernzuhalten; sie als lästig zu empfinden; der kann den Menschen nicht als in sich selbst verschlossen sehen, sondern nur als Teil einer Gemeinschaft. Die soziale Dimension ist für einen Christen von grundlegender Bedeutung, da es ihm um das Gemeinwohl, und nicht um das persönliche Interesse geht.
Gerade in diesem historischen Moment müssen wir die gemeinschaftliche, und nicht die individualistische Dimension der Freiheit wiederentdecken: Die Pandemie hat uns gelehrt, dass wir einander brauchen. Aber es reicht nicht aus, das zu wissen. Wir müssen uns jeden Tag konkret dafür entscheiden. Lasst uns sagen und glauben, dass andere kein Hindernis für unsere Freiheit sind, sondern die Möglichkeit, diese Freiheit voll zu verwirklichen. Denn unsere Freiheit entsteht aus der Liebe Gottes und wächst in der Nächstenliebe.
(vaticannews – skr/pr)
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