Generalaudienz: Papst Franziskus und die Verrückte im Haus
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
?Man muss lernen, immer voran zu gehen“, sagte er bei seiner Generalaudienz, die trotz Windböen und Nieselregens im Damasushof des Vatikans unter freiem Himmel stattfand.
?Wahrer Fortschritt im spirituellen Leben besteht nicht in ständigen Ekstasen, sondern in der Fähigkeit, in schwierigen Zeiten auszuharren. Weitergehen, weitergehen - und wenn du müde wirst, ein bisschen innehalten und dann wieder weitergehen, mit Hartnäckigkeit!“
Der Verworrenheit nicht nachgeben
Beten sei nicht einfach, mit diesem Hinweis nahm der Papst den Faden seiner Rede bei der Generalaudienz von letzter Woche wieder auf. Das ?erste Problem“ für Beter sei die Zerstreuung. Eigentlich etwas ganz Normales: ?Dem menschlichen Geist fällt es schwer, lange bei einem einzigen Gedanken zu verweilen. Wir alle erleben diesen kontinuierlichen Wirbel von Bildern und Illusionen in ständiger Bewegung, der uns sogar im Schlaf begleitet.“
Doch dieser ?Verworrenheit“ solle der Beter nicht nachgeben, sondern sich stattdessen wie ein Sportler um ?mentale Disziplin“ bemühen. Dazu gehöre ?Wachsamkeit“, eine unterschätzte biblische Tugend. ?So oft sagt Jesus: Seid wachsam! Betet!“
Ein Zitat der hl. Teresa von Avila
Wie das mit der Zerstreuung so läuft, konnte Franziskus sehr plastisch schildern. ?Das ist die Ablenkung: Die Phantasie dreht sich und dreht sich. Die heilige Teresa (von Avila) nannte diese sich ständig während des Gebets weiterdrehende Phantasie die 'Verrückte im Haus' (la loca de la casa). Das ist wie eine Verrückte, die dich dazu bringt, dich ständig zu drehen...“
Aber nicht nur Ablenkung, sondern auch ?spirituelle Trockenheit“ setzt den Betenden häufig zu. Alle großen Lehrer des geistlichen Lebens hätten sie erlebt, diese dunkle Nacht der Seele. ?Die Trockenheit lässt uns an Karfreitag denken, an die Nacht und an den Karsamstag: Jesus ist nicht da, er liegt im Grab; Jesus ist tot; wir sind allein. Das ist der Grundgedanke der Trockenheit.“
Die Gefahr des grauen Herzens
Jeder kenne sie doch aus seinem eigenen Leben, die Tage der Niedergeschlagenheit und inneren Leere. ?Das sind diese grauen Tage - von denen gibt es viele im Leben. Aber die Gefahr besteht darin, auch ein graues Herz zu haben: wenn diese Niedergeschlagenheit bis zum Herzen vorstößt und es krank macht. Es gibt Menschen, die leben mit einem grauen Herzen.“
Doch das sei etwas Furchtbares, befand der Papst: Mit grauem Herzen lasse sich nicht richtig leben und nicht richtig beten. ?Das Herz muss immer offen und hell sein, damit das Licht des Herrn eintreten kann. Und wenn es nicht eintritt, dann muss man es voller Hoffnung erwarten, aber man darf es nicht im Grauen verschließen.“
Protest und Gebet
Und noch ein drittes Gebetshindernis benannte Franziskus: den Überdruss. ?Eine Art Depression“, die zum ?Tod der Seele“ führen könne. Gegen all diese Versuchungen helfe nur eines: dagegenhalten. Stur weitermachen.
?Wir müssen lernen zu sagen: ?Auch wenn Du, mein Gott, alles zu tun scheinst, damit ich aufhöre, an Dich zu glauben, bete ich weiter zu Dir‘. Gläubige hören nie auf zu beten!“ Solches Beten könne zwar mit ?Protest gegen Gott“ einhergehen und dazu führen, dass wir Gott die bohrende Frage ?Warum“ stellen, doch auch das sei Gebet.
?Oft wird ja auch ein Sohn ärgerlich über seinen Vater - das ist eine Form der Beziehung zum Vater. Weil er ihn als Vater anerkennt, wird er ärgerlich… Habt den Mut, zu Gott ?Aber warum?‘ zu sagen! Denn manchmal tut es gut, sich ein bisschen zu ärgern - es lässt nämlich diese Beziehung eines Sohns, einer Tochter zum Vater entstehen, die wir zu Gott haben sollten. Und selbst unsere schärfsten und bittersten Äußerungen wird er mit der Liebe eines Vaters aufgreifen und sie als einen Akt des Glaubens, als ein Gebet betrachten.“
(vatican news)
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