500 Jahre Christentum auf den Philippinen: Die Predigt im Wortlaut
?Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). Das ist das Herz des Evangeliums, der Grund unserer Freude. Der Inhalt des Evangeliums ist nämlich nicht eine Idee oder eine Lehre: es ist Jesus selbst, der Sohn, den der Vater uns geschenkt hat, damit wir das Leben haben. Jesus ist der Grund unserer Freude; es ist nicht eine schöne Theorie darüber, wie man glücklich wird, sondern die Erfahrung, auf dem Weg des Lebens begleitet und geliebt zu werden. ?Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab.“ Lasst uns einen Moment bei diesen beiden Aspekten verweilen, Brüder und Schwestern: ?er hat so sehr geliebt“, dass er seinen Sohn ?hingab.“
Erstens: Gott hat so sehr geliebt. Diese Worte, die Jesus an Nikodemus richtet – einen betagten Juden, der den Meister kennenlernen wollte –, helfen uns, das wahre Gesicht Gottes zu sehen. Er hat immer mit Liebe auf uns geblickt, und aus Liebe ist er in seinem fleischgewordenen Sohn in unsere Mitte gekommen. In ihm ist er gekommen, um uns an den Orten zu suchen, an denen wir uns verirrt haben; in ihm ist er gekommen, um uns nach unseren Stürzen wieder aufzurichten; in ihm hat er unsere Tränen geweint und unsere Wunden geheilt; in ihm hat er unser Leben für immer gesegnet. Wer an ihn glaubt – so heißt es im Evangelium –, der geht nicht verloren (ebd.). In Jesus hat Gott das letzte Wort über unser Leben gesprochen: Du bist nicht verloren, du bist geliebt. Geliebt für immer.
Wenn uns das Hören des Evangeliums und die Praxis unseres Glaubens nicht das Herz weiten, um uns die Größe dieser Liebe begreifen zu lassen, und wir vielleicht in eine traurige, verschlossene Religiosität abgleiten, dann ist das ein Zeichen dafür, dass wir innehalten, noch einmal der Verkündigung der frohen Botschaft lauschen müssen: Gott liebt dich so sehr, dass er dir sein ganzes Leben schenkt. Er ist kein Gott, der gleichgültig auf uns herabblickt, sondern ein Vater, der liebt und sich in unsere Geschichte einbringt; er ist kein Gott, der sich am Tod des Sünders erfreut, sondern ein Vater, dem daran gelegen ist, dass niemand verloren geht; er ist kein Gott, der verurteilt, sondern ein Vater, der uns mit der segnenden Umarmung seiner Liebe rettet.
Kommen wir zum zweiten Wort: Gott hat seinen Sohn ?hingegeben“. Gerade weil er uns so sehr liebt, gibt Gott sich selbst hin, bietet uns sein Leben an. Wer liebt, der geht immer aus sich heraus. Das ist die Dynamik der Liebe: sich zum Geschenk machen, sich hingeben. Die Liebe bietet sich immer an; sie gibt sich hin, sie verausgabt sich. Die Stärke der Liebe liegt darin, dass sie die Schale des Egoismus zertrümmert, die Dämme der nur allzu kalkulierten menschlichen Sicherheiten durchbricht, Mauern einreißt und Ängste überwindet, um sich selbst zum Geschenk zu machen. Wer liebt, riskiert lieber, sich hinzugeben, als zu verkümmern, indem er in sich selbst abgeschottet bleibt. Das ist der Grund, warum Gott aus sich herausgeht: weil er ?so sehr geliebt hat“. Seine Liebe ist so groß, dass er gar nicht anders kann, als sich uns zu schenken. Als das Volk auf der Wanderung durch die Wüste von giftigen Schlangen angegriffen wurde, ließ Gott Mose eine Schlange aus Kupfer anfertigen; im am Kreuz erhöhten Jesus aber ist er selbst gekommen, um uns von dem Gift zu heilen, das den Tod bringt. Er hat sich zur Sünde gemacht, um uns von der Sünde zu erlösen. Gott liebt uns nicht mit Worten: Er schenkt uns seinen Sohn, damit jeder, der ihn ansieht und an ihn glaubt, gerettet wird (vgl. Joh 3,14-15).
Je mehr man liebt, desto mehr wird man fähig, zu geben. Das ist auch der Schlüssel zum Verständnis unseres Lebens. Es ist schön, Menschen zu begegnen, die einander lieben und ihr Leben miteinander teilen. Von ihnen kann man dasselbe sagen wie von Gott: Sie lieben einander so sehr, dass sie ihr Leben hingeben. Was zählt, ist nicht nur, wie viel wir leisten oder verdienen; was zählt, ist vor allem die Liebe, die wir zu geben wissen.
Das ist die Quelle der Freude! Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen Sohn hingegeben hat. Daher die Einladung der Kirche an diesem Sonntag: ?Freut euch […], seid fröhlich, alle, die ihr traurig wart. Freut euch und trinkt euch satt an der Quelle göttlicher Tröstung“ (Eingangsantiphon; vgl. Jes 66,10-11). Ich denke zurück an das, was wir vor einer Woche im Irak erlebt haben: ein gemartertes Volk, das vor Freude gejubelt hat – dank Gott und seiner Barmherzigkeit.
Manchmal suchen wir Freude, wo es keine gibt: in Illusionen, die zerplatzen; in selbstherrlichen Träumen von der eigenen Größe; in der trügerischen Sicherheit materieller Dinge, im Personenkult... in vielen Dingen. Dabei lehrt uns doch die Erfahrung des Lebens, dass wahre Freude darin besteht, sich unentgeltlich geliebt zu fühlen; das Gefühl zu haben, dass jemand an unserer Seite ist, der unsere Träume teilt und der uns – wenn wir Schiffbruch erleiden – zu Hilfe kommt und uns in einen sicheren Hafen bringt.
Liebe Brüder und Schwestern, 500 Jahre sind vergangen, seit die christliche Verkündigung erstmals die Philippinen erreicht hat. Ihr habt die Freude des Evangeliums empfangen: dass Gott uns so sehr geliebt hat, dass er seinen Sohn für uns hingegeben hat. Und diese Freude kann man eurem Volk ansehen; man sieht sie in euren Augen, in euren Gesichtern, in euren Liedern und Gebeten. Die Freude, mit der ihr euren Glauben in andere Länder tragt. Wie oft habe ich gesagt, dass die philippinischen Frauen hier in Rom Boten des Glauben sind! Dort, wo sie zum Arbeiten hingehen, arbeiten sie - aber sie säen auch den Glauben. Und das ist - man erlaube mir diesen Ausdruck: eine Generationskrankheit -, aber es ist eine gesegnete Krankheit! Bewahrt sie euch! Bringt den Glauben, diese Verkündigung, die ihr vor 500 Jahren erhalten habt, und die ihr jetzt weitertragt. Ich möchte euch Dank sagen für die Freude, die ihr der ganzen Welt und den christlichen Gemeinschaften bringt. Ich denke wie gesagt an so viele schöne Erlebnisse in römischen Familien – und das gilt überall auf der Welt –, wo eure diskrete und eifrige Anwesenheit auch zu einem Zeugnis des Glaubens geworden ist. Ganz im Stil Marias und Josefs: Gott liebt es, die Freude des Glaubens durch einen demütigen und verborgenen, mutigen und ausdauernden Dienst zu bringen.
Und an diesem Jahrestag, der für das heilige Gottesvolk auf den Philippinen so wichtig ist, möchte ich euch auch auffordern, in eurem Evangelisierungswerk nicht nachzulassen, das kein Proselytismus ist. Das ist eine andere Sache. Die christliche Verkündigung, die ihr empfangen habt, muss immer weitergetragen werden. Das Evangelium von der Nähe Gottes will in der Liebe zu unseren Brüdern und Schwestern zum Ausdruck kommen. Der Wunsch Gottes, dass niemand verloren geht, fordert die Kirche auf, sich um jene zu kümmern, die verwundet und ausgegrenzt sind. Wenn Gott so sehr liebt, dass er sich uns schenkt, dann hat auch die Kirche diesen Auftrag: Sie ist nicht gesandt, um zu richten, sondern um aufzunehmen; nicht um sich aufzudrängen, sondern um zu säen. Die Kirche ist nicht gerufen, zu verurteilen, sondern Christus zu bringen, der das Heil ist.
Ich weiß, was das pastorale Programm eurer Kirche ist: ein missionarisches Engagement, das alle einbezieht und alle erreicht. Lasst euch niemals entmutigen, diesen Weg zu gehen. Habt keine Angst, das Evangelium zu verkünden, zu dienen und zu lieben. Und mit eurer Freude werdet ihr bewirken, dass auch von der Kirche gesagt wird: ?Sie hat die Welt so sehr geliebt!“. Eine Kirche, die die Welt liebt, ohne sie zu verurteilen, die sich für die Welt hingibt, ist schön und anziehend. Liebe Brüder und Schwestern: ich hoffe, dass es so sein wird, auf den Philippinen und überall auf der Welt.
(vaticannews - skr)
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