Papst an Jesuiten: Konkret sein in einer provisorischen Welt
Zunächst nahm der Papst eine Bestandaufnahme unserer Zeit vor: drei Probleme politischer Art schienen ihm besonders besorgniserregend. Erstens: die neuen Formen der Kolonialisierung, vor allem die ?ideologische und kulturelle.“ Er lud die Jesuiten ein, darüber nachzudenken, welche Völker Lateinamerikas diesem Phänomen am meisten ausgesetzt seien. Zweitens: die Grausamkeit und der Hass, von denen unsere Gesellschaften geprägt sind. Drittens: das heutige Verständnis von Gerechtigkeit – ein System, das eine ?Strafe ohne Hoffnung“ propagiert; einfach nur bestrafen will, ohne Raum für die Hoffnung zu lassen, dass sich jemand bessern könne.
Die Jesuiten und die Politik
Danach zeigte Franziskus den Jesuiten auf, wie sie sich zur Politik stellen sollten. Das Evangelium sei ein ?politischer Ausdruck“, weil es ?auf die polis ausgerichtet sei, auf die Gesellschaft, auf jeden Menschen, der zur Gesellschaft gehört.“ Politisches Engagement bedeute für einen Ordensmann aber nicht, in einer politischen Partei aktiv zu sein, warnte er: seine Aufgabe sei es vielmehr, ?überparteilich“ zu sein. Und dies hieße nicht, dass man ?sich nichts um die Parteien schert“, sondern sie ?auf ihrem Reifungsprozess begleitet“ und ?den Standpunkt der christlichen Lehre mit einbringt“. Eine solche politische Reife habe es in Lateinamerika nicht immer gegeben, beklagte der Papst.
Befreiungstheologie
Franziskus wollte auch daran erinnern, dass die Jesuiten in den Jahren der christlichen Sozialkämpfe Amerikas eine Pionier-Rolle gespielt haben. In diesem Zusammenhang stellte er besonders das Opfer des Jesuitenpaters Rutilio Grande und seinen Einfluss auf den heiligen Oscar Romero heraus. Es habe damals auch dem Regime nahestehende Bischöfe gegeben, die gemeint hätten, die Heiligsprechung Romeros käme einer ?Heiligsprechung des Marxismus“ gleich, gab Franziskus zu bedenken. Man dürfe sich von keiner Ideologie vereinnahmen lassen, so sein Rat, auch nicht von der ?aseptischen“ Ideologie – ?bloß nicht einmischen“ –: das sei die schlechteste Ideologie.
Inkulturation von Glaube und Heiligkeit
Vom Gespräch mit einem jungen Mann aus dem Volk der Maya angestoßen, erinnerte Papst Franziskus daran, dass ?jeder die Kultur bewahren muss, aus der er kommt.“ Die Heiligkeit, die man erreichen wolle, müsse auf dieser Ursprungskultur basieren und nicht auf einer anderen. Als Beispiel führte der Papst den Gelehrten Xu Guangqi an, einen chinesischen Laien und Freund Matteo Riccis, der den Missionar begleitete, dabei aber immer Laie und Chinese geblieben sei und sich als solcher auch geheiligt habe. Im Rahmen des Gesprächs verriet Franziskus auch, dass an der Seligsprechung Matteo Riccis gearbeitet werde.
Transparenz, Konkretheit, Risikobereitschaft
Mit Blick auf seine Erfahrung als Novizenmeister und Vorgesetzter zählte Franziskus die Eigenschaften auf, die für ihn grundlegend sind: die Transparenz des Gewissens, die Tugend der Konkretheit: Konkretheit in allem: im geistlichen Leben, in der Freundschaft. Gerade in unserer heutigen Zeit, in der das Provisorische überwiegt, müssten wir bereit sein, für unsere Werte einzutreten und im Leben auch Risiken einzugehen.
Die virtuelle Welt und die Begegnung
Mit Blick auf die digitale Welt war es Franziskus ein Anliegen, auf die damit verbundenen Gefahren zu verweisen. So helfe sie zwar, Kontakte zu knüpfen, schaffe aber keine Begegnungen, weil ihr die konkrete Dimension des Lebens fehle. Gegen unsere häufige Unfähigkeit zur Begegnung hat Franziskus folgendes Rezept: den Dialog zwischen Jung und Alt. Die jungen Menschen sollten den Kontakt zu alten Menschen suchen, so sein Rat: ?Die Wurzeln werden uns von den Alten gegeben. Lasst die alten Menschen sprechen!“
(pm – skr)
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