Im Wortlaut: Papst-Rede bei Treffen mit Aids-Kranken in Panama-Stadt
?Liebe junge Freunde,
verehrte Leiter, Mitarbeiter und Pastoralarbeiter,
liebe Freundinnen und Freunde,
danke, Pater Domingo, für deine Worte, die du im Namen aller an mich gerichtet hast. Es war mein großer Wunsch, hier in der Hausfamilie ?Der barmherzige Samariter“ euch jungen Menschen aus dem Zentrum ?Johannes Paul II“, aus dem Heim des ?Heiligen Josef“ der Barmherzigen Schwestern und des ?Hauses der Liebe“ der Gemeinschaft der Brüder Jesu von Kkottongnae zu begegnen. Bei euch zu sein, ist mir ein Anlass, die Hoffnung zu erneuern. Danke, dass ihr das möglich macht!
Bei der Vorbereitung auf dieses Treffen durfte ich das Zeugnis eines Heimbewohners lesen, das mich sehr berührt hat. Er schrieb: »Hier wurde ich neu geboren«. Dieses Haus ebenso wie die anderen Zentren, die ihr repräsentiert, sind ein Zeichen für das neue Leben, das der Herr uns schenken will. Leicht erkennt man den starken Glauben einiger Brüder, wenn man sieht, wie sie Wunden verarzten, neue Hoffnung geben und zum Glauben ermuntern. Hier werden nicht nur die wiedergeboren, die wir die ?Hauptbegünstigten“ eurer Häuser nennen könnten; hier wird die Kirche und der Glauben durch die Liebe ständig geboren und erneuert.
Neu geboren werden
Wir beginnen, neu geboren zu werden, wenn uns der Heilige Geist Augen schenkt, welche die anderen, wie Pater Domingo gesagt hat, nicht nur als unsere Nachbarn sehen – was ja schon viel wäre – sondern als unsere Nächsten.
Das Evangelium berichtet uns, dass Jesus einmal gefragt wurde: »Wer ist mein Nächster?« (Lk 10,29). Er hat darauf nicht mit einer Theorie oder einer schönen und feierlichen Rede geantwortet, sondern hat ein Gleichnis gebraucht – das vom barmherzigen Samariter. Dieses ist ein konkretes Beispiel aus dem wirklichen Leben, so wie ihr es alle sehr gut kennt und lebt. Der Nächste ist vor allem ein Gesicht, dem wir unterwegs begegnen und das uns bewegt und unser Mitgefühl erweckt: Es bewegt uns von unseren Schablonen und Prioritäten weg und erregt unser Mitgefühl für das, was diese Person erlebt. So machen wir ihr Platz und geben ihr Raum bei unserem Gehen. So hat das der barmherzige Samariter verstanden, als er vor dem Mann stand, der nicht nur von einigen Räubern, sondern auch von der Gleichgültigkeit eines Priesters und eines Leviten, die nicht den Mut zum Helfen aufbrachten, halbtot am Straßenrand zurückgelassen worden war. Auch Gleichgültigkeit verletzt und tötet. Wegen einiger armseliger Geldstücke, aus Angst, unrein zu werden, aus Verachtung oder sozialem Dünkel haben sie den Mann einfach an der Straße liegen lassen. Der barmherzige Samariter zeigt uns – so wie alle eure Häuser –, dass der Nächste vor allem eine Person ist, jemand mit einem konkreten, realen Gesicht und nicht etwas, an dem man vorbeigehen und das man ignorieren kann, egal, wie sein Zustand ist. Es geht um ein Gesicht, dass unser oft leidendes und unbeachtetes Menschsein offenbart.
Ein Heim schaffen
Es ist ein Gesicht, welches das Leben glücklicherweise trübt, weil es uns daran erinnert, was wirklich zählt und uns auf den Weg dorthin bringt. Es befreit uns davor, unsere Nachfolge des Herrn zu banalisieren und überflüssig zu machen.
Hier zu sein bedeutet auch, dem stillen und mütterlichen Antlitz der Kirche zu begegnen, dem es gelingt, prophetisch ein Heim zu schaffen, eine Gemeinschaft. Das ist das Antlitz der Kirche, dass man normalerweise nicht sieht und das unbeachtet bleibt, aber ein Zeichen der konkreten Barmherzigkeit und Zärtlichkeit Gottes ist; ein lebendiges Zeichen der frohen Botschaft der Auferstehung, die heute in unserm Leben wirksam ist.
Ein ?Heim“ zu schaffen, bedeutet eine Familie aufzubauen, bedeutet zu lernen, sich den anderen verbunden zu fühlen über utilitaristische oder funktionale Zwecke hinaus. So können wir das Leben als ein bisschen menschlicher erfahren. Ein Heim zu schaffen, bedeutet, die Prophetie Fleisch werden zu lassen, damit unsere Stunden und Tage weniger ungastlich, gleichgültig und anonym werden. Es beinhaltet, Bindungen mit einfachen, alltäglichen Gesten, die jeder leisten kann, aufzubauen. Wir wissen alle nur zu gut, dass ein Heim auf die Mithilfe aller angewiesen ist. Niemand kann gleichgültig oder unbeteiligt bleiben, denn jeder ist ein wesentlicher Baustein für das Bauwerk. Deshalb müssen wir den Herrn um die Gnade bitten, dass wir lernen, geduldig zu sein und einander zu vergeben; zu lernen, jeden Tag wieder neu zu beginnen. Wie viele Male sollen wir vergeben und wieder neu anfangen? Sieben mal Siebzig; immer, wenn es Not tut. Um stabile Bindungen aufzubauen braucht es die Zuversicht, die sich täglich aus Geduld und Vergebung nährt.
Dann geschieht das Wunder: Wir erfahren, dass man hier neu geboren wird; wir werden hier alle neu geboren, weil wir die Zuneigung Gottes wirklich spüren, die uns von einer menschlicheren und deshalb auch göttlicheren Welt träumen lässt.
Danke euch allen für euer beispielhaftes Leben und eure Großmut; ein Dank an eure Einrichtungen, an die freiwilligen Helfer und die Wohltäter. Ein Dank an alle, die die Liebe Gottes immer konkreter und wirklicher werden lassen, indem sie ihren Mitmenschen in die Augen schauen und sich gegenseitig als Nächste erkennen.
Beim Gebet des Angelus vertraue ich euch nun unserer Mutter, der Jungfrau Maria, an. Bitten wir sie, die als gute Mutter bestens mit Zärtlichkeit und Nähe vertraut ist, uns die Achtsamkeit zu lehren, um jeden Tag unseren Nächsten zu erkennen. Sie soll uns anspornen, dem Nächsten bereitwillig entgegenzukommen und ihm ein Zuhause oder eine Umarmung anzubieten, wo er Schutz und brüderliche Liebe finden kann. Das ist eine Sendung, an der wir alle beteiligt sind.
Ich bitte euch nun, alle eure Hoffnungen und Nöte, eure Schmerzen, die ihr mit euch tragt, die Verletzungen, an denen ihr leidet, unter ihren Mantel zu legen. Sie möge wie eine barmherzige Samariterin mit ihrer Mütterlichkeit, ihrer Zärtlichkeit und ihrem mütterlichen Lächeln zu uns kommen und uns beistehen.
Angelus Domini …”
(vatican news – sk)
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