Gru?wort des Papstes beim Besuch der Pro-Kathedrale in Dublin
Liebe Freunde,
ich freue mich über diese Begegnung mit euch in dieser geschichtsträchtigen Prokathedrale St. Mary’s, wo im Laufe der Jahre viele Male das Sakrament der Ehe gefeiert wurde. Wie viel Liebe wurde hier sichtbar, wie viele Gnaden wurden an diesem heiligen Ort empfangen! Ich danke Erzbischof Martin für seinen herzlichen Willkommensgruß. Es ist mir eine besondere Freude, bei euch zu sein, den Verlobten und Eheleuten, die ihr euch auf verschiedenen Abschnitten des Weges der sakramentalen Liebe befindet.
Vor allem danke ich für das Zeugnis, das uns Vincent und Teresa gegeben haben. Sie haben uns von ihrer Erfahrung von fünfzig Jahren Ehe und Familienleben erzählt. Vielen Dank für die Worte der Ermutigung wie auch Herausforderung, die ihr an die jungen Generationen von Neuvermählten und Verlobten nicht nur hier in Irland, sondern in der ganzen Welt gerichtet habt. Es ist so wichtig, auf die Älteren, die Großeltern zu hören! Wir haben viel zu lernen von eurer Erfahrung eines Ehelebens, das täglich von der Gnade des Sakraments getragenen wird. Ihr seid gemeinsam in dieser Lebens- und Liebesgemeinschaft gewachsen und habt dabei viele Freuden und gewiss auch nicht wenige Leiden erfahren. Zusammen mit allen Eheleuten, die auf diesem Weg schon weit gegangen sind, seid ihr die Hüter unseres kollektiven Gedächtnisses. Wir werden immer euer vom Glauben erfülltes Zeugnis brauchen. Es ist eine wertvolle Quelle für die jungen Paare, die gespannt und hoffnungsvoll in die Zukunft sehen … und vielleicht auch ein bisschen besorgt.
Ebenso danke ich den jungen Paaren, die einige freimütige Fragen an mich gerichtet haben. Es ist nicht einfach, auf diese Fragen zu antworten! Denis und Sinead sind gerade dabei, sich auf eine Reise der Liebe zu begeben, die nach Gottes Plan eine Verpflichtung für das ganze Leben mit sich bringt. Sie haben gefragt, wie sie anderen helfen können zu verstehen, dass die Ehe nicht einfach eine Institution, sondern eine Berufung ist, eine bewusste Entscheidung für das ganze Leben, sich umeinander zu kümmern, sich gegenseitig zu helfen und zu beschützen.
Gewiss müssen wir anerkennen, dass wir heutzutage nicht an etwas gewöhnt sind, das wirklich das ganze Leben hält. Wenn ich Hunger oder Durst verspüre, kann ich etwas zu mir nehmen, aber das Gefühl, satt zu sein, hält nicht einmal einen Tag an. Wenn ich eine Arbeit habe, weiß ich, dass ich sie gegen meinen Willen verlieren könnte oder eventuell eine andere Laufbahn wählen muss. Es ist sogar schwierig, die Welt zu überblicken, da sich alles um uns herum ändert: Menschen in unserem Leben kommen und gehen, es werden Versprechen gemacht, aber oft gebrochen oder nicht eingelöst. Vielleicht betrifft das, was ihr mich gerade fragt, in Wirklichkeit etwas noch Grundlegenderes: ?Gibt es überhaupt etwas Wertvolles, das halten könnte? Nicht einmal die Liebe?“ Wir wissen, wie leicht es heute ist, dass wir zu Gefangenen einer Kultur des Vorläufigen, der Kurzlebigkeit werden. Diese Kultur greift eben die Wurzeln unserer Reifungsprozesse, unseres Wachstums in der Hoffnung und Liebe an. Wie können wir in dieser Kultur der Kurzlebigkeit erfahren, was wirklich hält?
Das möchte ich euch nun sagen. Unter allen Formen menschlicher Fruchtbarkeit ist die Ehe einzigartig. Sie ist eine Liebe, die neues Leben hervorbringt. Sie schließt gegenseitige Verantwortung bei der Weitergabe des göttlichen Geschenks des Lebens mit ein und bietet das sichere Umfeld, in der neues Leben wachsen und gedeihen kann. Die Ehe in der Kirche, d.h. das Sakrament der Ehe, nimmt auf besondere Weise am Geheimnis der ewigen Liebe Gottes teil. Wenn ein christlicher Mann und eine christliche Frau sich durch das Eheband miteinander verbinden, macht die Gnade des Herrn sie fähig, frei eine ausschließliche und dauerhafte Liebe einander zu versprechen. So wird ihre Verbindung zum sakramentalen Zeichen des neuen und ewigen Bundes zwischen dem Herrn und seiner Braut, der Kirche. Jesus ist immer in ihrer Mitte gegenwärtig. Er unterstützt sie während ihres Lebens im gegenseitigen Sich-Schenken, in der Treue und in der unauflöslichen Einheit (vgl. Gaudium et spes, 48). Seine Liebe ist Fels und Zuflucht in Zeiten der Prüfung, vor allem aber ist sie die Quelle für ein stetes Wachsen in reiner und beständiger Liebe.
Wir wissen, dass die Liebe der Traum Gottes für uns und die gesamte Menschheitsfamilie ist. Bitte vergesst dies nie! Gott hat einen Traum für uns und bittet uns, ihn uns zu eigen zu machen. Habt keine Angst vor diesem Traum! Beherzigt ihn und träumt ihn gemeinsam jeden Tag neu. So werdet ihr imstande sein, euch gegenseitig in Hoffnung, Stärke und Vergebung zu stützen, in den Momenten, wenn der Pfad beschwerlich ist und es schwierig wird, den Weg auszumachen. In der Bibel verpflichtet sich Gott dazu, seinem Bund treu zu bleiben, auch wenn wir ihn betrüben und unsere Liebe schwächer wird. Er sagt uns: »Ich werde dich keineswegs aufgeben und niemals verlasse ich dich« (Hebr 13,5). Stärkt euch als Eheleute gegenseitig mit diesem Versprechen, alle Tage für den Rest eures Lebens. Und hört niemals auf zu träumen!
Stephen und Jordan sind Brautleute und haben die – sehr wichtige – Frage gestellt, wie sie als Eltern ihren Kindern den Glauben weitergeben können. Ich weiß, dass die Kirche hier in Irland sorgfältig Programme für die Katechese ausgearbeitet hat, um in den Schulen und in den Pfarreien den Glauben zu unterrichten. Das ist sicherlich wichtig. Doch der erste und wichtigste Ort für die Glaubensweitergabe ist das Zuhause durch das ruhige und tägliche Vorbild der Eltern, die den Herrn lieben und seinem Wort vertrauen. Dort in der ?Hauskirche“ lernen die Kinder die Bedeutung von Treue, Ehrlichkeit und Opfer. Sie sehen, wie Mutter und Vater sich untereinander verhalten, wie sie füreinander und für die anderen Sorge tragen, wie sie Gott und die Kirche lieben. So können die Kinder die frische Luft des Evangeliums atmen und auf eine Weise verstehen, urteilen und handeln lernen, die dem ererbten Glauben würdig ist. Der Glaube wird am Familientisch, in den alltäglichen Gesprächen und durch die Sprache weitergegeben, die nur die beharrliche Liebe zu sprechen weiß.
Also, betet gemeinsam in der Familie; sprecht über Gutes und Heiliges; lasst zu, dass unsere Mutter Maria in euer Familienleben eintritt. Feiert die christlichen Feste. Lebt in echter Solidarität mit den Leidenden und den Randständigen der Gesellschaft. Wenn ihr dies gemeinsam mit euren Kindern tut, werden ihre Herzen nach und nach von großzügiger Liebe zu den anderen erfüllt. Dies mag offensichtlich erscheinen, doch mitunter vergessen wir das. Eure Kinder werden lernen, wie man die Güter der Erde mit allen teilt, wenn sie sehen, wie ihre Eltern aufmerksam sind gegenüber den Ärmeren oder weniger Begünstigten als sie selbst. Kurz und gut, eure Kinder werden von euch lernen, wie man als Christen lebt; ihr seid ihre ersten Lehrer im Glauben.
Die Tugenden und die Wahrheit, die uns der Herr lehrt, sind nicht immer populär in der heutigen Welt, die den Schwachen, den Schutzlosen und allen, die sie für ?unproduktiv“ hält, geringe Achtung entgegenbringt. Die Welt sagt uns, dass wir stark und unabhängig sein müssen und uns dabei wenig um die kümmern sollen, die allein oder traurig, ausgestoßen oder krank sind, die noch nicht geboren sind oder im Sterben lieben. Gleich werde ich privat einige Familien treffen, die schwierige Herausforderungen und echte Not bewältigen müssen, denen aber die Kapuzinerpatres Liebe und Unterstützung erweisen. Unsere Welt braucht eine Revolution der Liebe! Möge diese Revolution bei euch und euren Familien beginnen!
Vor einigen Monaten sagte mir jemand, dass wir im Begriff sind, unsere Fähigkeit zu lieben zu verlieren. Langsam, aber sicher vergessen wir gerade die direkte Sprache einer Liebkosung, die Kraft der Zärtlichkeit. Es kann keine Revolution der Liebe geben ohne die Revolution der Zärtlichkeit! Euer Beispiel möge eure Kinder dazu führen, eine noch aufmerksamere, liebevollere, an Glauben reichere Generation zu werden, um an der Erneuerung der Kirche und der ganzen Gesellschaft Irlands mitzuwirken.
So wird eure Liebe, die Gottes Geschenk ist, noch tiefere Wurzeln einsenken. Keine Familie kann wachsen, wenn sie die eigenen Wurzeln vergisst. Die Kinder wachsen nicht in der Liebe, wenn sie nicht lernen, sich mit den Großeltern zu unterhalten. Lasst also zu, dass eure Liebe tiefe Wurzeln einsenkt! Vergessen wir nicht: »Was der Baum an Blüten trägt, lebt von dem, was er unter der Erde hat« (Francisco Luis Bernárdez, Sonett »Si para recobrar lo recobrado«).
Zusammen mit dem Papst mögen die Familien der ganzen Kirche, die hier heute Nachmittag von älteren und jüngeren Paaren vertreten werden, Gott für das Geschenk des Glaubens und die Gnade der christlichen Ehe danken. Unsererseits bemühen wir uns mit der Hilfe des Herrn, treu gegenüber unseren Versprechen und beharrlich in der Liebe, dem Kommen seines Reiches der Heiligkeit, der Gerechtigkeit und des Friedens zu dienen! Euch allen, euren Familien und euren Lieben erteile ich meinen Segen.
(vatican news - mg)
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