Papst zu Wissenschaftlern: Bioethik muss umfassend sein
Christine Seuss - Vatikanstadt
Noch bis Mittwoch tagt die Päpstliche Akademie für ihre 24. Vollversammlung zum Thema ?Eine globale Bioethik“, das auch den Papst bei seinen Überlegungen inspirierte.
Die Wissenschaft kümmere sich darum, das irdische Leben in all seinen chemischen, mechanischen und biologischen Ausprägungen zu untersuchen, so Franziskus vor den rund 300 Wissenschaftlern und Experten. Dies sei ein ?äußerst wichtiges und unerlässliches“ Studium, so der Papst, das jedoch mit einer ?weiteren und tieferen“ Perspektive versehen werden müsse, ?die Aufmerksamkeit für das genuin menschliche Leben einfordert, das mit dem Wunder des Wortes und des Gedankens, der Gefühle und des Geistes auf die Weltbühne tritt.“
Dem Tod die dreckige Arbeit abnehmen
Es sei eine ?schöne Arbeit“, menschliches Leben zu zeugen, großzuziehen und zum Glauben zu führen – denn das menschliche Leben gehe weit über das Diesseits hinaus, betonte Franziskus. Die Missachtung der Würde des menschlichen Lebens jedoch, so der Papst, habe ihren Ursprung in der ?Sünde“ und nehme dem Tod ?die dreckige Arbeit ab“.
?Das Böse versucht, uns davon zu überzeugen, dass der Tod das Ende von allen Dingen ist, dass wir durch zufall auf die Welt gekommen sind und dass wir dazu bestimmt sind, im Nichts zu enden. Wenn wir den anderen von unserem Horizont ausschließen, spiegelt sich das Leben auf sich selbst zurück und wird reines Konsumgut.“
Spiegel-Männer und Spiegel-Frauen sehen nur sich selbst
Zur Verdeutlichung führte der Papst den Mythos des Nariziss an, des jungen Mannes der griechischen Mythologie, der sich unrettbar in sein Spiegelbild verliebte und für nichts und niemand anderen mehr Augen hatte. Dieser, so der Papst, sei ?naiv“ und merke es nicht einmal, dass er das Wohl der Anderen nicht im Blick habe. ?In der Zwischenzeit verbreitet er jedoch ein sehr ansteckendes spirituelles Virus, das uns dazu verdammt, Spiegel-Männer und Spiegel-Frauen zu werden, die nur sich selbst und nichts anderes sehen. Das ist, als würde man dem Leben und seiner Dynamik gegenüber blind.“ Denn das Leben, so Franziskus, sei ein Geschenk, das mit Verantwortungsbewusstsein für andere wieder ?in Umlauf“ gebracht werden müsse.
Bioethik müsse eine umfassende Vision verfolgen, so der Appell des Papstes, die von der unumstößlichen Würde des Menschen und der Liebe Gottes für jedes Menschen ausgehe. Es genügten weder rein rechtliche Regelungen noch technische Hilfen allein, um das Leben auch in schwierigsten Umständen zu schützen. Daher brauche es ebenso ?eine angemessene Unterstützung durch verantwortliche menschliche Nähe“, betonte Franziskus.
Er wünsche sich eine ?Konversion zu einer zeitgemäßen ganzheitlichen menschlichen Ökologie“, wie er sie in seiner Enzyklika ?Laudato si“ dargelegt habe, fuhr der Papst fort. Dazu gehöre die Überzeugung, dass alles in der Welt miteinander verbunden sei und das menschliche Leben sich Gott verdanke und in ihm sein Ziel habe.
Franziskus verlangte weiter eine ?genaue Unterscheidung der komplexen fundamentalen Unterschiede menschlichen Lebens“. Dies gelte für ?Mann und Frau, Vaterschaft und Mutterschaft, Kindschaft und Geschwisterlichkeit“ ebenso wie der jeweiligen gesellschaftlichen Zugehörigkeit sowie allen Altersphasen. Ebenso bekräftigte der Papst die Heiligkeit jedes Lebens, des noch ungeborenen, wie das ?des Armen, der schon geboren ist".
Noch bis Mittwoch tagen die Mitglieder der Päpstlichen Akademie für das Leben im Vatikan. Dabei geht es unter anderem um Fragen vorgeburtlicher Gesundheit und Schwangerschaft, wirtschaftliche Ungleichheit bei der Geburt, Migration und Pränataldiagnostik.
(vatican news/kap)
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