Fastenpredigt für den Papst: ?Wissenschaft vom Durst“
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Tolentino erinnerte daran, dass eines der letzten Worte Jesu in der Bibel lautet: ?Wer Durst hat, der komme zu mir und trinke“ – es steht fast am Ende der Offenbarung des Johannes, also des letzten Buches des Neuen Testaments.
?Jesus kommt unserer Geschichte, so wie sie ist, entgegen, in ihrer Unvollständigkeit, ihrer Leere, ihrem Versagen. In dieser Lage sagt er uns: Wer Durst hat, der komme; wer will, kann kostenlos Wasser des Lebens holen. Indem er uns das aus reiner Gnade verspricht, anerkennt er, dass wir noch nicht fertig, dass wir noch im Werden sind. Wir können dieses Wasser des Lebens nicht kaufen – es kann uns nur geschenkt werden.“
Jesus wisse, ?welche Hindernisse uns ausbremsen“, versicherte der Fastenprediger aus Portugal. Wichtig sei aber, dass wir wirklich Durst hätten – dass wir uns klarmachten, wie sehr wir das Wasser des Lebens brauchen.
Damit war Tolentino beim Durst des Menschen von heute; er veranschaulichte ihn mit Zitaten aus Saint-Exupérys ?Kleinem Prinzen“, und dann unter Verweis auf Jean, eine Figur aus Ionescos Drama ?Durst und Hunger“. Dieser Jean wird von einer schlechterdings nicht stillbaren Sehnsucht zerfressen.
?Das ist ein Durst, der zu enormer Unzufriedenheit führt, der ihn schließlich in die Arme des Konsumismus stürzt. Man schimpft oft über den Konsumismus der Einkaufszentren, aber vergessen wir nicht, dass es auch einen Konsumismus des geistlichen Lebens gibt. Was man von ersterem sagt, hilft uns dabei, letzteren zu verstehen. Es ist eine Tatsache, dass unsere Gesellschaften, die den Konsumismus zu einem Kriterium für Glück machen, die Sehnsucht in eine Falle verwandeln.“
Tolentino ermunterte den Papst und die Leiter der wichtigsten Kurieneinrichtungen dazu, ihren Durst auf Gott zu richten.
?So viele Dürste brennen ja in uns. Wir achten nicht auf sie, flüchten vor ihnen, als könnten sie uns über Gott nichts sagen. Aber das Gegenteil ist wahr. Der Durst ist ein biographisches Erbe, das wir anerkennen sollten; er ist von Kindheit an mit uns, er altert mit uns, bleibt uns erhalten. Vielleicht haben wir Gott noch nicht gedankt für unseren Durst, für das Gute, für die Quelle, die Gott in unser Leben gesetzt hat. Richten wir unseren Durst auf Gott!“
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