Unser Sonntag: Feindesliebe
Veronika Seifert, Rom
Lk 6,27-38: Feindesliebe
Heute gewährt uns Jesus einen Blick in sein Herz, um uns zu zeigen, mit welcher Liebe Er uns liebt. In der heutigen Lukasperikope ruft Jesus zur Feindesliebe auf. In diesem Abschnitt betont er, so scheint mir, besonders drei Aspekte der Feindesliebe, einer schwieriger als der andere. Zunächst fordert er auf, alle Widerwärtigkeiten anzunehmen, dann, das Böse mit Gutem zu vergelten um schließlich zu einer barmherzige Liebe aufzurufen, die alles vergibt.
Gott kennt auch unseren Widerstand
Gott kennt unsere Herzen, ja, er kennt auch unseren Widerstand. Vielleicht beginnt er gerade deshalb seine Unterweisung mit den Worten, ?euch, die ihr zuhört, sage ich“ (V. 27). Blicken wir also jetzt mit unserem inneren Auge auf Jesus und bitten wir ihn, uns ein hörendes Herz zu geben.
Schauen wir zunächst auf die Feindesliebe, die bereit ist, das Böse zu ertragen. Jesus ist in die Welt gekommen, um die Seinen zu besuchen, doch die Schriftgelehrten und Pharisäer haben ihn nicht aufgenommen da sie eifersüchtig auf seinen Erfolg, auf seine Wunder und die Menschenmassen, waren die ihm folgten.
Jesus vergibt Intrigen
Trotz ihrer feindlichen Haltung hat Jesus mit ihnen gesprochen, ist auf sie eingegangen und hat ihre Intrigen vergeben, selbst am Kreuz noch als er die Worte sprach: ?Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (….).
Im heutigen Sonntagsevangelium offenbart uns Jesus seine Liebe zu uns doch vor allem zeigt er uns, wie wir auf Anfeindungen reagieren sollen.
Bei Hass sollen wir Gutes tun.
Bei Verfluchungen sollen wir gut über die Personen sprechen und sie segnen.
Bei Beschimpfungen sollen wir für die betreffende Person beten.
Bei Schlägen sollen wir uns ihnen nicht entziehen.
Bei Diebstahl und Enteignung sollen wir geben und loslassen.
Vielleicht fragen wir uns nun, ob die von Jesus beschriebene Haltung nicht Ausdruck von Schwäche ist? Am 30. Januar 2013 erklärt Papst Benedikt in seiner Katechese über den Allmächtigen Gott, dass Geduld, Sanftmut und Liebe die wahre Art ist, mächtig zu sein. Denn ?nur wer wirklich mächtig ist, kann das Böse ertragen und sich als barmherzig erweisen“. In kontroversen und ungerechten Situationen auszuhalten ohne Böses mit Bösem zu vergelten ist also vielmehr Ausdruck von Stärke.
Auf Böses mit Liebe antworten
Dieses Verhalten ist eine göttliche Haltung, denn Gott besiegt das Böse und den Bösen indem Er darauf mit Liebe antwortet. In diesem Abschnitt, so scheint mir, offenbart uns Jesus zugleich die Strategie seines Heilsplans. In der Tat, um das Böse zu besiegen reicht es nicht die zu lieben, von denen man geliebt wird, denn das tuen auch die Sünder (vgl. V. 32). Deshalb liebt Gott die, die nicht lieben und zerbricht dadurch diese Liebe die Macht des Bösen.
Das bedeutet doch, dass ein Christ sich erst durch die Feindesliebe als Christ auszeichnet. Mehr noch, durch die Feindesliebe werden wir Christus ähnlich, der aus Liebe zu uns und für unser Heil das Böse auf sich genommen hat und am Kreuz gestorben ist. Keiner behauptet, dass die Feindesliebe leicht ist, doch mit Gottes Hilfe ist sie möglich.
Schauen wir nun auf den zweiten Aspekt der Feindesliebe, der darin besteht, den Feinden Gutes zu tun. Jesus erklärt in einem ernüchternden Ton, dass es nicht reicht, denen Gutes zu tun, die uns Gutes tun, denn ?das machen auch die Sünder“ (V.33). Auch in diesem Abschnitt lernen wir die Liebe Gottes zu uns Menschen besser kennen.
Denn Gott gibt allen in Fülle
Denn Gott gibt allen in Fülle. Er gibt das Sein, die Energie und sorgt sich immer, um jeden Menschen, auch um die, die ihn nicht lieben und ihm nicht dankbar sind. Gott kann im gewissen Sinne nicht anders, denn wahre Liebe verschenkt sich ohne Maß. Der heutige Psalm singt deshalb auch mit staunenden Worten ?preise den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat“ (Ps 103,2).
Doch was heißt das für uns? Jesus möchte, dass auch wir unseren Feinden gegenüber maßlos gut sind. Diese gütige und sich verschenkende Liebe gegenüber unseren Feinden macht uns Gott ähnlich: wir werden Imitatoren Christi.
In der dritten Lehreinheit behandelt Jesus die barmherzige Liebe. Misericordia ist das lateinische Wort für Barmherzigkeit. Es ist zusammengesetzt aus den Worten ?Misere“ und ?Herz“. Jesus ruft uns also auf, ein Herz für die Misere der Anderer zu haben – auch für unsere Feinde.
Ich hörte einmal die folgende Aussage: Umso böser ein Mensch ist, umso größer sind seine inneren Wunden. Das bedeutet, dass böse Menschen vor allem leidende Menschen sind, die nicht wissen, wie sie mit ihrem Leid umgehen können. Mir persönlich hilft dieser Satz. In der Tat, können wir das Leben, die Taten und die Motivationen der anderen verstehen? Kennen wir ihre Wunden und Ängste, die sie antreiben?
Gott alleine kennt unsere guten und bösen Seiten, doch er ist barmherzig mit uns und möchte, dass auch wir barmherzig mit unseren Nächsten sind. In diesen Versen erklärt uns Jesus ganz pragmatisch, wie im Alltag die Barmherzigkeit praktiziert werden kann: man soll nicht richten, nicht verurteilen sondern vielmehr die Schuld erlassen.
Warum soll gerade ich barmherzig sein?
Manch einer mag sagen, dass das, was Jesus verlangt, nicht realisierbar ist. Ich frage mich, ist es wirklich nicht durchführbar oder will ich es lediglich nicht leben? Vielleicht kommt in uns auch der Gedanke auf, warum soll gerade ich barmherzig sein, alle anderen sind es ja auch nicht mit mir.
In der zweiten Lesung wird heute ein Abschnitt aus dem Ersten Korintherbrief gelesen, dort heißt es, ?der erste Mensch stammt von der Erde und ist Erde, der zweite Mensch stammt vom Himmel“ (1 Kor 15,47). Wir Christen sind also berufen, als Töchter und Söhne des Allerhöchsten zu leben (vgl. Lk 6,35), die ihren Vater als Maßstab haben und nicht die Menschen, die von der Erde stammen.
Wer ist der Feind, den wir leben sollen? Wir selbst?
An dieser Stelle können wir uns vielleicht fragen, wer unser Feind ist, den wir lieben, dem wir Gutes tun und dem wir unsere Barmherzigkeit zeigen sollen? Dieser Feind kann eine Personen aus der Verwandtschaft, Bekanntschaft oder dem Arbeitsplatz sein. Doch manchmal sind wir selber unser größter Feind oder aber wir leiden an einer Krankheit oder wie tragen ein anderes schweres Kreuz, das wir als ?Feind‘ ansehen. Auch wenn es schwer fällt, sollen wir auch uns und unsere Kreuze lieben, denn sie gehören zum Heilsplan den Gottes mit uns hat, um uns zu heiligen.
Ich möchte nun mit einer persönlich Bemerkung diese Meditation abschließen: Das Lukasevangelium hat mir gezeigt, dass Gott mich liebt, obwohl ich Ihn manchmal hasse, dass Er mir täglich, stündlich und jede Minute auf Neue so viel Gutes gibt, obwohl ich sooft undankbar bin, ja ich bin aufgrund meiner Sünden, Fehler und Schwächen oft erbärmlich und trotzdem liebt Gott – mein Schöpfer – mich mit seiner unendlichen Liebe. Nun bittet Er mich in diesem Abschnitt: wenn ich dich so liebe, kannst du dann auch deinen Nächsten so lieben? Ich denke, Jesus lädt uns heute nicht nur ein, unsere Feinde zu lieben, sondern er gibt uns heute auch die Kraft, es auch wirklich zu tun. Bitten wir ihn also in einem guten, vollen, gehäuften und überfließenden Maß lieben zu können. Als Dank dafür erwartet uns Gottes Liebe im Himmel.
(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)
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