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Frau in Nigeria vor Stra?enkunst (Archivbild) Frau in Nigeria vor Stra?enkunst (Archivbild) 

Bischof Meier in Nigeria: ??berrascht und tief beeindruckt“

Bischof Bertram Meier, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, war vorige Woche in Nigeria. Im Interview mit uns berichtet er von seinen Erfahrungen.
Hier das ganze Interview als Podcast

Maximilian Seidel - Vatikanstadt

Pope: Nigeria ist von vielfältigen Konflikten geprägt, darunter die Gewalt durch Boko Haram, kriminelle Banden und Konflikte zwischen Fulani-Hirten und christlichen Bauern. Welche Eindrücke haben Sie vor Ort gewonnen, insbesondere in den Regionen, die von Gewalt und Konflikten betroffen sind?

Bischof Bertram Meier (Augsburg), Vorsitzendr Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz: Dies ist meine erste Reise nach Nigeria. Nigeria ist ein sehr, sehr kompliziertes und großes Land. Es hat 220 Millionen Einwohner, viele Bundesstaaten, Stämme, Kulturen und Sprachen. Da wundert es mich nicht, dass es immer wieder auch zu Spannungen und Streits kommt. Dass die sich dann zum Teil radikalisieren, steht auf einem anderen Blatt. Aber insgesamt bin ich vom Reichtum und der Kultur sehr überrascht und auch tief beeindruckt. 

Bischof Bertram Meier bei G20 Gipfel 2021 (Archivbild)
Bischof Bertram Meier bei G20 Gipfel 2021 (Archivbild)

Pope:  Auf Ihrer Reise sprechen Sie mit vielen Bischöfen und Vertretenden aus Kirche und Zivilgesellschaft. Was berichten die über die Situation?

Meier: Bei meinen Gesprächen wurde klar, dass es sich bei den Konflikten nicht nur um religiöse Motive handelt, sondern dass es dabei um sehr komplexe Sachverhalte geht. Sie haben vorher Boko Haram genannt, da weiß man genau, wo die Reise hingeht. Das ist eine radikalisierte Gruppe, es geht um den Islamischen Staat, es soll ein Kalifat aufgebaut werden. Hier wird Religion instrumentalisiert. Boko Haram geht ja nicht nur gegen Christen vor, sondern auch gegen Muslime. Hier müssen wir sehr gut hinschauen und gut urteilen.

Insgesamt ist die Situation der Konflikte sehr schwierig. Wir haben die Spannungen zwischen Bauern und Hirten, außerdem gibt es immer wieder Entführungsfälle. Hier geht es hauptsächlich um Geschäfte, um Geld und um Erpressungen. Ein weiterer Punkt sind Spannungen und Streits zwischen verschiedenen Schichten in der Bevölkerung. Man muss bedenken, 20 Millionen Kinder können nicht zur Schule gehen. Wohin führt das in der Zukunft? Welche Perspektive hat eine ungebildete Jugend? All das sind Dinge, die ineinander verkettet sind. In einem solchen Land in die Zukunft zu blicken, ist schwierig. Es gibt etwa 60 Prozent Jugendarbeitslosigkeit. Das Durchschnittsalter liegt bei 17,9 Jahren, Tendenz sinkend. Hier glaube ich, ist es dringend notwendig, dass man auch in Bildung investiert. Und hier haben wir auch gute Projekte sehen können. 

Augustinische Schule in Nigeria (Archivbild)
Augustinische Schule in Nigeria (Archivbild)

Pope: Nigeria ist das Schwerpunktland der Initiative Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen in unserer Zeit. Mit dieser soll auf drangsalierte Christen weltweit aufmerksam gemacht werden. Am besten kann man sich in Menschen hineinversetzen, deren Geschichte man kennt. Gab es auf Ihrer Reise ein bestimmtes Erlebnis oder eine Begegnung, die Sie besonders berührt hat und die Sie mit uns teilen möchten?

Meier: Also zunächst mal bin ich vorsichtig beim Begriff der ?Verfolgung von Christen". In Nigeria kann man weniger von systematischer Christenverfolgung sprechen. Davor würde ich auch warnen. Verfolgung ist ein Abschreckungsbegriff. Es kann mit Benachteiligung beginnen, später auch Ausgrenzung. Erst in der radikalen Form kann es zu einer wahren Verfolgung kommen, mit leiblichem Schaden, der den Christen zugefügt wird. 

Positive Entwicklungen

Aber ich kann sagen, ich habe auch sehr positive Zeichen gesehen. Ich habe in einigen Ortschaften gesehen, wie sich Menschen zusammentun. Muslime und Christen, die sich an Tische setzten, weniger um zu verhandeln, als viel mehr den Dialog des Lebens zu wahren. Eine friedliche Koexistenz der einzelnen Religionen wiederherzustellen und gemeinsam wieder Dinge zu machen. Vor allem auch Sozialprojekte sind hier interessant. Ich bin auch tief bewegt von einigen Frauen, die hier mit dabei sind. Sie nehmen das fest in die Hand, erheben ihre Stimme, sie sprechen. Sie bringen das, was sie bewegt, ins Wort. 

Natürlich haben wir auch Gedenkstätten besucht, an denen Attentate stattgefunden haben, das geht tief unter die Haut. Was mich am meisten bewegt hat, sind die drei Tage, die wir außerhalb von Abuja waren, in Kaduna und in Jos. Wir konnten uns dort schon frei bewegen, aber niemals ohne Begleitschutz. Es ist immer ein Jeep mitgefahren, mit vier oder sechs bewaffneten Militärs oder Soldaten, also Securityservice. Damit muss man leben. Und das bereitet einem schon ein besonderes Gefühl, wenn man sowas hautnah erleben muss. 

?Natürlich haben wir auch Gedenkstätten besucht, an denen Attentate stattgefunden haben, das geht tief unter die Haut“

Aber sonst muss ich sagen, dass die Stimmungslage auch in der Kirche eine grundsätzlich positive ist. Was tief bewegt hat, war auch ein Besuch in Seminar in Jos. Da waren über dreihundert Seminaristen. Und da durfte ich am Abend eine kleine Konferenz abhalten. Tief beeindruckt hat mich die riesige Zahl an Priesteramtskandidaten. Davon können wir in Europa, wenigstens im Westen, nur träumen.

Von Gewalt geplagtes Dorf in Nigeria (Archivbild)
Von Gewalt geplagtes Dorf in Nigeria (Archivbild)

?Von der Graswurzel aus geschieht letzten Endes Versöhnung und irgendwann Frieden. Und da sollten wir alle ermutigen“

Pope: Es ist sicher auch sehr eindrücklich, wenn man selbst mit vier bis sechs bewaffneten Kämpfern unterwegs ist und weiß, die Bevölkerung hat diesen Schutz nicht...

Meier: Genau und wir hätten auch die über tausend Kilometer, die wir im Land unterwegs waren, sonst nie machen können. Nicht nur von der Zeit, sondern auch vom Programm, wenn wir diesen Begleitschutz nicht gehabt hätten. Das stimmt schon nachdenklich. Wir sind weiße Männer in der Delegation gewesen. Ich bin selber katholischer Bischof, auch meine Begleiter engagierte katholische Christen, also ohne Begleitschutz wäre das zu gefährlich gewesen. 

Pope: Sie haben bereits religionsübergreifende Friedensinitiativen angesprochen. Tragen diese Initiativen Früchte?

Meier: Ja, sie tragen Früchte, aber diese ganzen runden Tische und Komitees und Communitys bewegen sich auf verschiedenen Ebenen. Ich setzte ganz stark auf die untere Ebene, auf die Graswurzel, wie es jetzt hier auch immer wieder geheißen hat. Von dort aus muss der interreligiöse Dialog wachsen. Von der Graswurzel aus geschieht letzten Endes Versöhnung und irgendwann Frieden. Und da sollten wir alle ermutigen.

Anwohner nach Flut 2024 (Archivbild)
Anwohner nach Flut 2024 (Archivbild)

Ein Gesprächsteilnehmer hat die Situation mit dem 30-jährigen Krieg verglichen. Auch dieser hat ursprünglich religiöse Motive gehabt. Im Laufe der Zeit haben sich dann so viele andere Motivationen und Interesse eingemischt, dass es sich am Ende eher um ökonomische Interessen, Herrschaftsgebiete und Bauernkriege handelte. So ähnlich muss man es auch in Nigeria sehen, um es bewerten zu können. Es wird nicht von heute auf morgen eine friedliche Gesellschaft sein. Es ist aber auch kein Flächenbrand, das wäre zu dramatisch gedacht. Man braucht einfach Geduld, und wir müssen die Projekte unterstützen, die von der Graswurzel aus für Versöhnung, Dialog und Frieden eintreten. 

Pope: Im deutschsprachigen Raum leben wir in freiheitlichen Gesellschaften. Schrecken wie es viele Christen in Nigeria erleben können wir uns kaum vorstellen, Entführungen und Konflikte. Helfen wollen viele Christinnen und Christen ihren Glaubensgenossen weltweit trotzdem. Welche Rolle können wir als Christinnen und Christen konkret übernehmen – sei es durch Gebet, Spenden oder politische Initiativen?

Was wir vor allem tun können, ist füreinander Beten, das ist ganz, ganz wichtig. Ich hab immer wieder von anderen Initiativen gehört, wie zum Beispiel Kirchen in Not, oder anderen Projekten, die von anderen Hilfswerken unterstützt wurden und werden. Vergessen wir bitte unsere bedrängten Schwestern und Brüder in der Welt nicht. Das zeigt unsere Solidarität. Afrika bestimmt normalerweise nicht unsere Schlagzeilen. Da müssen wir versuchen, gezielt Projekte zu stärken, die auch von unseren Hilfswerken immer wieder unterstützt werden. Und das Dritte, was ich sagen möchte, ist Beziehungen pflegen. Katholische Kirche ist ein globales Beziehungsnetz, wir sind global präsent und wir sind stark vor Ort. Und das zu unterstützen sind Dinge, die wir auch von Deutschland aus tun können.  

(vatican news)

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20. Januar 2025, 15:00