Frauen in Luxemburgs Kirche: Da geht noch mehr
Frau Schmit, das Gesicht der katholischen Kirche in Luxemburg ist vielfarbig und multikulturell. Womit wird es der Papst da bei Ihnen zu tun bekommen?
Renée Schmit: In der Hauptstadt Luxemburg gibt es bereits jetzt über 70 Prozent Ausländer, mehrheitlich französisch sprechende Menschen, aber auch sehr viele Portugiesen und Kapverdianer, die zur größten linguistischen Gemeinschaft der Kirche im Land gehören. Dann gibt es die Italiener, die ersten Immigranten, sowie Spanier und die wachsende englischsprachige Gemeinde mit Engländern, Iren, Maltesern und Menschen aus den baltischen Ländern, die in den europäischen Institutionen arbeiten. Es gibt Afrikaner, Südamerikaner und eine kleine philippinische Gemeinschaft sowie eine starke polnische und spezifisch afrikanische Gemeinschaft im Süden des Landes. Seit zwei Jahren haben wir auch eine griechisch-katholische Gemeinde mit ukrainischen Flüchtlingen. Wenn der Papst kommt, wird er dieser Multikulturalität sicher auf den Straßen und auch in der Kathedrale begegnen. Ich glaube, alle freuen sich auf sein Kommen und hoffen, dass es klappt.
Papst Franziskus sagt gerne: Der Teufel kommt durch die Brieftasche. Nun wissen wir, Luxemburg ist Finanz-Zentrum und eines der reichsten Länder Europas. Inwiefern ist die Kirche da ein Gegengewicht? Wenn wir jetzt mal vom aktuellen Caritas-Skandal absehen...
Renée Schmit: Es stimmt, das Evangelium hat andere Maßstäbe als die Kriterien einer Wohlstandsgesellschaft, in der der Mensch oft auf seine Leistung, seinen Besitz, seinen Titel, die Brieftasche reduziert wird. In Luxemburg ist die Kirche, besonders nach der Trennung von Kirche und Staat, gefordert, manchmal auch genötigt, dem Evangelium ein einfacheres und authentisches Gesicht zu geben, indem sie sich radikal auf die Seite der Benachteiligten stellt. Und es gibt viele davon. Hier braucht es Menschen, die sich neu ins Evangelium eintauchen lassen, aus dem Wort leben und daraus nach vorne gehen und gegen den Strom schwimmen. Die Welt, in der wir leben, mit all ihren Krisen, auch der Klimakrise, braucht engagiertere Christen, die einen anderen Umgang mit Gütern pflegen und von Solidarität nicht nur predigen.
Sie sprechen von Armut in Luxemburg - wie sieht diese Armut aus?
Renée Schmit: Das sind nicht nur Flüchtlinge, die nicht wissen, wo sie andocken können, sondern auch viele Luxemburger, die dem Standard nicht mehr entsprechen, ihre Arbeit verloren haben oder verschuldet sind. In einer Pfarrei in Luxemburg-Stadt werden zweimal wöchentlich Lebensmittel verteilt. Eine große Gruppe von Ehrenamtlichen kümmert sich darum, und in den letzten Jahren ist die Nachfrage deutlich gestiegen. Wer abends vorbeigeht, sieht die Leute Schlange stehen. Es gibt im reichen Luxemburg eine versteckte Armut, die man leicht übersehen könnte.
Vor diesem Hintergrund ist der Caritas-Skandal umso erschreckender, bei dem 61 Millionen Euro veruntreut wurden. Wie sehr beschädigt der Caritas-Skandal das Bild der katholischen Kirche im Land?
Renée Schmit: Dieser Finanzskandal beschäftigt die Menschen sehr. Aber keiner kennt die Details. Viele äußern Fassungslosigkeit, Wut, Schuldzuweisungen, Enttäuschung. Wir sehen, dass man in einem Augenblick Vertrauen verliert und es lange dauern wird, bis es wiederhergestellt ist.
Wenden wir uns der Papstvisite zu. Die Kathedrale von Luxemburg ist eine Marienkirche und Ziel der berühmten jährlichen Marienwallfahrt, der sogenannten Oktave. Sie sind Präsidentin der Wallfahrtskommission, sind auch als Predigerin bei der Oktave aufgetreten. Welchen Stellenwert haben diese Wallfahrt und die Marienfrömmigkeit heute in Luxemburg?
Renée Schmit: Ja, diese 14-tägige Oktave ist ein Höhepunkt im pastoralen Leben der Erzdiözese. Ich glaube, wir nutzen sie noch nicht genug, aber es ist im Werden. Durch meine Predigtdienste wurde mir bewusster, was sich alles um die Trösterin bewegt und was Maria für die Menschen heute in Luxemburg bedeutet. Aufgrund dieser Erfahrung wage ich zu behaupten, dass Maria eine Art Networkerin ist, die Menschen untereinander verbinden kann, Menschen unterschiedlicher Herkunft, Sprache, Kultur und Glaubenssensibilität. Sie führt zusammen, im Sinne von Papst Franziskus, in der Vielfalt, aber von innen heraus. Es ist diese innere Reform, die man bei Maria lernen kann. Sie wirkt nicht nur im Leben der gläubig Engagierten, sondern ich glaube, sie wirkt über die Kirche hinaus in eine multikulturelle Gesellschaft hinein. Und nach 400 Jahren stellen wir fest ja, dass dieser Wallfahrtsort ein Ort des Trostes geblieben ist und immer noch gefragt im schmerzhaften Wachstumsprozess unserer Kirche. Unterschlagen sollte man deshalb auch nicht, dass im Lauf der Luxemburger Kirchengeschichte nicht wenige neue Aufbrüche vom Bild der Trösterin ausgingen. Und dies lässt uns trotz allem hoffen.
Sie haben in einem Interview rund um Ihre Oktavpredigt gesagt, die Kirche tut gut daran, den Frauen neue Räume in der Verkündigung zu eröffnen. Wie steht es damit in Luxemburg? Was ist Realität, und was ist im Entstehen?
Renée Schmit: Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gab es viele Frauen, die Theologie studiert haben. Sie stellen sich bis heute resilient und mit Kreativität in den Dienst des Evangeliums, auch wenn es fallweise sehr schwer ist. Manche Frauen werden da auch schon mal untergebuttert. Viel hat sich geändert, weil Kardinal Hollerich eine Lanze für Frauen in Verantwortung gebrochen hat, er hat drei Frauen als bischöfliche Beauftragte, hat sie in den Bischofsrat aufgenommen. Aber das genügt nicht. Ich glaube, während der Synode haben viele Frauen auch von nicht sehr evangeliumsgemäßem Benehmen in der Kirche gesprochen. Sie möchten eine andere Atmosphäre, einen anderen Umgang auf Augenhöhe. In manchen Pfarreien ist das einfach, an anderen Orten nicht. Ich leide da mit. Einige jüngere Kolleginnen haben den Wunsch zu predigen. Sie sind Theologinnen, aber sie können das nicht so einfach tun. Und ich würde mir sehr wünschen, dass Papst Franziskus auf der Synode noch einmal dieses Fenster öffnet. Und dass da trotzdem mehr möglich ist. Das ist wichtig, um auf Augenhöhe mit den Männern zu sein.
Wie schätzen Sie Reformbewegungen wie Maria 2.0 in Deutschland ein?
Renée Schmit: Wir stehen in Luxemburg oft zwischen den Franzosen und den Deutschen. In Deutschland sind die kulturellen Entwicklungen anders, und ich mache mir Sorgen, dass die guten Frauen dort sich verhärten, wenn nicht bald etwas geschieht. Das ist ein großes Risiko.
Welche Form der Ermutigung und Orientierung für Luxemburg, nicht nur für die Kirche, würden Sie sich vom Papstbesuch wünschen?
Renée Schmit: Ich wünsche mir Hoffnungsimpulse und innere Stärkung für jeden und jede, damit wir in einem säkularen Umfeld den Glauben bewusster und mutiger leben und Christus in der Freude bezeugen. Der Papst strahlt evangelische Einfachheit und ein prophetisches Charisma aus, das die Menschen berühren wird. Begegnungen mit ihm können viel auslösen, er redet aus einem missionarischen Geist heraus. Und ich hoffe, dass wir den Mut haben, uns nicht nur der materialistisch geprägten Gesellschaft anzupassen, sondern dass wir Gott neuen Raum geben.
Renée Schmit ist Bischöfliche Delegierte für Evangelisation und Bildung, Direktorin des Diözesanen Bildungshauses und Präsidentin der Diözesanen Oktavkommission.
Das Gespräch führte Gudrun Sailer, die für uns beim Papstbesuch in Luxemburg vor Ort ist.
(vatican news – gs)
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