Albertinerschwestern: Dienst an den Armen in der Ukraine
P. Mariusz Krawiec SSP – Ukraine
Der Beginn des Krieges war dramatisch. Die emotionale Anspannung war enorm. Menschenmassen flohen durch Lemberg in Richtung der westlichen Grenze. Am Bahnhof der Stadt kamen Züge voller Flüchtlinge an. Müde, schmutzige und verwirrte Menschen strömten aus den Waggons auf den Platz vor dem Bahnhof. Sie gingen in die Stadt, in der Hoffnung, eine Unterkunft zu finden.
?Gerade jetzt, in dieser angespannten Zeit, sind wir wachsam und gehen jeden Tag auf die Straßen zu denen, die dort herumirren und nicht wissen, was sie tun sollen", sagte Schwester Geronima am dritten Tag nach Kriegsbeginn gegenüber Radio Vatikan. ?Gestern war eine Gruppe von weinenden Mädchen in der Kathedrale. Sie kamen aus Odessa und wussten nicht, wo sie Zuflucht finden sollten. Es gibt große Verzweiflung, Angst, Sorgen und Unsicherheit unter den Menschen. Wir unterstützen sie geistlich. Viele Leute rufen uns an und bitten um ein Gebet, weil ihr Sohn oder Ehemann in den Krieg gezogen ist."
Eine humanitäre Katastrophe droht
Bald stellten wir fest, dass die Flucht der Menschen in Richtung polnischer Grenze ohne Hilfe von außen zu einer humanitären Katastrophe zu werden drohte. Die Autos auf der Straße zur Grenze standen kilometerlang im Stau. Frauen, Mütter, Großmütter, Tanten mit kleinen Kindern auf dem Arm suchten etwas zu essen. Sie suchten einen Ort, an dem sie sich aufwärmen konnten, und ein tröstendes Wort der Ermutigung.
Zu dieser Zeit, im Februar 2022, lebten drei Albertinerinnen in Lemberg: Geronima, Dorotea und Rados?awa. Am sechsten Tag des Krieges kamen die Schwestern, um den Menschen an der ukrainisch-polnischen Grenze in Rawa Ruska zu helfen. Sie fanden in der Nähe eines Gebäudes der ?Caritas-Spes" Unterschlupf, die sich im ehemaligen Franziskanerkloster - etwa zehn Minuten vom Grenzübergang - befindet. Tatsächlich war dieses ehemalige Kloster 2022 nur noch eine Ruine. Schnell wurden mobile Toiletten mit Brettern gebaut und vor dem Tor Tische aufgestellt. Die Schwestern der römisch-katholischen ?Caritas-Spes" begannen, heiße Getränke und Brote zu verteilen. Das berichtete Swetlana aus Saporischschja damals vor Ort einem Journalisten von Radio Vatikan. Sie hatte ihren Enkel im Arm: ?Ich will mein Leben retten. Ich möchte, dass dies alles endlich ein Ende hat, weil dies unser Land, mein Land, meine Stadt, meine Heimat ist. Ich möchte hierher zurückkehren, damit alles für mich und meine Kinder gut wird. Ich möchte, dass mein Enkel in dem Land lebt, in dem er geboren wurde. Denn das ist seine Heimat." Es gibt viel Angst und Tränen.
Zufluchtsort für obdachlose Frauen
Heute leben nur noch vier Albertinerschwestern in der Ukraine: zwei stammen aus Polen, zwei aus der Ukraine. Bis 1945 hatten die Schwestern mehrere Hilfszentren und Häuser in der Ukraine. Sie kümmerten sich um die Armen. Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Sowjets an die Macht kamen, durften sie nicht in der Ukraine bleiben. Um die Armen sollte sich nun der Staat kümmern. Armut sollte es nicht mehr geben, versprach die Kommunistische Partei.
Vor einigen Jahren kehrten die Albertinerschwestern nach Lemberg (Lwiw) zurück. Auf dem berühmten Friedhof von Janów entdeckten sie die vergessenen Gräber der Schwestern, die hier vor 1945 lebten. Sie errichteten ein symbolisches Denkmal für sie. Ihre Aufgabe war es, einen Zufluchtsort für obdachlose und in Not geratene Frauen zu schaffen, der im September 2023 eröffnet werden konnte. An diesem Tag kam Kardinal Krajewski zu ihnen. Der Präfekt des Dikasteriums für den Dienst der Nächstenliebe nahm im Auftrag des Papstes, der dieses Werk von Anfang an unterstützt hat, die Haussegnung vor. Kardinal Krajewski war bereits 2020 zur Grundsteinlegung angereist. Damals erwartete niemand, dass ein großflächiger Krieg ausbrechen und russische Raketen Lemberg erreichen würden. Schwester Geronima, die damalige Oberin der Albertinerinnen in Lemberg, kommentierte dieses Ereignis: ?Es wird ein Haus für obdachlose Frauen und Mütter mit Kindern sein. Wir möchten dieses Haus zu einem einladenden Zufluchtsort für alle machen. Wir möchten diesen Frauen Wärme und Sicherheit geben, damit sie ihre Würde wiedererlangen können, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit." Heute werden in diesem Haus fast hundert Mahlzeiten am Tag ausgegeben. Junge Mütter und Frauen, die aus den vom russischen Militär bombardierten Städten geflohen sind, finden hier Aufnahme.
Unter den Armen auf der Straße
Die Schwestern kennen die Straßen von Lemberg sehr gut. Sie wissen am besten, wo sich die Armen verstecken. Sie leben in heruntergekommenen Behausungen und ernähren sich von Abfällen. Als die Pandemie ausbrach, wollte sich ihnen niemand nähern. Es gab keine Touristen in der Stadt, die Gastronomie kam zum Erliegen, und so gab es viel weniger Abfälle aus den Restaurants. Unter den Armen herrschte Hunger. Die Schwestern, mit Masken und Taschen voller Essen, gingen durch die Stadt auf der Suche nach denen, die Hilfe benötigten.
?Natürlich hatten wir Angst, uns mit Covid anzustecken, aber die Liebe zu den Armen, die von unserem albertinischen Charisma kommt, war stärker als die Angst vor dem Virus", sagte damals Schwester Rados?awa. Trotz der beunruhigenden Situation besuchten die Schwestern während der gesamten Pandemie arme und verlassene ältere Menschen in ihren Häusern.
Heute kommen immer wieder andere Frauen zum Zufluchtsort in Lemberg. Jemand erzählt ihnen, dass es einen solchen Ort gibt, oder jemand bringt sie direkt dort hin. Das Werk beginnt, bekannt zu werden. Mittlerweile ist die ?Chlebowa-Straße" (Brotstraße) in Lemberg nicht nur berühmt für die Bäckerei, die sich dort befindet, sondern auch für das ökumenischen Haus der Barmherzigkeit.
(vatican news)
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