D: Warum das bisch?fliche Cusanuswerk jetzt auch Azubis f?rdert
RV: Ab August 2024 wird das Cusanuswerk auch Auszubildende aufnehmen. Wie kam es zu dieser Entscheidung und was versprechen Sie sich von diesem neuen Förderzweig?
Thomas Scheidtweiler: Wir beobachten, dass sich die berufliche Bildung und die akademische Bildung immer mehr angleichen. Man kann einen deutlichen Trend zur Akademisierung vieler Ausbildungsgänge beobachten, gleichzeitig auch eine zunehmende Praxisorientierung vieler Studiengänge nicht nur an Fachhochschulen und in dualen Studiengängen. Auch hat es noch nie so viele Auszubildende mit Abitur gegeben und noch nie so viele Studierende ohne Abitur.
Trotzdem gibt es in Deutschland heute mehr als doppelt so viele Studierende wie Auszubildende. Wir glauben, dass es auch gesamtgesellschaftlich genauso sinnvoll ist, besonders begabte Auszubildende zu fördern wie besonders begabte Studierende. Es kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu...
RV: ...nämlich?
Thomas Scheidtweiler: In Deutschland dürfte es kaum einen anderen katholischen Kirchenort geben, der in den vergangenen zehn Jahren so viel Zuwachs an jungen Menschen gehabt hat wie das Cusanuswerk. Wir fördern heute rund 2500 Stipendiaten und Stipendiaten, und das über mehrere Jahre. Wir verstehen Begabtenförderung auch als Demokratieförderung.
RV: Begabtenförderung als Demokratieförderung: Können SIe das vertiefen?
Thomas Scheidtweiler: Wir bringen ja die besonders leistungsstarken jungen Menschen zusammen, die sozial engagiert sind und die einen christlich katholischen Wertekompass haben. Und wo, wenn nicht mit diesen Leuten und nicht hier im Cusanuswerk, soll man lernen, Lagerdenken zu überwinden und Brücken zu bauen, mit den Zumutungen widerstrebender Meinungen umzugehen, sich auch mal einen Vertrauensvorschuss zu schenken, sich vorurteilsfrei zuzuhören, auch mal nachzugeben? Das Cusanuswerk versteht sich als ein Erprobungsraum für all das, für das Miteinander und für Versöhnung in unserer Gesellschaft und auch in unserer Kirche. Wir denken einfach: Es ist wirklich wichtig und man kann all das nur üben, wenn man nicht in der eigenen ?Bubble“ bleibt, wo alle dasselbe denken. Es braucht echte Vielfalt. Und deswegen bringen wir Menschen zusammen mit unterschiedlichen politischen Überzeugungen, mit einer Vielfalt an Frömmigkeitsformen und eben auch mit unterschiedlichen beruflichen Perspektiven.
RV: Sehen Sie das als das Spezifikum auch des Cusanuswerks? Die anderen Förderwerke sind ja bei diesem Pilotprojekt des Bundesministeriums auch dabei.
Thomas Scheidtweiler: Ich würde das nicht als Konkurrenz verstehen. Ich glaube, dass andere Werke auch ganz ähnliche Ziele verfolgen mit dieser Förderung. Es ist schon tatsächlich ein historischer Schritt in der Geschichte der Begabtenförderung. Wir haben ja in Deutschland das plurale System der staatlich finanzierten Begabtenförderung mit insgesamt 13 Werken, die die verschiedenen weltanschaulichen, religiösen, politischen, wirtschafts- und gewerkschaftsorientierten Strömungen in Deutschland widerspiegeln. So etwas hat es für Auszubildende bisher nicht gegeben. Das ist schon wirklich ein Meilenstein, kann man sagen. Wir sind dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, das das ermöglicht, wirklich sehr dankbar, dass wir das machen können.
Das Cusanuswerk hat sicherlich eine Reihe von Spezifika, wie die anderen Werke auch. Ich glaube, wir gehören zu den Werken, die diese Idee sehr früh positiv aufgegriffen haben. Das hat vielleicht auch ein bisschen damit zu tun, dass wir, als wir in den 50er Jahren gegründet wurden, ein bisschen auch aus einem Inferioritätsempfinden den Protestanten gegenüber ins Leben gerufen worden sind. Von den Protestanten waren viele schon in den Parlamenten und in den Redaktionen, während die Mitglieder der katholischen Kirche doch stärker bäuerlich, handwerklich und ländlich geprägt waren. Und das spiegelt sich bis heute in der Verbändestruktur wider. Bei uns ist das sehr auf sehr, sehr fruchtbaren Boden gefallen und wir freuen uns wirklich sehr auf diese Möglichkeit, jetzt auch Auszubildende fördern zu dürfen.
RV: Wenn die Auszubildenden im Studienprogramm sind, werden sie auch auf die Stipendiaten der anderen Fördergänge treffen. Gibt es gemeinsame Angebote? Ein wichtiger Bestandteil sind ja gerade die ideelle Förderung und das Seminarprogramm.
Thomas Scheidtweiler: Das ist das, was ich eben meinte: Die Leute dürfen nicht in einer Echokammer verbleiben. Wenn wir von Vielfalt sprechen, dann müssen die Leute zusammenkommen, die unterschiedlichen politischen Überzeugungen teilen, die Vielfalt an Frömmigkeitsformen erleben und auch die unterschiedlichen beruflichen Perspektiven. Deswegen machen wir keine separate Förderung und wir wollen auch keine Zwei-Klassen-Förderung. Wir passen nicht die Begabtenförderung an die Auszubildenden an, wir suchen Auszubildende, die in die Begabtenförderung passen, und die gibt es in großer Zahl. Wir werden also von den hohen Standards, die gerade auch das Cusanuswerk in der Begabtenförderung anlegt, nicht abweichen. Wir suchen junge Leute, die ihren christlichen Glauben leben, die in ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl handeln und die wirklich hervorragende Leistungen erwarten lassen in ihrer Ausbildung, in ihrem Beruf.
RV: Also kommt quasi von den neuen Stipendiaten und Stipendiaten auch vielleicht ein neuer Einfluss, eine gewisse Veränderung auf das Werk auch zurück? Erhoffen Sie sich das?
Thomas Scheidtweiler: Das erhoffen wir uns sehr und wir sind auch sehr zuversichtlich, dass das so sein wird.
Das Interview führte Wenzel Widenka
(vaticannews)
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